Wann entstand beim Menschen ein Sinn für Schönes? Farbpigmente an archäologischen Fundstellen weisen darauf hin, dass der Homo sapiens schon sehr früh begann, Schönheit zu erzeugen. Die Erdfarben sind so alt wie unsere Art.
Am Anfang stehen immer viele Fragen: Wie begann das alles mit der Schönheit? Wann begannen Menschen in Kategorien von ‚Schönheit’ zu denken? Und warum? Wer fing an ‚sich schön machen’, das in der Regel wohl immer auch ein ‚sich schöner machen als’ war, schöner als man von Natur aus war, aber auch schöner als der/die andere(n).
Hatte die Schönheit eines Dings mit einer Notwendigkeit und Nützlichkeit zu tun, als sie entstand? War ein Faustkeil symmetrisch, weil er besser war als ein unsymmetrischer, oder weil er einfacher besser aussah? Oder war es gerade umgekehrt? Weil symmetrische Speerspitzen besser waren, wurde Symmetrie zu einem Maß für Schönheit?
Wenn Wissenschaftler versuchen diese Fragen zu beantworten stoßen sie zunächst mal auf ein grundlegendes Problem. Die Menschen der Frühzeit können sie nicht mehr befragen, so wie sie es heute zum Beispiel in der Attraktivitätsforschung tun. Das einzige was sie haben, sind indirekte Hinweise, Artefakte, die die Zeit überdauerten: Steinwerkzeuge, Malereien auf Höhlenwänden, Steinschmuck, erste Steinfiguren.
Doch auch mit diesen frühen “Kunst”gegenständen gibt es oft ein Problem: Sie sind ziemlich selten. Damit stellt sich die Frage wie repräsentativ sie für eine Epoche sind.
Dass die Venus von Willendorf eine unglaublich üppige Frau war, bedeutet das, dass die Menschen dieser Zeit Frauen, dieser Gewichtsklasse besonders attraktiv fanden? Und also ein modernes Supermodel ein hässlicher Hungerhaken in den Augen dieser Menschen gewesen wäre?
Unter all den Spuren vergangener Zeiten, die uns etwas über die Entstehung eines Schönheitskonzeptes unserer Vorfahren verraten könnten, gibt es ein Artefakt, das auf den ersten Blick ganz besonders wenig Informationen liefert. Denn anders als ein Höhlengemälde, eine frühe Flöte oder ein Figurine, ist dieses Artefakt nur das Mittel, das Werkzeug, mit dem Schönheit erzeugt werden kann: Farbpigmente, vor allen das leuchtend rote Hämatit, ein Eisenoxid, und das Ocker, das sich, wenn man es erhitzt, in rotes Pigment verwandelt.
Der Paläontologe Francesco D’Errico erklärt in seinem Beitrag “Und der Mensch erschuf die Schönheit …” dazu:
Der erste Ort auf den der Mensch das Konzept von Schönheit anwendete, war sein eigner Körper. Das zeigen hunderte von Überresten roter Pigmente an archäologischen Fundorten im südlichen Afrika, mindestens 200.000 Jahre alt.
Jüngere afrikanische Gesellschaften haben genau dieselben Pigmente genutzt, was die These unterstützt, dass die Farben, die man aus dem Ocker herstellte vor allem dazu diente, menschliche Haut und Tierhäute zu färben. Menschliche Körper, von oben bis unten beschmiert mit rotem Pigment oder mit verschiedenen Mustern bemalt, wurden zum ersten mal schön.
Die ältesten Farbpigmente sind also etwa so alt wie der moderne Mensch selbst, vielleicht hat sogar schon der archaische Homo sapiens Farbpigmente benutzt.
Aber warum hat er damit begonnen? Den Körper bemalen? Wie kommt jemand auf die Idee sich Farbe auf die Haut zu schmieren? Ging es wirklich darum, schön(er) zu sein, aufregend, ungewöhnlich? Oder ging es zunächst, um etwas ganz anderes?
Nach Ansicht einiger Anthropologen ist es kein Zufall, dass man mit den Farbpigmenten ausgerechnet rote Farbe erhielt. Warum, erkläre ich im nächste Post …
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