Vor Dreck starrende Gassen und ein allgegenwärtiger Gestank nach Abfall und ungewaschenen Körpern: Häufig wird das Mittelalter mit katastrophalen hygienischen Verhältnissen gleichgesetzt. Doch Hygiene und Badekultur dieser Zeit werden häufig unterschätzt, denn Sauberkeit und Körperpflege spielten keine unwichtige Rolle.
Nachdem das Baden in der Spätantike ein wenig eingeschlafen war, brachten die Kreuzzüge im 12. und 13. Jahrhundert neuen Schwung in die mittelalterliche Badekultur. Auf ihren Reisen ins Abendland entdeckten die Ritter die Freuden des Badens und wollten nun auch nach der Heimkehr nicht mehr auf ihr warmes Bad verzichten.
Das hatte zur Folge, dass in den Städten die Badeanstalten wie Pilze aus dem Boden sprossen. Oft besaß eine Stadt gleich mehrere Badeeinrichtungen. Lübeck konnte um 1300 beispielsweise mit rund 16 Badehäusern aufwarten. Diese mittelalterlichen Wellness-Tempel waren ein wahres Dienstleistungseldorado. Sitzbäder, Massagen, Dampfschwitzbäder oder Heilgüsse; die Gäste hatten die Qual der Wahl. Auf Wunsch gab es auch einen neuen Haarschnitt, wurde der Bart gestutzt oder konnte man sich die Nägel pflegen lassen.
Die Badehäuser wurden von sogenannten Badern betrieben. Diese kümmerten sich sowohl um die Körperpflege -inklusive Haarschnitt und Rasur, als auch um die Behandlung diverser medizinischer Probleme. Neben dem damals allseits gepriesenem Aderlass, gehörten auch das Schröpfen sowie die Behandlung von Geschwüren, ausgerenkten und gebrochenen Knochen und die Versorgung von Wunden zu den Aufgaben des Baders.
In den Badestuben ging es lustig und im wahrsten Sinne des Wortes “feucht-fröhlich” zu. Gemeinsam zu baden erfreute sich – vor allem bei den Wohlhabenden- großer Beliebtheit. Dabei widmete man sich nicht nur ausgiebig der Körper- und Gesundheitspflege, sondern unterhielt sich, musizierte und lachte zusammen. Badehäuser waren vor allem Orte der Geselligkeit und nicht selten dauerte ein Besuch schon mal mehrere Stunden. Es wurde jedoch nicht nur gewaschen und geschrubbt, sondern auch für das leibliche Wohl des Gastes gesorgt. In den besseren Häusern wurden die Badenden auf Wunsch mit Speisen und Getränken versorgt, die direkt in der Wanne verzehrt wurden.
Rundum-Sorglos-Paket inklusive
In den guten Badehäusern erwartete die Gäste sozusagen ein rundum Wohlfühlprogramm. In der Wanne zu sitzen und zu versuchen, sich in halb verrenkter Position den Rücken zu schruppen, hatte der mittelalterliche Badegast nicht nötig. Er konnte sich von einer hübschen Bademagd verwöhnen lassen, die ihn umsorgte und die Haare wusch. Im Einsatz waren auch sogenannte Badereiber. Diese schruppten, rieben und kratzten den Badenden mit den Fingernägeln ab und übergossen ihn mit Lauge und warmen Wasser. Eine Gewandhüterin bewachte währenddessen die Kleidung des Gastes, denn sonst konnte es durchaus passieren, dass ein Kleidungsstück schon einmal unbemerkt den Besitzer wechselte.
Die Arbeitskleidung bestand aus einer Art Lendenschurz für den Herrn und einem dünnen Leinenhemd für die Bademägde. Gäste trugen ebenfalls Badehemden oder waren -je nach Art der Anwendung- nackt.
Gewaschen wurde mit einer Aschenlauge, die ganz schlicht aus einer Mischung aus Asche und Wasser hergestellt wurde. Richtige Seife kam erst später auf. Vor allem die parfümierten Seifen waren im Mittelalter Luxus. Sie wurden häufig aus Italien -vor allem aus Venedig oder Mailand- eingeführt und konnten in der Regel nur in Apotheken gekauft werden. Die Herstellung erfolgte vorwiegend aus tierischen Fetten, wie Pferde- Schafe- Rindertalg oder Fischtran aber auch aus pflanzlichen Ölen.
Körperpflege, eine langwierige Prozedur
Wannenbäder waren ein Vergnügen, dass sich vor allem die Wohlhabenderen leisten konnten, denn sie waren teurer als Schwitzbäder. Das Wasser wurde aus nahgelegenen Flüssen oder Seen herbeigeschafft und in den Badezubern erwärmt indem man heiße Steine hineinlegte. Oft saßen die Gäste auch nicht direkt auf dem Boden der Wanne, sondern auf einem Hocker, der zuvor ins Wasser gestellt wurde.
Durch das Übergießen heißer Steine mit Wasser, erzeugte man Wasserdampf, den man für Schwitzbäder nutzte. Die Badegäste saßen auf Holzbänken, die in verschiedenen Höhen angebracht waren. Also ganz ähnlich unserer heutigen Sauna. Um das Schwitzens zu fördern, schlug man sich mit Ruten oder Wedeln auf den Körper. Diejenigen, die etwas mehr Geld besaßen, leisteten sich besagten Badereiber, der ihnen während des Schwitzens den Dreck vom Körper rubbelte. Im Anschluss an das Schwitzbad wurde der Körper mit Wasser übergossen. Manchmal ließ man sich auch noch mit Lauge oder Seife abwaschen und richtig durchkneten bevor schließlich noch die Haare gewaschen wurden oder man sich rasieren ließ.
Ein enormer Aufwand also, der damals für die Körperpflege betrieben wurde. Im Vergleich dazu ist das Ganze heute ein Kinderspiel: Um eine Wanne mit Wasser zu füllen, muss man einfach nur den Hahn aufdrehen und Seife oder Reinigungsmittel gibt es quasi an jeder Ecke.
Kirche und Pest brachten das Ende
Im späten Mittelalter fanden die Badefreuden allmählich ein Ende. Die Kirche wetterte gegen die Lasterhaftigkeit der Badestuben und erhob das Nicht-Baden kurzerhand zu einer Tugend. Mit den großen Pest-Epidemien und der Verbreitung der Syphilis im 15. und 16. Jahrhundert war es dann mit der Badekultur des Mittelalters endgültig vorbei. Mit der Begründung, Baden sei gesundheitsschädlich und unsittlich, wurden viele Badestuben geschlossen.
Quellen:
- Engel, E. & Jacob, F-D.: Städtisches Leben im Mittelalter: Schriftquellen und Bildzeugnisse, Böhlau 2006
- Klug, M.B: Armut und Arbeit in der Devotio moderna: Studien zum Leben der Schwestern in niederrheinischen Gemeinschaften. Waxmann, Münster 2005
- Zappert, G.: Über das Badewesen mittelalterlicher und späterer Zeit – Nebst einer Tafel mit Abbildungen. Carl Gerold`s Sohn, Wien 1858
- Kriegk, G.L.: Deutsches Bürgerthum im Mittelalter, Band 2, Frankfurt 1868
- Archiv der Balneologie. Verlag der Heuser’schen Buchhandlung, Neuwied und Leipzig 1862 – 1864
- Eckart, W. U.: Geschichte der Medizin. Fakten, Konzepte, Haltungen, Berlin 2008
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