Man kann lange über Schönheit philosophieren. Ob es so etwas wie eine universelle Schönheit gibt, Gesetze, Regeln, Moden, all das. Doch es bleibt immer nur ein philosophieren. Dass es aber so etwas wie einen roten Faden des Schönen gibt, der sich durch die Jahrtausende zieht, das verdeutlichen vielleicht am besten die folgenden Zeilen eines alten ägyptischen Liebesliedes.
Das muss man nicht lange erklären:
schöner als alle Welt.
Schau, sie ist wie der glänzende Neujahrsstern
vor einem schönen Jahr.
Die tugendleuchtende, strahlenhäutige
mit Augen, die klar blicken
mit Lippen, die süß sprechen,
Sie hat kein Wort zu viel.
Mit hohem Hals und strahlender Brust
hat sie echtes Lapislazuli zum Haar.
Ihre Arme übertreffen das Gold,
ihre Finger sind wie Lotuskelche.
Mit schweren Lenden und schmalen Hüften,
sier deren Schenkel um ihre Schönheit streiten,
edlen Ganges, wenn sie auf die Erde tritt,
raubt sie mein Herz mit ihrem Gruß.
Sie macht die Nacken aller Männer
sich wenden, sie anzusehen.
Es ist wie so oft auch im Alten Ägypten eine idealisierte Schönheit. Tugend und Verführung, äußerliche Schönheit und Intelligenz in einer Person. Das sind Männerphantasien wie sie seit Angedenk der Zeit funktionieren.
Verrückt, wenn man bedenkt, dass der Text vielleicht 4000 Jahre alt ist und in Hieroglyphen verfasst wurde und trotzdem wunderbar funktioniert.
Das ägyptische Wort für ‘schön’ ist übrigens “nefer” und bedeutet einerseits Schönheit, aber auch im Sinne von Vollkommenheit, das zieht den Begriff schon in eine göttliche Richtung. Es beschreibt sowohl innrer wie äußere Schönheit. Wie schön Nofretete, die Hauptgemahlin Echnatons, war, verdeutlicht am Ende auch ihr Name, denn der ist abgeleitet von Nefertiti (so heißt sie in vielen anderen Sprachen).
Übersetzung: Schott, Siegfried: Altägyptische Liebeslieder, Die Bibliothek der Alten Welt, Zürich 1950. In Lembke, K./Schmitz, B. (Hrsgb.) “Schönheit im alten Ägypten – Sehnsucht nach Vollkommenheit.” Ausstellungskatalog, Roemer- und Pelizaeus-Museum, Hildesheim (2006/2007)
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