Andere Länder, andere Sitten. Giraffenhälse, Tellerlippen, schwarze Zähne oder verkrüppelte Füße: Was im Laufe der Zeit und rund um die Welt als schön empfunden wurde oder wird, ist doch manchmal ganz schön erstaunlich.
Jede Zeit und jede Kultur hat ihre eigenen Schönheitsideale, Rituale und Bräuche. Und was die einen als schön empfinden, ruft bei den anderen nur Erstaunen oder Unverständnis hervor. Manche dieser Schönheitsideale waren sicher nicht ganz schmerzfrei zu erreichen und erwiesen sich am Ende im Alltag wahrscheinlich auch nicht gerade als praktisch. Aber Schönheit ist ja nun einmal Geschmackssache und wie bereits Kant bemerkte „Schönheit muss nicht nützlich sein”.
Zähne wie Kohlen, so schön
Eines der begehrtesten Schönheitsmerkmale unserer Zeit? Vermutlich ein strahlend weißes Lächeln. Tägliches Zähneputzen, aufhellende Zahncremes, professionelle Zahnreinigungen und ein gelegentliches Zahnbleaching sollen dabei helfen, dieses Ziel zu erreichen. Allein der Gedanke an einen Mund voller schwarzer Zähne, ein Greul.
Nicht so beispielsweise im Japan der Heian-Zeit; schwarze Zähne waren dort gewollt und ein Attribut von Schönheit. Gefärbt wurde mit einer Mixtur, die aus Eisenspänen oder Nägeln in Kombination mit Tee oder Reiswein hergestellt wurde. Dazu legte man die Nägel oder Späne in die Flüssigkeit, wo sie oxidierten und eine schwarze Brühe zurückließen, mit der die Zähne dann eingepinselt wurden. Eine Prozedur, die kontinuierlich wiederholt werden musste.
Die Farbe Schwarz und ihre Funktion
Schwarze Zähne galten nicht nur als erotisch, sie wurden in der Oberschicht auch als Zeichen benutzt, um auf die Volljährigkeit bzw. Geschlechtsreife eines Mädchens hinzuweisen. Im Laufe der Zeit übernahm auch das Bürgertum diesen Brauch und die Symbolik änderte sich ein wenig: Schwarze Zähne waren nun das Zeichen einer verlobten oder verheirateten Frau. Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Schwarzfärben schließlich durch die Meiji-Regierung verboten.
Auch bei einigen Völkern in Südostasien waren weiße Zähne nicht erwünscht. Sie galten als aggressiv und unmenschlich. Hier wurden die Zähne durch das Kauen von Shiri-Betel geschwärzt. Vor allem ältere Menschen praktizieren die Zahnschwärzung zum Teil noch heute. Im Vordergrund steht dabei allerdings weniger die Schönheit, sondern eher die Befürchtung, die weißen, aggressiv wirkenden Zähne könnten hilfsbereite Geister und Götter verärgern.
Große Lippen soll man küssen
Ein anderer kurioser Brauch, der auch heute noch aktuell ist, sind die Lippenteller bzw. Tellerlippen der Mursi oder der Surma-Frauen; Volksstämme im Südwesten Äthiopiens. Am Ende der Pubertät wird den Mädchen die Lippe aufgeschnitten und ein Teil der unteren Schneidezähne entfernt, um die aus Ton gebrannten Scheiben einsetzen zu können. Die Teller werden hin und wieder ausgetauscht und durch einen jeweils größeren ersetzt, um so das Gewebe peu à peu zu dehnen.
Je größer der Teller, umso größer auch das Ansehen der Frau. Nicht selten beträgt der Durchmesser eines Lippentellers am Ende bis zu 15 Zentimetern. Angeblich erhöht sich mit der Größe des Tellers aber nicht nur das Ansehen, sondern auch der Brautpreis einer Frau. Heute nutzen die Muris ihre Tradition vor allem auch zur Geldeinnahme, indem sich die Frauen gegen Bezahlung mit Touristen fotografieren lassen. Im Alltag werden diese Lippenmonster allerdings selten getragen und auch zum Essen werden sie herausgenommen.
Was heute als schön gilt, hatte vermutlich allerdings irgendwann einmal die umgekehrte Funktion. Es wird angenommen, dass der Lippenteller die Frauen eher unattraktiv machen sollte, um sie vor dem Sklavenhandel zu schützen.
Die Last der langen Hälse
Die Padaung (was übersetzt so viel heißt, wie mit glänzendem Metall umwickelte Menschen) sind ein Bergvolk im Südosten Myanmars. Bekannt sind sie vor allem aufgrund des außergewöhnlichen Halsschmucks ihrer Frauen, der die Hälse extrem lang erscheinen lässt und den Damen auch den Beinamen Giraffenfrauen eingebracht hat. Bei dem Halsschmuck handelt es sich allerdings nicht, wie oft angenommen, um einzelne Ringe, die den Frauen nach und nach um den Hals gelegt werden, sondern um Messingspiralen von circa 30 bis 40 Zentimetern Länge.
Im Alter von etwa fünf Jahren erhalten die Mädchen ihren ersten Schmuck; eine Spirale von rund zehn Zentimetern Höhe. Alle zwei bis drei Jahre, je nach Wachstum der Mädchen, wird die alte Spirale gegen eine neue ausgetauscht. Im Alter von 15 Jahren kommt noch eine Schulterspirale hinzu, die aufgrund ihres größeren Durchmessers direkt auf den Schultern aufsitzt. Die Spiralen werden genau dem Körper der Frau angepasst und von kräftigen, erfahrenen Frauen angelegt. Eine Prozedur, die wohl schon einmal mehrere Stunden in Anspruch nehmen kann. Durch das Gewicht des Halsschmucks – immerhin wiegt die ganze Pracht bis zu zehn Kilogramm- werden die Schultern nach unten gedrückt und der Hals erscheint extrem lang.
Praktisch ist der glänzende Panzer nicht; er schränkt die Bewegung ein und ist auch beim Schlucken sowie bei der Hygiene sehr hinderlich. Zudem muss das Metall regelmäßig gepflegt und poliert werden, damit es seinen Glanz behält. Die weit verbreitete Annahme, dass sich die Frauen das Genick brechen, wenn der Schmuck abgenommen wird, ist jedoch Unsinn. Die Halsmuskulatur erschlafft zwar unter dem ganzen Metall, regeneriert sich aber auch wieder.
Kein Leben auf großem Fuß
Ein besonders barbarisches Schönheitsideal wurde über viele Jahrhunderte in China praktiziert; der sogenannte Lotosfuß galt dort als Inbegriff weiblicher Schönheit. Das Ideal war der „Goldene Lotos” mit einer Fußlänge von circa zehn Zentimetern. Eine Länge, die etwa der europäischen Schuhgröße 17 entspricht, also der Größe des Fußes eines etwa zwei bis drei Monate alten Kindes. Ein Ideal, das jedoch kaum eine Frau erreichte; im Schnitt betrug die Größe eines Frauenfußes etwa 13 bis 14 Zentimeter.
Rund 15 Jahre dauerte die grausame Prozedur, mit der bei einem Mädchen ungefähr im Alter von drei bis fünf Jahren (die Zahlen schwanken) begonnen wurde. Dabei wurden die vier kleineren Zehen gebrochen, nach hinten unter die Fußsohle gebogen und anschließend mit festen Bandagen umwickelt, die jeden Tag enger gezogen wurden. Nicht selten fingen die Zehen unter den Stoffwickeln an zu faulen und starben schließlich ganz ab.
Doch die Schmerzen und lebenslangen Beeinträchtigungen der Töchter nahm man in Kauf, denn die Lotosfüße waren Garant für Ansehen und eine gute Heirat. Normal gehen oder größere Wege zurücklegen konnten die Frauen ohne Hilfe mit diesen Füßen kaum noch. Verschont wurden nur die Töchter armer Bauern, denn die winzigen Füße waren für die Feldarbeit unbrauchbar.
Ein Schönheitsideal mit fast 1000 Jahren Tradition
Zurückgeführt wird dieser schmerzhafte Brauch auf das Jahr 975. Demnach schenkte damals der Kaisers Li Yu seiner Geliebten, einer Tänzerin, eine als Lotosblüte geformte Bühne aus Gold. Um auf deren winzigen Fläche tanzen zu können, bandagierte sich die Tänzerin die Füße – angeblich der Beginn dieses grausamen Schönheitsideals.
Am Anfang wurden die Füße jedoch lediglich fest bandagiert, die schmerzhaften Verstümmlungen kamen erst später dazu. Das Binden der Füße wurde noch bis ins 20. Jahrhundert fortgeführt. Zwar wurde es 1911 durch die Republik China verboten, allerdings eher mit mäßigem Erfolg. Erst 1949, nach der Gründung der Volksrepublik China, gelang es Mao Zedong diesen Brauch endgültig zu unterbinden. Vor gut 22 Jahren schloss schließlich die letzte Fabrik, die Spezialschuhe für die Lotosfüße herstellte, ihre Pforten.
Quellen:
- Coulmas, F.: Die Kultur Japans: Tradition und Moderne. Beck, München 2005
- Weihe, R.: Die Paradoxie der Maske: Geschichte einer Form. Fink, München 2003
- Regal, W. & Nanut, M.: Perverses Schönheitsideal. Ärzte Woche 9/2008. Springer, Wien
- Maier, E. & Killmann, M.: Kinderfuß und Kinderschuh: Entwicklung der kindlichen Beine und Füße und ihre Anforderungen an fußgerechte Schuhe. Merkur, München 2003
- Keshishian, J.M.: Anatomy of a Burmese Beauty Secret. In: National Geographic Magazine, Juni 1979, Seite 798 ff.
- Prior, C.: Urvölker: Vom Überleben einzigartiger Kulturen. NATIONAL GEOGRAPHIC 2003
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