Wohlgerüche waren ein zentraler Bestandteil in der ägyptischen Zivilisation. Sie fanden religiöse wie auch säkulare Verwendung, im Leben wie im Tod. Ihr Wert für kosmetische Zwecke war untrennbar mit erholsamen und belebenden Anwendungen verbunden.

Dies ist eine Übersetzung des Artikels:
“An essential luxury” von Annick Le Guérer, aus “100.000 Years of Beauty”, Bd. 2, S. 39, Gallimard (2009)

Übersetzung von Marcus Anhäuser.

Parfüm und Salben spielten schon von früh an eine wichtige Rolle in der ägyptischen Zivilisation. Weit davon entfernt „der unnützeste Luxus zu sein”, wie Plinius der Ältere glaubte, spiegelte Parfum die Sorgen und Werte der Kultur wider, die sie herstellte. Es verband die vielen Facetten der ägyptischen Kultur: Von der Verehrung der Götter bis zu den Methoden, die Hygiene, Schönheit und Attraktivität fördern. (…)

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Der Ursprung der verschiedenen aromatischen Pflanzenharze blieb den antiken Zivilisationen, die so große Verwendung dafür hatten, verborgen. Die verschiedenen Sorten, das Land aus dem sie stammten und die Methoden, wie man sie gewinnt, waren nur ungefähr bekannt. Die Ägypter wussten einfach nur, dass die seltenen und exotischen Substanzen, vor allem anti (Myrrhe oder Weihrauch) aus dem „Land des Gottes und aus dem Punt (dem Goldland)” stammten. Dieses Gebiet könnte einer Region im Grenzgebiet von Eritrea und dem Sudan entsprochen haben. Diese Aura des Mystischen regte zu mythologischen Erzählungen an. So zum Beispiel die Legende des gestrandeten Seemanns aus dem Papyrus des St. Petersburger Museums. Es vermittelt einem eine Vorstellung davon, wie die Ägypter des Mittleren Reiches sich das Königreich des Parfums vorstellten – eine üppig bewachsene Insel, beherrscht von einer gewaltigen Schlange mit Schuppen aus Gold und Lapislazuli.

(…) Parfumes entstammten demnach Plätzen, die geheim sind, versteckt, und unerreichbar und es erwarten den, der sie aufsucht viele Hinterhalte. Aromatische Kräuter und Gewürze wachsen in einem göttlichen Gefilde und werden dort gesammelt. (…) Mit ihrer mysthischen Herkunft (…) teilen sie Merkmale mit dem Übernatürlichen, dem Heiligen und dem Prinzip des Lebens.

Der Schweiß der Götter

Im Ägypten der Pharaonen, das die Kulturen des Mittelmeeres als Wiege der Parfum-Herstellung betrachteten, waren aromatische Öle und geheiligte Salben der ‚Schweiß eines Gottes’. Jeden Morgen bot der Pharao selbst und alle Priester dem Gott nicht nur Weihrauch an, sie salbten auch seine Statue mit parfumierten Salben ein, um seine Kraft nach der Nacht zu erneuern. Gewürze und Düfte spielten auch eine wichtige Rolle bei der Mumifizierung, die notwendig war um das ‚Zweite Leben’ zu erreichen und es dem Dahingegangen ermöglichte, einen, um es in den Begriffen des Einbalsamierungs-Rituals zu sagen, ein ‚Parfumierter’ zu werden, also ein Gott. Während die diensthabenden Diener den Körper mit duftendem Ölen und Salben einbalsamierten, wenden sich die Priester an den Dahingeschiedenen, indem sie sagen: „Möge der Schweiß der Götter dich durchdringen … empfange den Duft des Festes, um dich zu verschönern und und zu beschützen! Wenn dich das Parfum erreicht, freue dich für alle Ewigkeit.”

Trotz all dieser zauberhaften Kräfte, die ihnen zugeschrieben wurden, waren die Düfte, die Priester herstellten, nicht nur auf den mystischen Gebrauch beschränkt, sondern auch zum Nutzen im Leben. Eines der bekanntesten Wohlgerüche Ägyptens war Kyphi, hergestellt aus Papyrhus-Blättern, Besenginster, verschiedenen aromatischen Blättern, Pistazienharz, Myrrhe, Honig, Oasenwein, Wacholderbeeren und Trauben. Aber es war nicht nur dazu da, die Götter zu ehren.

Als Getränk zubereitet wurde es gegen Lungen-, Verdauungs- und Leberbeschwerden verschrieben. Wurde es verbrannt, verbreitete der Rauch einen Hauch von Entspannung und Euphorie. Der griechische Gelehrte Plutarch verherrlicht die nutzbringenden Ausdünstungen, als er schrieb, dass sie die unangenehmen Spannungen, die durch die Sorgen des täglichen Lebens hervorgerufen werden, verwehen, ohne, dass man sich dabei vergiftet.

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Auch wenn die ersten Parfumhersteller noch Priester waren, waren die Geruchskomponenten durchaus auch von Interesse für die Medizin und das tägliche Leben, da man sich dort ständig Gedanken um Dinge wie Reinheit, Hygiene und Schönheit machen musste. Eine große Palette von Salben, Cremes, Parfums und Augenschminken wurden entwickelt, von einfachen Anwendungen für den Hausgebrauch bis Produkten, die von Spezialisten entwickelt wurden. Das ‚Edwin Smith Papyrus’, das vom Anfang der 18. Dynastie stammt, bietet ein sehr frühes Beispiel für die ewige Sehnsucht nach immerwährender Jugend. Es listet die Zutaten für einen Trank auf, „um einen alten Mann in einen jungen zu verwandeln.” Es handelt sich um ein aromatisches Öl aus Bockhornkleesamen, einer stark riechenden, vitaminreichen Pflanze aus dem östlichen Mittelmeergebiet. Man nahm an, dass es zu einem perfekten Aussehen verhalf, Sommersprossen und rote Flecken beseitigte.

Die Haut wurde zunächst abgerieben mit einer Salbe auf der Basis von Öl oder einem tierischen Fett (bevorzugt vom Nilpferd oder Krokodil), vermischt mit verschiedenen Harzen. Auf diese Art geschützt, wurde die ägyptische Schöne durch das Auftragen von feinem Gipspulver, das parfümiert und rosarot gefärbt war, zu derjenigen, „deren Anmut hell erstrahlt und deren Haut glitzert”, wie es in den Liebesliedern feierlich besungen wird.

Fotos: Wikipedia