Wann stellte der Mensch oder seine Vorfahren den ersten Schmuck her? Wann die erste menschliche Figur? Und wann bemalte er zum ersten Mal die Höhlenwände. Eine Zusammenstellung der ältesten Artefakte menschlicher Kreativität … natürlich ohne Gewähr.
Wieder zurück in die Vergangenheit, zurück zum dem Versuch herauszufinden, wann der Mensch und seine Vorfahren angefangen haben, die Welt um sich herum schöner zu machen. mit Symbolik und Ästhetik zu bereichern.
Um die Grenzen unseres Sinns für diese Symbole, kreatives Schaffen, Kunst und Ästhetik im Fluss der Zeit festzuzurren, gibt es nur eine Möglichkeit: Archäologische Funde, die sich zeitlich einordnen lassen.
Da hat sich im Laufe der Jahrzehnte einiges angesammelt. Zur Orientierung habe ich unten mal eine Liste der vermeintlich ältesten Funde zusammengestellt, die uns einen Hinweis dafür liefern, wann unsere Vorfahren ihren Sinn für Schönes entwickelten.
Wie immer ist das ganze mit einer gewissen Vorsicht zu genießen, man sollte es nicht allzu ernst nehmen. Erstens ist eine Figurine, die ein Archäologe findet, mit großer Wahrscheinlichkeit nicht die Erste ihrer Art. Das wäre ein zu großes Glück. Feststellen kann man das ohnehin nicht, da ja niemand an seine kleine Statue schreibt: „Dies ist die erste modellierte Figur eines Homo sapiens“.
Natürlich kann man auch nur finden, was erhalten bleibt. Sollten der erste Künstler der Menschheit auf Baumrinde oder im Sand gemalt haben, werden wir es nie erfahren.
Dann gibt es vielleicht Fehler und Probleme bei der Datierung, oder der Zeitrahmen ist so groß, das viel Platz für Spekulationen und Streitereien Diskussionen bleibt, wer denn jetzt das älteste ‘Irgendwas’ gefunden hat. Schließlich sind Funde auch nicht immer ganz eindeutig zu identifizieren: „Das könnte eine ‘Frauengestalt’ sein, muss aber nicht”.
Eindeutige Funde erweitern den zeitlichen Rahmen; eine Ausdehnung der kreativ-ästhetischen Zone sozusagen. Im Folgenden also eine kleine Liste mit Beispielen der ältesten Funde, sortiert nach Art des Schmuckstückes. Eine chronologische Darstellung der 50 ältesten Kunstwerke mit ausführlichen Erklärungen (in Englisch) bietet die (Achtung: nicht vom Namen irritieren lassen) famose “Encyclopedia of Irish & World Art”
Die älteste Höhlenmalerei
Die findet sich – wie so viele – in diesem Gebirgsband Nordspanien/Südfrankreich. Die meisten kennen die Höhlenmalerei von Lascaux oder Altamira. Die ältesten Malereien verzieren aber die Chauvet-Höhle in Südfrankreich. Die vor etwa 32.000 Jahren entstanden.
Die Webseite zur Chauvet-Höhle findet sich hier (in Englisch, Spanisch und Französisch). Auf Arte und Wikipedia gibt es auch ausführliche deutsche Texte (Der Arte-Beitrag ist von 2001, damals ging man noch von einem Alter von 37.000 Jahren aus (sic!)). Hier geht es zu einer GEO-Fotoserie.
Die ältesten Steingravuren
Man kann natürlich auch ohne Farben Bilder auf Stein malen. Und es braucht eine Entdeckung weniger, um zum Ziel zu kommen. Dennoch gibt es bisher keine Petroglyphen die älter sind als die ältesten Pigmentfunde. Als ältestes “Gekritzel” gilt ironischerweise Linien auf zwei Stücken Hämatit, also dem Stoff aus dem die frühesten Farben hergestellt wurden. Entdeckt wurde es in der südafrikanischen Blombos-Cave.
Möglicherweise gibt es in einer Höhle in Indien noch viel ältere Gravuren, aber die Infos dazu sind eher beschränkt. Wenn sie denn tatsächlich aus Menschenhand entstammen, zälten sie zu den ältesten “Kunstwerken” überhaupt (geschätzt zwischen 290.000 und 700.000 Jahren).
Das älteste Musikinstrument
Nein, die Vuvuzeela ist es nicht, auch wenn das Getröte schon sehr schön archaisch klingt.
Als ältestes Musikinstrument gilt derzeit eine Flöten, die in einer Höhle auf der Schwäbischen Alb entdeckt wurde. Sie ist aus einem Gänsegeierknochen hergestellt. Die Archäologen haben eine Replik erstellt und auf ihr gespielt: “Das Imitat klingt etwas hohl, modernen Flöten aber erstaunlich ähnlich”, erzählten sie. Leider habe ich bisher keine Audio-Datei gefunden, auf der man sich das mal anhören könnte.
Jetzt ist eine Flöte ja bereits ein eher kompliziertes Instrument. Was, wenn die ersten Instrumente eher aus der Orff-Werkstatt stammten, also Schlaginstrumente waren, Vielleicht Klanghölzer oder ähnliches. Ob man sie als solche erkennen würde, wenn sie denn erhalten blieben?
Die älteste Figur(ine)
Wenn es um die älteste menschliche Figurine geht, dann wird es besonders knifflig, zeigt aber auch die Problematik des Themas. Zeitgleich wie die Flöten von der Schwäbischen Alb identifizierten Tübinger Forscher auch eine Figur, die ebenfalls mehr als 35.000 Jahre alt ist und schnell den Namen der “Steinzeit-Venus” weg hatte (Marc hat sie schon gezeigt). Forschungsleiter Nicolas Conard von der Uni Tübingen meinte gegenüber der BBC zum Alter der “Venus”:
“There’s one site in northern Italy – Fumane – that has some very schematic, monochrome red depictions that are certainly figurative art, although it’s often difficult to work out what’s being depicted,” he said.
“They’re of comparable age; we don’t have enough resolution to say which is older. It is entirely plausible that the female figurine from Hohle Fels is the oldest figurative art anywhere.”
Doch es gibt noch viel ältere Venusfiguren – behaupten zumindest einige Forscher. Bekannt sind sie unter dem Namen Tan-Tan-Venus oder die Venus von Berekhat. Doch schon wer Bilder dieser Figuren sieht, ahnt, warum eine Menge Wissenschaftler ihre Zweifel haben, ob es sich wirklich um Menschen- oder sogar Vormenschen gemachtes Werk handelt. Die Tan-Tan-Venus, wenn sie denn ein ist, entstand irgendwann zwischen 200.000 und 500.000 Jahren, die Venus von Berekhat Ram wird irgendwo zwischen 230.000 und 700.000 Jahren datiert.
Die ältesten Schmuckstücke
Gemeinsam mit dem “bekritzelten” Hämatitstück gruben die Forscher in der südafrikanischen Blombos Höhle auch Meeresschneckenhäuser aus, die alle ein Loch enthielten. Sie deuteten dies als Teile einer Perlenkette, und mit rund 75.000 Jahren wären es damit die bisher ältesten bekannten Schmuckteile. Doch anders als bei den Petroglyphen auf dem Hämatit, kamen bei den Schalen sofort Zweifel auf. Die Löcher befanden sich bei jedem Gehäuse an der dünnsten Stelle.
Jeder der einmal Muscheln am Strand gesammelt hat, kennt das. Manche Schalen haben ein fast kreisrundes Loch an genau dieser Stelle – ein ganz natürliches Phänomen, ausgelöst durch Erosion. Deshalb glauben Kritiker, dass es sich gar nicht, um Schmuckteile handelt. Schwierig, denn auch wenn die damaligen Besitzer die Löcher nicht selbst eingebracht haben, hätten sie sie als Kette nützen können. Für die Nutzung als Schmuckstück spricht auch, das sich auf den Schalen Reste von Ocker befanden, als als ob die Besitzer sie angemalt hätten. Sie erinnern auch sehr an Gehäuse, die am an Ketten finden, wie sie noch heute lebende Menschen ursprünglicher Gesellschaften herstellen. Und wer selbst mal versucht hat ein Kette aus solchen Schalen herzustellen, der weiß, das die dünnste Stelle, die beste ist, um ein Loch hineinzubohren.
Das ist nur die halbe Geschichte
Eine solche Auflistung ist ja ganz nett, weil sie einem ein Gefühl dafür vermitteln kann, wie lange schon Menschen oder ihre Vorfahren sich Gedanken in der Gestaltung ihrer Umwelt machten. Es ist aber immer nur die halbe Geschichte. Die andere Hälfte ergibt sich, wenn man versucht Muster in der Verteilung aller Funde (und nicht nur der ältesten) zu entdecken. Gibt es bestimmte Orte/Regionen, an denen man besonders häufig fündig wurde, oder gibt es Zeiträume, die besonders auffallen. Dass vor 40.000 bis 30.000 Jahren irgendwas besonderes passiert zu sein scheint, erahnt man vielleicht schon. Doch dazu beim nächsten Mal mehr.
Fotos: Wikipedia, Uni Tübingen
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