Am CERN werden große Dinge vorbereitet. Am 1. August (dem Schweizer Nationalfeiertag) soll der größte Teilchenbeschleuniger der Welt in Betrieb genommen werden, der LHC (Large Hadron Collider) heißt und die Aufgabe hat, das sogenannte Higgs-Teilchen (wie beim Schluckauf zu sprechen) zu finden. Das heißt, mit dieser (physikalischen) Aufgabe geben sich die Forscher am CERN nicht zufrieden (dafür hätten sie auch nicht die Milliarden bekommen, die ihr Tun verschlingt). Sie verkünden statt dessen, nicht das Kleinste (ein Teilchen), sondern das Grösste (nämlich Gott) zu suchen, und sie werden ihn bzw. es auch finden, und zwar in jedem Teilchen. Und wenn das nicht klappt, dann entdecke man eben die Superschnüre, die als Strings die Welt aufbauen und wie eine kosmische DNA unser Leben verkleben und stringent leiten. Dafür lohnen die Millionen, und so harrt die Menschheit aus und erwartet die Genfer Verkündigung der Wahrheit. Es ist manchmal schon komisch, das kosmische Gebahren der Großforscher, die alles Mögliche sind, nur keine großen Forscher.

In meinem letzten Blog – Der Katz und die Katze – war schon von Katzen die Rede. In der Wissenschaft gibt es noch eine, d.h. noch eine Geschichte mit der Katze: Physik, so sagt man, ist die Suche nach einer schwarzen Katze in einem dunklen Raum, deren Schwanz man manchmal zu fassen bekommt. Philosophie, so lästert man, ist die Suche nach derselben Katze, nur daß sie nicht da ist; trotzdem schreit dauernd jemand, “Ich habe sie!”
Dann ist klar, was am CERN passiert. Man treibt mit Milliardenaufwand schlechte Philosophie, denn das, was die Physiker suchen, gibt es ganz sicher nicht – ein Teilchen. Atome sind keine Dinge mehr, und im Subatomaren findet man erst recht nichts, was man Teilchen nennen könnte. Da ist ganz gewiss auch kein Gott. Den kann man sowieso nicht suchen (auf keinen Fall mit Maschinen), von dem kann man sich nur finden lassen.

Kommentare (8)

  1. #1 florian
    Juli 12, 2008

    Also irgendwie verstehe ich diesen Beitrag nicht so ganz. Wo hätten denn CERN-Forscher behauptet, “Gott” finden zu wollen. Und natürlich gibt es Teilchen…

    Ich hoffe mal, der Beitrag ist nur eine Art Satire, die ich nicht verstehe… 😉

  2. #2 L. Carone
    Juli 12, 2008

    Ich verstehe es auch nicht. Geht es um das angebliche Gottesteilchen, dieser PR-Gag eines Physikers, der damit den Titel seines Buches schmückte und der blöderweise so erfolgreich ist, dass jeder Journalist als erstes daran denkt, wenn er vom Higgs-Teilchen hört? Obwohl der Begriff von der Physikern weltweit – auch von mir – abgelehnt wird?

    Das CERN betreibt Grundlagenforschung d.h. es geht um die Suche nach Erkenntnis an sich und darauf gefasst zu sein, was auch immer sich da draußen finden lässt. Wer natürlich von vornherein gar nicht erst sucht, wird natürlich auch nichts finden.

    Und diese Arbeit wird nicht dadurch herabgewürdigt, dass Maschinen dafür benutzt werden. Eine absurde Idee. Sind Galileis Entdeckungen wertlos, weil er es wagte Glaslinsen zur Verstärkung seiner Sehkraft einzusetzen, um damit zu erkennen, dass mitnichten die Erde das Zentrum des Kosmos ist?

    Und das soll jetzt schlechte Philosophie sein? Was wäre denn demnach gute Philosophie?

    Man mag die Suche nach Erkenntnis mit der Suche nach Gott gleichsetzen. Meine Sache ist das nicht. Ich halte das für eine unzulässige Verquickung von Religion und Wissenschaft. Aber diesen Hang einiger Leute als Waffe zu benutzen, um die Forschung am CERN lächerlich zu machen – oder wie verstehe ich das? – ist absurd.

    Insbesondere wenn man Erkenntnisse der Stringtheorie als Argumente anführt, die – wer hätte das gedacht? – mit Maschinen in die Welt gekommen sind. Mit Theorien, die auf Erkenntnissen aufbauen, die Experimente in anderen Teilchenbeschleunigern überhaupt erst mal geschaffen haben.

  3. #3 Elea
    Juli 13, 2008

    Sicher, die Physik als Disziplin nutzt verschiedene unwissenschaftliche Bilder (wie dem vom Teilchen), um sich dem Laienpublikum verständlich zu machen.

    Und dieses ganze Brimbamborium was daraus in deren Köpfen erwächst hat am Ende nicht mehr sehr viel mit der wissenschaftlichen Wahrheit zu tun. Das geht zu mindest seit Albert Einstein so.

    Statt dessen handelt es sich um eine Art Religion/Philosophie, schlechte Religion/Philosophie, sicher, die möglicherweise nur dazu dient, dafür zu sorgen, daß Großforschung mit der nötigen finanziellen Großzügigkeit begegnet wird.

    Aber was soll’s? Die Menschheit langweilt sich doch zu Tode. Wenn also jemand es schafft etwas zu tun, was vorher noch niemand getan hat, so darf er sich doch der allgemeinen Aufmerksamkeit und Neugierde sicher sein. Deshalb gehen die Ausgaben doch schon in Ordnung. Man kann’s mit einer Peepshow vergleichen, bei der jeder dafür bezahlt, durch’s Loch kucken zu dürfen.

  4. #4 Eike Pierstorff
    Juli 13, 2008

    Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie wenn da einer im Internet auf CERN schimpft – selbst wenn CERN nichts hervorgebracht hätte als das WWW hätte es sich, was das Monetäre angeht, bereits gelohnt, und nebenbei ganz anschaulich den Wert von Grundlagenforschung demonstriert; manchmal kommen dabei Dinge heraus an die man vorher nicht gedacht hat oder hätte denken können. Und auch sonst gehört dieser Text zum dämlichsten was ich je gelesen habe.

    Unabhängig von der Motivation einzelner Forscher kriegt CERN seine Mittel natürlich nur für physikalische Fragestellungen, und von einer Suche nach Gott kann keine Rede sein – das ist schlicht eine Lüge um das Institut irgendwie komisch aussehen zu lassen. Und natürlich ist es auch nicht Aufgabe des LHC das Higgs-Boson zu finden, das klingt ja als ob es versagt hätte wenn das Teilchen nicht auftaucht. Der LHC soll (unter anderem) eine Theorie überprüfen die ein Higgs-Teilchen voraussagt, wir sind also so oder so hinterher schlauer als vorher. Und die Leute die Strings für “kosmische DNA” halten sind Perry-Rhodan-Redakteure oder Deppen, und bis vor diesem Artikel haben nicht einmal Deppen behauptet das Strings das Leben “leiten”.

    Elea, deinen Kommentar verstehe ich noch viel weniger, schon weil ich nicht kapiere gegen wen sich der richtet. Teilchenphysik benutzt Bilder um sich verständlich zu machen weil die Dinge mit denen sie sich beschäftigt zu klein und zu wenig anschaulich sind als das sie mit dem Auge und dem Alltagsverständnis erfassbar wären. Und die Verwirrung entsteht dann wenn Leute die Analogie für das richtige Ding halten und tatsächlich anfangen Katzen in Schachteln zu vergiften und solchen Unfug. Aber die schlechte Philosophie ist dabei ja die von Ernst Peter Fischer und trägt nun so gar nichts zu “finanziellen Großzügigkeit” gegenüber der Forschung bei.

    Wer wissen will was der LHC tun soll kann es übrigens nachlesen: https://public.web.cern.ch/public/en/LHC/WhyLHC-en.html. Von Göttern ist da nicht die Rede, einzig ein Titan wird beim Namen genannt und selbst Atlas ist dann nur “A Toroidal LHC ApparatuS” und das klingt nun wirklich nicht als hätten Physiker einen verborgenen Hang zum Mystizismus.

  5. #5 Elea
    Juli 14, 2008

    @Eike Piersdorff. Nein, die schlechte Philosophie ist nicht die eines Ernst Peter Fischer, sondern z.B. die eines Herrn Penrose’. Nach Penrose sind Energie und Bewußtsein eines und Denken ist ein Quanteneffekt, um ein konkretes Beispiel zu bringen.

    In dem Fall ist es schlechte Philosophie, weil man nicht zwei Dinge identifizieren sollte, bevor man beide Dinge gut kennt. Aber das ist wirklich nur ein Beispiel. Immer wenn von Quantencomputern die Rede ist, frage ich mich, ob da wieder einer auf Teufel komm’ raus den Praxisbezug seiner Forschung beweisen will.

    Es wird in dem Bereich viel geschwafelt. Erinnern Sie sich an die Reaktionen auf die Relativitätstheorie? Da ging es dann plötzlich um die absoluten christlichen Werte. Auch ein Beispiel von sehr schlechter Philosophie, in dem Fall seitens des Publikums, wobei Einstein durch seine politischen Äußerungen den Quatsch wohl auch ein Stück weit provoziert hat.

    Kurzum, Physik ist mehr als andere Wissenschaften ein Stück Popkultur. Was das Finanzielle angeht: Ich denke diese unwissenschaftliche Physikbegeisterung hilft der Physik als Disziplin schon, in puncto Finanzierung, in anderer Hinsicht schadet sie natürlich auch.

    Naja, ich richte mich gegen diese Begeisterung. Das ist alles. Und was den ursprünglichen Kommentar hier angeht, er nimmt auf reale Dinge bezug, wobei die pauschale “Schuldzuweisung” dem CERN gegenüber natürlich nicht ganz berechtigt ist oder wenigstens nicht erhärtet wird.

  6. #6 Ernst Peter Fischer
    Juli 16, 2008

    Ich danke für die Kommentare, die ich vielleicht ein wenig kommentieren sollte (obwohl ich als Autor das Rezensieren von Rezensionen für albern halte). Die Anmerkungen finden – wenn ich das richtig sehe – im Dreieck aus Wissenschaft, Religion und Philosophie statt. Ich finde alles, was geschrieben wurde, ehrlich aund also bemerkenswert. Vielen Dank.
    Das Ausgangsproblem ist, das wir für die gute Physik, die das CERN sicher macht, so viel Geld brauchen, daß man offenbar meint, andere Begründungen für das Treiben der vielen Physiker finden zu müssen. Das meine ich übrigens nicht. Aber wenn man mit den Begründungen loslegt und dann statt ernsthafter Bemühungen um die Vermittlung des historischen Stellenwerts von Grundlagenforschung albernes Geschwafel von Leuten hört, die meinen, philosophische Begrifflichkeiten mit links erledigen zu können, dann wird die gute Wissenschaft von schlechter Philosophie vernebelt. Man sieht und hört nichts mehr von Physik (und wartet auf den lieben Gotte wie auf die sagenhafte Teflonpfanne). Mich ärgert vor allem, daß immer dieselben Leute es für schick halten, irgendwann den lieben Gott aus dem Hut zu ziehen, weil sie so ihre Offenheit der Religion gegenüber zeigen wollen. Dabei hat das eine nichts mit dem anderen zu tun. Was wir brauchen – Mut, den Leuten zu sagen, was gute Wissenschaft kostet (wobei der Hinweis erlaubt ist, daß Europa hier einmal den Amerikanern davon läuft, weil dort zu sehr und zu direkt von den Politikern ein Gottesbeweis erwartet wird)), und die historische Kenntnis, was Wissenschaft im kulturellen Kontext bedeutet. Sie steht und spricht für sich selbst und braucht dafür keinen philosophisch-religiösen Blödsinn. Das mit den Teilchen erledigt sich dann von selbst.

  7. #7 Mordushak Isarlander
    August 4, 2008

    An alle, vor allem Herrn Fischer:
    Ich denke, sie unterliegen einem weit verbreiteten Irrtum der Physik, nämlich, daß mit genügend finanziellen Mitteln und genügender Ausstattung jede beliebige Tatsache verifizieren bzw demeintieren lasse.
    Dabei sollte man aber nicht ausser acht lassen, daß wir vielleicht, trotz vermeintlich perfekter und ach so hochempfindlicher Instrumente noch gar nicht alles erfassen können, was es überhaupt zu erforschen gibt.
    Es bewegt mich immer wieder die Frage, was die Menschheit im Laufe der Geschichte nicht schon alles gewußt hat (rspkt gewußt zu haben glaubte).
    Ich fände es demzufolge also angebracht, ein wenig von der Arroganz abzukommen, die unzweifelhaft Einzug hielt, gerade im Teilbereich der Physik.
    Denn gerade in der letzten Zeit wurden doch nicht wenige Mängel des bisherigen “mechanisch vorhersagbaren” Weltbildes offenbar.
    Zum Thema Teilchen- Wie sagt Hans Peter Dürr so schön?
    Es gibt keine Materie, sondern nur Energie in unterschiedlichen Ballungen. Also kann man postulieren, daß Materie Energie ist, die, sagen wir mal, besonders dichte Wellenlängen aufweist.

  8. #8 David Putnam
    Juli 12, 2011

    Ob Quantenphysik mit Religion zu tun hat oder nicht, sollte doch jedem selbst überlassen sein. Sogar der Generaldirektor vom CERN, Rolf Heuer, sagte beim Abschluss des 3sat-Beitrags:
    “Warum sollte er keinen Platz haben? Aber Sie müssten auch die Frage stellen: Wenn es Gott gibt, was gabs dann VOR Gott? Es ist eine spannende Stelle…”.

    Diese agnostische Grundhaltung ist wohl sowohl für Philosophen als auch Wissenschaftler am idealisten.
    Hier der Beitrag: https://www.3sat.de/page/?source=/nano/natwiss/149233/index.html