Kann man sich einen “alten Ägypter” ohne schwarze Augenringe vorstellen. Das Schwarze im Auge der Ägypter sollte nicht nur die Augen schöner machen, sondern auch gleich gegen eine Menge Unbill schützen. Nil, Sand und Sonne können schön sein, aber auch ziemlich lästig und gefährlich …
Wir haben die Steinzeit/Eiszeit hinter uns gelassen und landen mitten im alten Ägypten. Wie kam der Mensch dahin: Die große kreative Revolution begann vor etwa 30.000 Jahren, vielleicht früher, der Mensch war nicht nicht sesshaft und hatte die Landwirtschaft noch nicht entwickelt, in manchen kleineren Ecken begegnete er den letzten Neandertalern. Vor zehntausend Jahren dann begann der Mensch sich niederzulassen, die ersten Siedlungen entstanden, daraus gingen schließlich die ersten großen Kulturen hervor. Und eine dieser alten Kulturen sind die der Ägypter, dir vor rund 3000 Jahren ihr Zeitalter der Dynastien begann und rund 300 Jahre allmählich ausklang.
Im Gegensatz zur Steinzeit bieten die großen Kulturen den Archäologen einen entscheidenden Vorteil. Eine Schrift war bekannt und so besteht heute für Forscher die Chance aus erster Hand zu erfahren, was die Ägypter schön und ästhetisch ansprechend fanden. Und dann gibts natürlich noch all die Gemälde, Reliefs und Büsten der Ägypter, die man vor allem in den Gräbern der Könige und Adligen findet.
Wenn ich mir Bilder aus dem Alten Ägypten ansehe, dann gibt eines, das zumindest mir immer sofort ins Auge springt (Achtung Wortwitz ;-): Das schwarz umrandete Auge. Das erscheint schlicht ubiquitär. Ich wüsste nicht, ob es ein vergleichbares Merkmal in unserer Zeit gibt, das so konstant vorhanden war, wie das in Schwarz (oder Grün) gefasste Auge der Ägypter (wem spontan für die letzten 1000/2000 Jahre etwas einfällt, bitte schön …).
Was hat es nun damit auf sich? Warum fassen die Ägypter ihre Augen in dunkle Ränder. Dass es über so lange Zeit und von Männern wie Frauen verwendet wurde, spricht dafür, dass es nicht einfach nur eine Mode war. Augenschminke war auch nicht nur ein Privileg der Adligen. Es gibt Bilder, auf denen Arbeiter auf einer Baustelle die Augen geschminkt bekommen. Salbe und Schminke waren Belohnung für gute Leistungen.
Jede Quelle, die man zur Augenschminke findet, nennt dann auch gleich mehrere Gründe für das Bemalen des Augenrandes:
„Die für das pharaonische Ägypten so typische Augenschminke geht wie Salben auf vergleichbare praktische und medizinische Erwägungen zurück.”
So beginnt etwa ein Kapitel im Ausstellungskatalog „Schönheit im Alten Ägypten” des Badischen Landesmuseums in Karlsruhe zum Thema. Dazu muss man sich vergegenwärtigen unter welchen Bedingungen die Ägypter lebten: In drei Worten zusammengefasst: Nil, Sonne, Sand. Gegen all das sollten die Augenringe helfen.
Dunkle Augenringe waren demnach zunächst einmal ein Blendschutz gegen die gleißende Sonne. Dann sollten sie vor Sand schützen. Während ich mir das eine noch ungefähr vorstellen kann, fällt mir das mit dem Sand schon schwerer. Höchstens in dem Sinne, dass vereinzelte Sandkörner auf dem fettig, schmierigen Farbstreifen kleben blieben.
Wie auch immer. Der wichtigste Punkt – außer dass es gut aussah und auch mit der Göttermythologie der Ägypter zusammenhing – war ein medizinischer. Einerseits sollte der Farbstreifen vor Insekten schützen. Einzelne Wissenschaftler sprechen von einem Repellent, also ein Mittel, das Stechfliegen abhält. Kann ich mir nur insofern vorstellen, als dass auch hier die klebrig-fettige Paste Insekten daran hindert bis ins Auge vorzudringen. Die Quellen geben darüber leider keine allzu genaue Auskunft.
Was aber durchaus gut nachvollziehbar ist, ist ein Schutz gegen alle Arten von Mikroben, also Bakterien und andere einzellige Erreger, die etwa die auch heute noch im Nilland verbreitete Augenerkrankungen wie das Trachom auslösen. Dazu muss man die Inhaltsstoffe der Schminke kennen. Chemiker analysierten etwa die Überreste in schön geformten und mit mythologischen Themen verzierten Tigel, die als Grabbeigabe auch „auf der anderen Seite des Flusses” den Träger schön machen und schützen sollte.Im Katalog heißt es dazu:
„Man verwendete schwarze, aus Bleierz (Galenit), und grüne, aus Malachit bestehende Augenschminke. Die zu Pulver zermahlenen Minerale wurden mit Behen-Öl (bezeichnet nach den Behen-Nüssen), Rundertalg und Bienenwachs vermischt, nach Bedarf auch aromatische oder medizinische Substanzen wie Weihrauch beigemengt und vor Gebrauch gelagert.”
In der Schminke waren (antibakteriell wirkende) Substanzen wie Blei und Schwefel enthalten. So schützte die auch als Kohl oder Khol (sprich kochel) bezeichnete Augenschminke gegen Schmierinfektionen. Etwa, wenn infizierte Wassertropfen im Sumpfland des Nil ins Gesicht spritzten oder infizierte Fliegen, die die Bakterien an den Füßen tragen bis ans Auge vordrangen.
Auf eine weitere Schutzfunktion weist mich Anna Krüger, Ausstellungskoordinatorin am Badischen Landesmuseum in Karlsruhe hin. Der Kohl funktionierte wie der Schlamm bei Elefanten – gegen Insektenstiche:
„Gerade die kleinen Fliegen können durch eine dicke Schicht nicht eindringen. Ähnlich wie bei Elefanten, die sich mit Schlamm gegen Mücken bedecken. Die Haut ist in diesem Bereich an den Augen extrem dünn, sie konnte durch die Schicht Schminke künstlich verstärkt werden und so vor Stichen schützen.”
Beim Stichwort Blei zuckt man natürlich erst einmal zusammen. Das kann nicht besonders gesund gewesen sein. Doch eine ziemlich neue Untersuchung französischer Wissenschaftler weist darauf hin, dass die Bleifarbe durchaus positive Effekte hatte, zumindest an Hautzellkulturen in der Petrischale, wie das Wissenschaftsmagazin Scinexx die Arbeit aus dem Fachmagazin Analytical Chemistry zusammenfasst:
„Anstatt schwere Schäden auszulösen, förderten die Bleiverbindungen die Produktion von Stickoxiden in den Zellen. Diese gelten als wichtige Signalstoffe, die das Immunsystem anregen und bei der Abwehr gegen Krankheiten helfen. Angeregt durch die Bleisubstanzen produzierten die Zellen sogar 240 Prozent mehr Stickoxid als normal. (…) Nach Ansicht der Wissenschaftler belegt dies, dass die Bleischminke im alten Ägypten nicht nur eine „magische”, sondern auch eine tatsächlich gegen Infektionen schützende Wirkung entfaltete.”
Aus dem altägyptischen Kohl wurde unser Kajal. Die medizinische Komponente ist verschwunden, die Schönheit geblieben. (nicht, dass ich damit irgendeine Marketingabteilung auf irgendeine Idee gebracht habe …)
Fotos: Wikipedia, Badisches Landesmuseum
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