Wir nutzen Spiegel wie jedes andere Utensil in unserem Haushalt, wir nehmen ihn meist nicht mal mehr wahr. Das war bei den Ägyptern noch ein wenig anders. Spiegel standen in enger Verbindung zum Göttlichen.

Gibt es etwas selbstverständlicheres als den morgendlichen Blick in den Spiegel? Der ist so selbstverständlich, dass man völlig vergessen hat, was für ein eigenartiges Ding das eigentlich ist, so ein Spiegel. Ich meine: Man schaut auf etwas drauf und sieht sich selbst und den Raum dahinter. Versuch das mal mit einem Stück Holz oder einem Stein? Wenn man anfängt drüber nachzudenken, schon erstaunlich. Aber unser Blick in den Spiegel am Morgen, gilt ja eben auch nicht dem Spiegel, sondern uns, diesem verschlafenen Kopfstück, verquollene Augen, verstrubbeltes Haar, verstoppeltes Gesicht (also bei den Männern). Dies gilt es in ein annehmbares Äußeres zu verwandeln, was in der täglichen Routine (und Hektik) mal mehr, mal weniger gut gelingt (bei mir zumindest). Beliebte Frage meiner Mutter früher: „Willst Du dich nicht mal kämmen?” – „Hab’ ich doch schon, Mama.”

Es gab Zeiten, da war ein Spiegel noch etwas besonderes, da hatte ein Spiegel noch etwas Göttliches.

Doch lasst uns vorne beginnen.

Der Blick ins Wasser

„Die allerersten Spiegel waren sehr wahrscheinlich ruhige Wassertümpel und steinige oder lehmige Behälter für Wasser.” beginnt Jay Enoch von der Schule für Optometrie an der Universität Berkley seinen Beitrag über die 8000-jährige Geschichte des Spiegels. Nach seinen Recherchen stammt der bisher älteste bekannte Spiegel aus Anatolien, etwa 8000 Jahre alt und er war aus Obsidian, einem vulkanischen, glasartigen dunklen Gestein. Er war so ausgiebig poliert worden, dass man sich darin spiegeln konnte. In dem Grab, in dem er entdeckt wurde, gabe es noch eine Reihe weiterer dieser etwa neun Zentimeter, leicht konvexen spiegelnden Steine. Wie gut das funktionierte, belegt das Bild aus Enochs Paper.. Dort gibt es ein Foto eines polierten Obsidian, in dem sich ein Gesicht spiegelt.

Neben Obsidian wurde auch der sehr harte mineralische Korund verwendet. Forscher vermuten, dass die Steine mit Schlick geschleift und mit Leder poliert wurden.

Nach den Anatolen kommen dann auch gleich schon die Ägypter, von denen man Spiegel kennt (und bei denen ich hier im Blog ja inzwischen angekommen bin).
Zu Beginn, also vor der großen Zeit der Dynastien, sollen es polierte Schieferplatten und Glimmerscheiben gewesen sein, die als Spiegel verwendet wurden. Man fand sie nur selten und nur in Gräbern hochgestellter Persönlichkeiten. Sie waren wohl noch etwas sehr besonderes.

Erst Steine, dann Metalle

Seit der dynastischen Zeit der Ägypter, die vor etwa 6000 Jahren begann, waren Spiegel dann immer seltener aus Stein. Zunächst wählten sie Kupferscheiben, später dann auch Bronze, die sie spiegelnd polierten. (Das Ergebnis kann man sich ganz gut vorstellen, wenn man sich die schönen auf Hochglanz polierten Pfannen aus Kupfer vorstellt, die man heute kaufen kann, darin kann man sich schon ganz gut erkennen.)

Irgendwann kam dann ein findiger ägyptischer Handwerker auf die Idee, Gold auf Hochglanz zu bringen. Für weniger extravaganten Spiegel kam dann zum Einsatz kam und auch nur noch ganz dünn auf die reflektierende Seite des Spiegels aufgetragen wurde. Im Prinzip ähnelt dass dann schon modernen Spiegeln.

Wie die Spiegel benutzt wurden, erfährt man aus Reliefs der Ägypter, aus Texten auf Papyrus oder Gemälden auf Wänden und Vasen. Sie gehörten zur regelmäßigen Ausstattung von Gräbern. Spiegel scheinen also ein durchaus alltäglicher Gegenstand im Leben der Ägypter gewesen zu sein.

Aber es war eben nicht nur ein Alltagsgegenstand. „Es war auch ein magisches Objekt, wie einem die poetischen Namen verraten, die dem Spiegel in der hieroglyphischen Sprache verliehen wurden“, schreibt Jean-Claude Goyon von der Universität Lyon, in seinem Beitrag „Der Spiegel: Ein Geschenk der Götter.” im zweiten Band von “100.000 Jahre Schönheit”.

In religösen Ritualen wurde der Spiegel deshalb auch „Das, was lebt, wenn man das Gesicht betrachtet” oder „der Offenbarer des Gesichts“, „das Göttliche” oder als „die Scheibe” bezeichnet.

Spiegel verjüngen

Eine göttlich-mythologische Verbindung wird auch über die Griffe der Spiegel hergestellt. Denn in diese sind häufig bestimmte Götter geschnitzt, wie etwa das Gesicht der Göttin der Liebe, des Vergnügens und der Fruchtbarkeit mit Namen Hathor, die übrigens häufig mit einer Sonnenscheibe auf dem Kopf dargestellt wird. Die Spiegelscheibe war so auch ein Symbol für die Sonne.

Die Gesamtform vieler Spiegel (runde Form oben, Linie nach unten, zwei Zapfen zur Seite) ähnelten zudem der ägyptischen Hieroglyphe „Anch”, das übersetzt für „Leben” steht. Dem Spiegel wurde eine regenerierende und verjüngende Wirkung zugeschrieben, weshalb er auch oft auf der Brust von Bestatteten zu finden ist.

Von das ist es dann ja gar nicht mehr so weit zu unserem morgendlichen Blick in den Spiegel. Nachdem wir ihn benutzt haben, sehen wir deutlich jugendlicher und frischer aus, oder?

Kommentare (5)

  1. #1 Matthies, Hans-Dieter
    August 12, 2010

    Au, ja – Spiegel ein vielleicht auch lustiges Thema, nein nichts mit Eitelkeit oder so ….

    Vor kurzem habe ich mit meiner Frau eine schöne Ausstellung in einer Frankfurter Gemäldegalerie besucht – wie so oft und auch gern – und ein sehr beeindruckendes Selbstportrait des betreffenden Künstlers – in diesem Falle war es Philipp Franck. In diesem Falle hatte er sich mit Pinsel und Farbpalette dargestellt; es entspann sich eine lustige Debatte: Hat er sich “aus dem Gedächtnis” gemalt oder bis zur Fertigstellung seines Bildnisses vor dem Spiegel gestanden. Dem Bild nach müßte er “Linkshänder” was die Pinselführung betrifft gewesen sein. War er “Rechtshänder”, so hatte er auf einen Spiegel verzichtet oder dieses Detail “verfälscht”. Was war er wirklich – Rechtser – Linkser ???

    Wie ist das mit anderen Künstlern, weiß man dazu etwas ? Oder: Welches Ohr hatte sich Van Gogh abgeschnitten, denn da gibt es auch aus der späteren 1-Ohr-Zeit Selbstportraits ?

    Das ist doch wohl auch ein “Sommerlochthema”, oder …….

  2. #2 Matthies, Hans-Dieter
    August 12, 2010

    Als Nachsatz zu dem Voranstehenden: Wer oft und lange in den Spiegel schaut, sieht sich selbst anders ( nämlich seitenverkehrt !) als die Umwelt einen wahrnimmt. Ich als Spiegelschauer bzw. Selbstporttraitist sehe mich eigentlich unzutreffend, ja, falsch.

    Wenn es keine Fotografie und/oder fähige Maler gäbe oder gegeben hätte, würde doch der Selbstbespiegeler sich gar nicht richtig kennen …. und draußen auf der Straße an sich selber vorbeilaufen — einzige Ausnahme: Er wäre eineiger Zwilling .

  3. #3 Mocca
    August 12, 2010

    Irgendwie ein komischer Gedanke – eine Welt, in der niemand weiß, wie sein eigenes Gesicht aussieht. Eine Wasseroberfläche ist ja nun nicht unbedingt das Zuverlässigste und frühe Spiegel sicher nicht für jedermann zugänglich. Wie würde es mein Selbstbild ändern, wenn ich mein Gesicht nicht kennen würde?

  4. #4 buch
    August 12, 2010

    @Mocca
    Vermutlich zum Positiven?
    😉

  5. #5 chris_g
    August 13, 2010

    Für weniger extravaganten Spiegel kam dann zum Einsatz kam und auch nur noch ganz dünn auf die reflektierende Seite des Spiegels aufgetragen wurde. <