Ein Armband, einen Ring an der Hand, eine Kette um den Hals – für uns ist Schmuck alltäglich. Doch wann begannen Menschen eigentlich damit sich zu schmücken? Und, diese Frage ist noch viel schwerer zu beantworten, was war der Grund? Welchen Zweck erfüllt die Schmuckherstellung, welche Motive haben Menschen, wenn sie Schmuck anlegen und sich auf diese Weise ‘schön machen’? Eine kleine Spurensuche...
Wie weit die ersten Anfänge der Schmuckherstellung zurückreichen, ist umstritten. Marcus hat in diesem Artikel bereits die 75.000 Jahre alten durchbohrten Schneckenhäuser aus Afrika (Blombos-Höhle nahe der südafrikanischen Ostküste) erwähnt.
Ein weiteres Indiz, dass die Wiege der Schmuckherstellung in Afrika lag, liefert ein hochinteressanter Fund in der Grotte des Pigeons bei Taforalt in Marokko. Archäologen der Unis Oxford und Rabat fanden dort im Jahr 2007 fingernagelgroße, perforierte und mit Ocker verzierte Nassarius-Muscheln (vgl. Foto rechts). Die Datierung der Muscheln ergab ein Alter von etwa 82.000 Jahren,
Doch die Belege dafür, dass diese Schneckenhäuser oder Muscheln tatsächlich jemals an einer Schnur aufgereiht waren und als Schmuckstück dienten, sind ebenso löchrig wie die Schneckenhäuser selbst. Es ist natürlich vorstellbar, dass die Löcher ganz gezielt gebohrt wurden, um sie aufzufädeln, aber wie belastbar sind die Funde wirklich?
Wann fanden Schmuck und Mensch zueinander?
Wenn wir nach den ersten Spuren der Schmuckherstellung fahnden, dann stellt sich natürlich die Frage, nach welcher Art von Schmuck wir überhaupt plausiblerweise Ausschau halten dürfen. Denn Schmuck lässt sich schließlich mit fast allen in der Natur vorkommenden Materialien herstellen – auch aus Material, das weniger haltbar ist, als es Muschel- und Knochenstücke sind. Aber damit müssen wir uns wohl abfinden: manche der prähistorischen Schmuckstücke haben einfach die vielen zehntausend Jahre nicht überdauert.
Sobald jenseits der elementarsten Bedürfnisse “unnütze” Dinge hergestellt werden, macht der Mensch einen riesengroßen Schritt vom Natur- zum Kulturwesen.
Aber zurück zu den belegten Quellen – wann fanden Mensch und Schmuck zueinander? Klar ist, dass für die Menschen dieser Zeit der alltägliche Überlebenskampf im Mittelpunkt stand und sie sicher den wesentlichsten Teil ihrerr Arbeitskraft auch für die wirklich existentiellen Dinge aufwandten: für Nahrung und Schutz vor Kälte. In dem Moment jedoch, wo jenseits dieser elementarsten Bedürfnisse andere (auf den ersten Blick) unnütze Dinge hergestellt werden, macht der Mensch natürlich einen riesengroßen Schritt vom Natur- zum Kulturwesen.
Vermutlich – alles andere wäre kaum vorstellbar – vollzog sich dieser Schritt nicht in einem einzigen Augenblick, sondern als Prozeß. Gut möglich, dass hier die Kleidung eine Art “Brückenfunktion” spielte. Denn die Herstellung von wärmenden und schützenden Kleidungsstücken entspringt ja zunächst der puren Not (in der Eiszeit waren das v.a. Mäntel aus Rentier- und Biberfell, im Übergang zum Holozän wurde dann wohl verstärkt Leder genutzt).
Kleidung lässt aber Platz für unterschiedliche Varianten. Sie kann rein zweckmäßig sein oder aber bestimmte besondere Merkmale aufweisen: der Kragen eines Mantels ist vielleicht besonders betont und unterstreicht dadurch die Position, also den Status des Trägers – und schon haben wir es nicht mehr nur mit wärmender Kleidung, sondern mit Mode zu tun. Und wenn Stickereien dazukommen, die Kleider mit Perlen verziert werden (dazu später mehr), dann sind Kleidungsstücke zugleich Schmuckstücke.
Der Neandertaler zeigt Zähne
Das Werkzeug, dass für die Anfertigung von Kleidung unabdingbar ist (und in seiner Wirkung auf unsere Zivilisation sicher unterschätzt wird) ist übrigens die Nadel. Die These, dass die Geburt des modernen Menschen mit der Erfindung der Nadel einsetzte, klingt vielleicht etwas gewagt, ließe sich aber ggf. plausibel machen. (Die Nadel wurde übrigens in der jüngeren Altsteinzeit “erfunden” und wurde zunächst – und das viele Jahrtausende lang – aus Knochenstücken oder Horn hergestellt.)
Die Nadel verbindet also die Herstellung von Kleidung (die auch als Schmuckstücke angesehen werden können) und wurde wohl auch bei der Herstellung von Schmuck genutzt: wenn etwa Zähne von Füchsen, Rindern, Bären, Murmeltieren oder Wölfen durchlocht, eingekerbt und aufgefädelt wurden, um als Schmuckstücke tragbar zu sein. Wichtig ist – darauf weist Miriam Noël Haidle in ihrem Aufsatz “Eiszeitschmuck” (Quellen sind unten angegeben) hin – , dass in der Zeit des Neandertalers (also im Mittelpaläolithikum vor etwa 200.000-40.000 Jahren) “keine eigenständigen Schmuckformen geschaffen” wurden.
Zusammenfassend lässt sich feststellen:
“In der Urgeschichte werden daher als Schmuck solche Gegenstände bezeichnet, die keine praktische Verwendung als Werkzeuge besitzen. Mittels eines Lochs, ob natürlich oder gebohrt, oder durch Kerbung, lässt sich der Gegenstand mit einem Faden befestigen oder aufreihen.” (Joachim Hahn, 1992, S. 7)
Die wenigen Funde aus der Zeit stammen etwa aus den Grotten von Arcy-sur-Cure aus dem Burgund oder aus Sclayn (Belgien).
Steinzeitliche Schmuckherstellung: Von Einzelanfertigungen zur Serienproduktion
Der Schritt zur gezielten (künstlerischen) Schmuckherstellung vollzieht sich erst einige tausend Jahre später: in der jüngeren Altsteinzeit (dem Aurignacien) wird das Elfenbein als Rohstoff entdeckt. Die Mammutstoßzähne waren natürlicher Rohstoff für Waffen und dann eben auch für Schmuckherstellung. (Gerade für Schnitzereien ist Elfenbein, als eines der dichtesten organischen Materialen mit einer Mohshärte von 3-5, ideal.)
Elfenbein wird als Rohstoff für Perlen und Schnitzereien entdeckt. Das steinzeitliche Schmuckangebot wird ausgebaut
Aber auch Zähne von kleineren Raubtieren (v.a. Füchsen) dienten als Ausgangsmaterial. Vor etwa 35.000 Jahren wurden auf der Schwäbischen Alb aus Fuchszähnen – wie viele Funde belegen – kleine Elfenbeinperlen angefertigt, die mit einem Loch versehen waren. Einige tausend Jahre später wurden offenbar ovale Perlen mit zwei Löchern populär. Die wurden beinahe in einer Art steinzeitlicher Massenproduktion hergestellt.
Im Gravettien (ab 30.0000) erweiterte sich dann das Spektrum an Formen und Rohstoffen: durchbohrte Tierzähne blieben zwar Schmuck-Klassiker (Wölfe, Steinböcke oder Hirsche waren hier gefragt), dazu kamen aber auch Röhrenperlen aus Langknochen von Hase und Fuchs. Im Magdalénien schließlich, dem jüngsten Abschnitt der Jüngeren Altsteinzeit, waren es dann Rentiere, die Hauptbeutetiere waren und auch als Lieferanten für die Schmuckproduktion hoch im Kurs standen. Und auch mit neuen Materialen wurde experimentiert: aus Gagat, schwarz glänzendem fossilen Holz (heute auch als schwarzer Bernstein bezeichnet), wurden kleine Anhänger geschnitzt.
Wie wir sehen: die Schmuckherstellung kommt so allmählich in Schwung. Zuerst waren es vermutlich Fundstücke (Muscheln etc.), die hübsch anzusehen waren und von den frühen Menschen in irgendwie schmückender Weise genutzt wurden. Die Zähne von Beutetieren, die mit einem Loch ausgestattet und somit zu Schmuck wurden, stellen die nächste Etappe dar.
Und schließlich beginnt dann die bewußte Anfertigung von schmückenden Gegenständen: von Perlen, Ketten, Anhängern. Wie genau diese Objekte getragen wurden und welche Bedeutung das Aufkommen von Schmuck für die Kultur und das Zusammenleben gehabt hat, dazu komme ich im nächsten Beitrag…
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Quellen / Links:
- Abdeljalil Bouzouggar et. al.: 82,000-year-old shellbeads from North Africa and implications for the origins of modern human behavior, 2007, www.pnas.org, doi 10.1073 pnas.0703877104
- Haidle, Miriam Noël: Eiszeitschmuck – Schönheit, Selbstbewusstsein und Kommunikation. In: Kölbl S. und Conard N. J. (Hrsg.), Eiszeitschmuck. Status und Schönheit. Museumsheft 6. Urgeschichtliches Museum Blaubeuren, Blaubeuren, 9-14, 2003.
- Joachim Hahn: Eiszeitschmuck auf der Schwäbischen Alb. Bd. 5 Alb und Donau, Kunst und Kultur. Joachim Hahn. Ulm, 1992
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