Klingt zwar erst mal nicht so, aber natürlich gibt es Forschung über High-Heels und Stöckelschuhe. In jeder denkbaren Forschungsrichtung möchte man fast meinen, wenn man anfängt zu suchen. Und erst kürzlich schafft es sogar ein Forschungsergebnis in die Publikumspresse. Das war dann fast logisch.

Der Welt wichtigste Modeblogger beschwerte sich: In Deutschland trügen Frauen ja gar keine Schuhe mit hohen Absätzen. Die Berliner Modebloggerin Mary Scherpe konterte: Das gehört so, das ist eben der Style hier. Stöckelschuhe oder High-Heels sind wohl seid eh und je ein Streitthema – aber auch ein Forschungsthema?

Allerdings. Erst kürzlich veröffentlichte ein Team um den Österreicher Robert Csapo von der Uni Wien eine Untersuchung im nicht unbedeutenden “The Journal for Experimental Biology”, auch JEP abgekürzt.

high-heels.png

Ich war ein wenig überrascht, weil dort vor allem Studien mit Tieren präsentiert werden (“Wie schafft es eine Eidechse an der Decke hängen zu bleiben?” usw.). Aber warum auch nicht? Ich dachte zwar kurz: „Mhm, es ist Sommerzeit, da kommen wieder die etwas ungewöhnlicheren Untersuchungen in die Fachzeitschriften“. Aber nochmal: Warum auch nicht?

Die Publikumspresse nimmt solch ein Forschungsthema über einen Alltagsgegenstand natürlich gerne auf, nicht nur im Sommerloch.

High-Heels also. Und je länger man darüber nachdenkt: Natürlich Forschung über High-Heels. Wie viele Millionen Frauen stolzieren tagein tagaus mit Killer-Pumps und Mörder-Absätzen über die Straßen und Plätze dieser Welt, der Blicke ihrer männlichen Bewunderer gewiss. So etwas schreit doch geradezu nach Forschung. Wieso, weshalb, warum? Nicht nur, warum die Hohen Hacken solch eine Wirkung auf die Männer haben, sondern auch und vor allem welche Folgen sie für die Frauen haben.

Ein Blick in Googles akademische Fachartikelsuche für den Begriff „high heels” erbringt dann auch mehr als 24.000 Einträge.

Sozialwissenschaftliche: Between gymshoes and high-heels — The development of a lesbian identity and existence in top class sport

Historische: A history of medical scientists on high heels

Medizinische: Knee osteoarthritis and high-heeled shoes

Evolutionsbiologische: Natural Selection and High Heels

Kulturwissenschaftliche: Men in High Heels: The Feminine Man and Performances of Femininity in Tacones lejanos by Pedro Almodvar

und vieles mehr, wie zum Beispiel Ratschläge für gesundes Schuhwerk: The High Price of High-Fashion Footwear der American Academy of Orthopaedic Surgeons.

Die direkten Veränderungen an Füßen und Beinen der Stilletto-Trägerinnen kann man unter dem Begriff Biomechanik zusammenfassen. Dazu gibt es immerhin noch 523 Artikel.

Eine nicht unbeträchtliche Menge Holz. Und doch ist offenbar noch lange nicht alles erforscht. Ansonsten hätte Csapo und seine Kollegen wohl kaum ihren Artikel in JEP unterbringen können.

Was haben sie also herausgefunden? Nun: Es ist bekannt, dass Muskeln und Sehnen sich verkürzen, wenn sie über längere Zeit nicht mehr beansprucht werden. Durch das dauernde Anheben der Ferse könnte man also erwarten, dass der Wadenmuskel bei Frauen, die regelmäßig Schuhe mit hohen Absätzen, kürzer ausfällt als bei Frauen, die flache Schuhe tragen.

Um es kurz zu machen: Es ist nicht ganz so, wie vermutet, sondern etwas anders. Der Wadenmuskel ist nicht verkürzt, sondern lediglich die Muskelfasern. Zum Ausgleich verändert sich die Achillesferse:
Spiegel Online fasst es so zusammen:

„Bei Ultraschall-Untersuchungen stellten die Wissenschaftler fest, dass die Muskelfasern in den Waden der Stöckelschuh-Trägerinnen um 13 Prozent kürzer waren als bei anderen Frauen. Verkürzte Muskelfasern wirken sich negativ auf die Kraftentwicklung aus: Der Muskel muss sich beim Gehen stärker zusammenziehen.

Dass die Laufeffizienz der Stöckelschuh-Trägerinnen dennoch nicht beeinträchtigt ist, erklärte die Vermessung der Achillessehne. Sie war in der Stöckelschuh-Gruppe zwar genauso lang, jedoch deutlich dicker und fester im Vergleich zu den Flachschuh-Trägerinnen. Die höhere Stabilität der Achillessehne gleicht also die verkürzten Fasern des Wadenmuskels aus (…)”

Das erklärt, so die Wissenschaftler, wieso Liebhaberinnen von Stöckelschuhen dieses Ziehen in der Achillesferse spüren, wenn sie mal wieder Schuhe mit flachen Absätzen tragen. Die Achillesferse wird stärker als in High-Heels gedehnt, widersetzt sich dem aber, da sie steifer und dicker ist als normal. Sie ist einfach nicht mehr den stärkeren Winkel gewohnt, den der Fuß in flacheren Schuhen im Vergleich zu Stöckelschuhen einnimmt. Regelmäßige Dehnübungen könnten dem vorbeugen, vermuten die Forscher (müsste aber nochmal untersucht werden).

So.

Und für diese nicht gerade weltbewegende Erkenntnis, braucht es jetzt eine komplette wissenschaftliche Studie mit 20 Frauen, Ultraschallaufnahmen und unzähligen Messungen von Winkeln und Kräften, die am Fuß und am Unterschenkel wirken?

Kurz gesagt: Ja. So läuft Wissenschaft nunmal. Man muss ganz schön viel Aufwand betreiben, um ein einigermaßen gesichertes Wissen zu erhalten. Und meist sind es nur Bruchstücke von Wissen. Anders läuft es nicht. Der Rest ist Tresengequatsche und Esokram (wobei sich darüber natürlich trefflich am Tresen quatschen lässt, über die High-Heels wie über den Esokram).

Aber wie kommt man jetzt darauf, so etwas zu untersuchen und was bringt uns das jetzt außer der Erkenntnis? Genau das habe ich den Hauptautor Robert Csapo gefragt. Die Antworten gibt es (hoffentlich) im nächsten Post.

Foto: Wikipedia

Kommentare (3)

  1. #1 Christian
    August 3, 2010

    Ähnliche Gedanken, wenn auch nicht so wissenschaftlich, habe ich mir auch schon mal dazu gemacht in einem Blogbeitrag mit dem Titel “Frauen und Schuhe”

  2. #2 Marcus Anhäuser
    August 3, 2010

    ja danke, das mit dem evolutiven Sinn der High-Heels.

    Da gibt es mehrere Thesen. Eine sind die längeren Beine, eine andere ist die veränderte Optik im Bereich des Beckens, es entsteht ein stärkeers Hohlkreuz, der Po wird etwas betont und vor allem soll sich “das Wackeln/Schwingen des Pos verstärken”, mal ganz einfach gesagt. Dabei geht es um eine 8-förmige Bewegung des Becken-Po-Bereichs, der durch die High-Heels verstärkt wird und auf Männer attraktiver wirken soll.

    Lass ich mal so stehen.

  3. #3 Coco
    Oktober 16, 2010

    Hallo zusammen,

    schon interessant wie Männer meine geliebten Heels analysieren, naja hauptsache Ihr könnt den Anblick einer Frau in HighHeels trotz der Wissenschaft noch geniessen…

    Tschüss Jungs

    Coco