“Welches Viereck hätten’S denn gern?” war die Frage. Mehr als hundert Leser haben geantwortet. Jetzt gibt es endlich die Auswertung und die Erklärung dafür, was das alles sollte. Bitte schön.

Das war natürlich ein schlampiges Experiment. Trotzdem aber ziemlich toll, denn die Leute haben wunderbar diszipliniert einfach ihre Vierecksnummer eingetragen. Das hätte auch anders laufen können. Dafür herzlichen Dank. Die Ungeduld am Ende war durchaus verständlich.

Dass man auf diese Weise kein ernsthaftes Experiment durchführen kann, ist klar. Nichts ist kontrolliert. Nichts ist bekannt, darüber, welches Vorwissen die Antwortenden haben, das schließlich ihre Antwort beeinflussen könnte; manch einer weiß vielleicht genau, auf was ich hinaus will und will mich mich ein bisschen ärgern und nennt einfach nur eine Zahl. Es gibt keine Kontrollgruppe. Vielleicht sind die Vierecke viel zu klein, um sie ordentlich zu unterscheiden. Vielleicht beeinflusst die aufsteigende Reihung die Entscheidung. Vielleicht beeinflussen die abgegebenen Stimmen die Wahl der folgenden Teilnehmer. Vielleicht werden die Rechtecke am Rand seltener gewählt, weil sie außen liegen oder gerade weil sie außen liegen, häufiger gewählt usw. usw.

Trotzdem will ich kurz das Ergebnis bekannt geben. Welches Rechteck wurde am häufigsten als “am ausgewogensten” bewertet? Die 92 gültigen Stimmen verteilen sich wie folgt:

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Grafisch dargestellt sieht das zum Beispiel so aus. Auf der x-Achse die “Nummern der Rechtecke”, auf der y-Achse die “Anzahl der Stimmen”, die genaue Zahl der Stimmen findet sich über jeder Säule eingetragen.

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Ich will das gar nicht groß erklären.

Was sollte das jetzt alles? Hintergrund ist etwas, das man als den “Goldenen Schnitt” bezeichnet, den die meisten vielleicht kennen. Einige haben es in den Kommentaren schon erwähnt, danke an alle, die sich zurück gehalten haben. Der “Goldene Schnitt” ist ein ganz bestimmtes Verhältnis, zum Beispiel zweier Seiten zueinander. Es ist eine Proportion, die Menschen in der Regel als besonders ausgewogen empfinden. Und da wir hier in einem Blog zum Thema “Schönheit” und der Frage, was Menschen als schön empfinden, sind, führt natürlich kein Weg am “Goldenen Schnitt” vorbei.

Jedes der zehn vorgestellten Rechtecke hat ein bestimmtes Seitenverhältnis. Das Rechteck mit dem Seitenverhältnis im basierend auf dem “Goldenen Schnitt” ist Rechteck 7, das Seitenverhältnis ist 5:8, deshalb wird es auch als “Goldenes Rechteck” bezeichnet (Erklärung siehe hier bei der Wikipedia).

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Rechteck 7 hätte eigentlich – der “Theorie” zufolge – eindeutig am häufigsten gewählt werden sollen. Kommt nicht ganz hin 😉 Die Gründe können vielfältig sein, habe ich oben beschrieben. Rechteck 7 lässt sich mit folgendem Schema erklären, das hier animiert erklärt wird.

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Ich hab mir das ganze natürlich auch nicht einfach so ausgedacht, sondern das war eine jämmerliche Kopie eines Versuches, den der Psychologe Gustav Theodor Fechner im 19. Jahrhundert (etwa um 1860) durchgeführt hat.

Bei ihm sah das Ergebnis etwa wie folgt aus (prozentualer Anteil an allen Stimmen für ein bestimmtes Seitenverhältnis. Ist ein bisschen verwirrend mit all den rechteckigen Säulen, oder?):

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Das Rechteck mit dem ausgewogenen Seitenverhältnis von 5:8 wurde am häufigsten gewählt. Fechner wollte mit diesem Experiment herausfinden, ob Menschen tatsächlich den “Goldenen Schnitt” als besonders ausgewogene, angenehme Proportion empfanden. Was bei den Rechtecken sehr gut funktionierte, klappte bei Ellipsen und einfachen Linien offenbar überhaupt nicht. Für Fechner ein Beleg dafür, dass der “Goldenen Schnitt”, der auch als “Heiliger Schnitt”, “Goldene Proportion” oder “Divina Proportione” in quasi göttliche Spähren gehoben wurde, ein wenig überschätzt wurde.

Trotzdem spielt der “Goldene Schnitt” in der Ästhetik eine ganz besondere Rolle. Wie die aussieht, erklär ich dann im nächsten Post.

Quellen:

Kommentare (14)

  1. #1 kommentarabo
    September 2, 2010

  2. #2 Thomas J
    September 2, 2010

    Ich glaube, die meisten Mitmacher haben an den Goldenen Schnitt gedacht, nicht?
    Ich dachte aber, das muss sicher was Anderes sein, sooo plump kann das doch nicht sein… so kann man sich täuschen 🙂

  3. #3 rolak
    September 2, 2010

    Ehrlich gesagt habe ich gedacht ‘wird was mit dem Seitenverhältnis zu tun haben’ und nachdem diese Klappe geöffnet war, purzelte als erstes der besagte Schnitt hindurch. Allerdings hatte ich -wie erwähnt- meine Probleme mit dem ‘ausgewogen’ und daher gar nicht weiter drüber nachsinniert, bis der Bildschirmvermesser seine Ergebnisse vortrug.

  4. #4 Christoph Moder
    September 2, 2010

    Klar denkt man bei so einer Frage sofort an den goldenen Schnitt.

    Allerdings halte ich nicht viel davon. Ich sehe einfach nicht ein, warum ein bestimmtes Seitenverhältnis so viel besser sein soll als alle anderen ähnlichen Verhältnisse. Und so war auch meine Wahl.

    Das Quadrat kann man vielleicht als harmonisch bezeichnen, in einer solchen Reihe mit lauter Rechtecken wirkt es für mich aber vor allem zu klein. Das Rechteck ganz rechts dagegen lässt kein bestimmtes Seitenverhältnis erkennen, es hat keinen Wiedererkennungswert, sondern sieht aus, als hätte man eine beliebig in die Länge gezogene Säule. IMHO darf das Rechteck einerseits nicht “beliebig lang” aussehen, andererseits muss es sich deutlich von einem Quadrat unterscheiden. Zwischen diesen Extremen landet man automatisch mehr oder weniger beim goldenen Schnitt. Aber eben nicht exakt, sondern bei einem der Formate in diesem Bereich. (Abgesehen von den Peaks bei 1 und 3 gibt es in dem Histogramm ja auch einen schönen Berg bei den mittleren Rechtecken.)

    Und noch etwas: Besonders “harmoniebedürftig” sind ja Typographen; und einer ihrer Helden, Jan Tschichold, schrieb tatsächlich, dass ihm das DIN-A4-Format nicht gefällt (ich dachte, dass es dem goldenen Schnitt entspricht, aber es hat in Wirklichkeit \sqrt{2}); aber er bevorzugte das Letter-Format, das noch kürzer und breiter ist.

  5. #5 Gollrich
    September 3, 2010

    Das Problem könnte sein … das dass Bild je nach Monitorauflösung anders skaliert wird und dadurch das Verhältnis nicht mehr eindeutig ist

  6. #6 Marcus Anhäuser
    September 3, 2010

    Interessant. Da habe ich noch gar nicht dran gedacht, Darstellungsabweichungen. Mit dem Problem hatte Fechner sicher nicht zu kämpfen ;-). Es soll ja aber auch nur verdeutlichen, welche Schwierigkeiten schon so ein einfaches “Experiment” bereiten kann.

  7. #7 Stefan
    September 3, 2010

    So so. Der goldene Schnitt ist also 5:8? und damit 5:8 = 8:(5+8), also 64=75? Wirklich schlampig!

  8. #8 Marcus Anhäuser
    September 3, 2010

    äh, pardon. Wo schreibe ich das?
    Kann man den Satz so missverstehen? “mit dem Seitenverhältnis im “Goldenen Schnitt”, dann ändere ich das in, “basierend auf”. Machts vielleicht klarer. Danke.

  9. #9 Stefan
    September 3, 2010

    So ist es etwas besser, aber noch nicht gut.
    Tatsächlich ist das Viereck mit 5:8 dasjenige, das von allen gezeigten am nächsten am goldenen Schnitt ist. Damit ist es aber weder im goldenen Schnitt, noch basiert es auf ihm.

  10. #10 sicDaniel
    September 3, 2010

    Ich wusste das mit dem goldenen Schnitt nicht, habe das erst nach meiner Abstimmung mit Hilfe des Bilddateinamens und Google rausgefunden. Trotzdem ist meiner Meinung nach Rechteck 3 das schönste. Nr. 7 ist viel zu “hoch”.

  11. #11 Jörg Friedrich
    September 3, 2010

    Können Vierecke “schön” oder “ausgewogen” sein?

  12. #12 Marcus Anhäuser
    September 3, 2010

    Können Vierecke oder in dem Fall Rechtecke nicht durchaus eine ausgewogen Proportion haben oder ein ausgewogenes Seitenverhältnis? ich finde schon.

  13. #13 Alles Käse
    September 10, 2010

    Dass das Experiment nicht ganz geklappt hat, wird daran liegen, dass die längsten Seiten der Rechtecke vertikal verlaufen, der Mensch seine Umwelt visuell aber horizontal scannt (vom männlichen Betrachten von Frauen im öffentlichen Raum, also in der Regel nicht in der Horizontalen, mal abgesehen). Wer das nicht glaubt, möge überlegen, wieviel Filme im Vertikalformat er/sie jemals gesehen hat und das in Relation zu den Filmen in den Formaten 4:3 bis Cinemascope setzen. Oder wieviel Kameras ab Werk einen Hochformatauslöser besitzen.

    Der Goldene Schnitt wird auch hauptsächlich bei der Platzierung des Motivs im Querformat beachtet, während das Hochformat – wenn überhaupt – meist nur aus pragmatischen Gründen verwendet wird.

  14. #14 Manea-K
    September 14, 2010

    @ Stefan:
    Rechenfehler bei Dir: die letzte Gleichung muesste 64=65 heissen. Das finde ich dann lange nicht mehr so schlampig.