An manchen Körperstellen gelten Haare als unattraktiv und sind daher eher unerwünscht. Auf dem Kopf dagegen sind glänzende und dichte Haare ein Zeichen von Schönheit und sehr begehrt. Leider ist nicht allen Menschen an dieser Stelle ein üppiger Haarwuchs vergönnt. Manchmal fallen sie aus und manchmal zwingt ein unwiderstehlicher Drang eine Person dazu, sich die Haare einfach auszureißen.
An einigen Stellen will man sie loswerden, an anderen Stellen will man unbedingt mehr; die Rede ist von den Haaren.
Haare; an manchen Stellen unerwünscht.
Haare am Körper gelten in der Regel als unschön und unerwünscht, dichtes, glänzendes Haar auf dem Kopf ist dagegen ein Attribut von Schönheit. Dort sollte der Haarwuchs auch möglichst dicht und üppig ausfallen, unter den Achseln und an den Beinen sollte er dagegen am besten gar nicht vorhanden sein – zumindest bei den Frauen. Je nachdem greift man zu Haarwuchsmitteln oder sucht nach Möglichkeiten unerwünschte Haare loszuwerden, durch Entwachsen, Lasern, Rasieren oder Epilieren beispielsweise. Haare loszuwerden ist im Allgemeinen kein Problem, wenn mitunter auch eine lästige und nicht immer schmerzfreie Angelegenheit. Mehr Haar zu bekommen, wo keine sind ist deutlich schwieriger.
Der erste Eindruck wird auch durch die Haare geprägt
Schöne Haare sind ein Zeichen von Gesundheit und Attraktivität und in den meisten Fällen wird ihnen viel Aufmerksamkeit gewidmet. Für unser Wohlbefinden und unser Selbstbewusstsein spielen sie eine wichtige Rolle. Auch in Bezug auf den sogenannten ersten Eindruck sind Haare anscheinend von großer Bedeutung. Für Professor Reinhold Bergler vom Institut der Stiftung für Sozialforschung in Nürnberg entscheiden Haare beim ersten Eindruck zum Beispiel stark über Sympathie oder Antipathie. Umso schlimmer, wenn die Haare ausfallen (zum Beispiel hormonell bedingter oder diffuser Haarausfall) und die Haarpracht eher spärlich aussieht oder der Kopf sogar kahle Stellen aufweist.
Der Zwang zum Rupfen
An dünnem Haar oder kahlen Stellen ist allerdings nicht immer der Haarausfall schuld. In einigen Fällen ist es eine Art Zwang, der dem schönen Haar im Wege steht; die sogenannte Trichotillomanie (im DSM-IV und ICD-10 als Störung der Impulskontrolle klassifiziert), das zwanghafte Ausreißen der eigenen Haare.
Vor allem die Kopfhaare müssen dran glauben.
Dieser Störung fallen leider nicht die an bestimmten Körperstellen unerwünschten Haare zum Opfer, sondern vor allem Kopfhaare, Augenbrauen und Wimpern. Also die Haare, die einen entscheidenden Einfluss auf das Aussehen und damit in der Regel auch auf das Wohlbefinden haben.
Warum? Man weiß es nicht genau
Was das Rupfen auslöst, weiß man bisher nicht genau; verschiedene Entstehungsmodelle werden diskutiert. Die Betroffenen beschreiben, dass das Ausreißen der Haare sie beruhigt und innere Spannungen abgebaut werden. Viele registrieren auch gar nicht, wenn sie wieder am Zupfen sind. Oft „spielen” die Betroffenen nach dem Ausreißen mit ihrem Haar; nehmen es in den Mund, kauen darauf herum, wickeln es sich um die Finger etc. Manche wählen die Haare nach bestimmten Kriterien aus – unregelmäßig, dunkler, heller. Andere rupfen sozusagen ohne Konzept.
Kahle Stellen verbunden mit Scham
Die Folge des unwiderstehlichen Verlangens sich die Haare auszureißen, ist nicht selten ein sichtbarer Haarverlust, der bis zur Kahlköpfigkeit führen kann. Meist beginnt dieser „Tic” im Alter zwischen 11 und 15 Jahren, manchmal aber auch erst im späten Erwachsenenalter. Mädchen bzw. Frauen sind häufiger betroffen als Jungen oder Männer. Die Betroffenen schämen sich für ihre kahlen Stellen und versuchen sie durch Kosmetik, Tücher, Perücken oder andere Kopfbedeckungen zu verbergen.
In dem Buch „Trichotillomanie oder wenn Haare zum Zwang werden” von Astrid Krüger, schreibt eine Betroffene:
“Aber natürlich blieben diese dünnen Stellen nicht unbemerkt. […] Ich kam mir immer hässlich vor, denn die Haare waren insgesamt dünn und ausgefranst. Nie hab ich mich in einem Raum gegen das Licht gesetzt. Es war mir immer sehr unangenehm, wenn jemand hinter oder gar über mir war. Ständig hatte ich Angst, dass jemand etwas über meine Haare sagen würde.”
Wie sehr diese Störung das Wohlbefinden beeinflusst wird auch deutlich bei den Sätzen von Nini aus dem Forum TRICH.DE:
„Ich hasse Trich, denn sie hat mein Leben im Griff, und mir mein schönes Gesicht genommen, dass ich einst hatte… wenn ich abends die Schminke wegwische, ist mir, als läge ich meine Maske ab…und dann stehe ich da… nackt im Gesicht, wie ein ausgelieferter Säugling… am liebsten wäre es mir, dass mich niemand so sehen würde.”
Behandelt wird mittels kognitiver Verhaltenstherapie und Pharmakotherapie. Manchmal einzeln, manchmal in Kombination. Je nachdem, welche Symptome noch zusätzlich vorhanden sind und wie motiviert der Patient ist. Die Entscheidung wird für jeden Patienten individuell getroffen. Die Prognose ist angeblich gut.
Quellen:
- Rufer, M. & Neudecker, A.: Trichotillomanie – “Angst vor Entdeckung” beeinträchtigt oft deutlich die Lebensqualität. Schweizer Zeitschrift für Psychiatrie und Neurologie 2005 (3): 38-41
- Böhm, K. A.: Störungen der Impulsivität bei Trichotillomanie. Grin Verlag, München 2008
- Althaus, D; Niedermeier, N. & Niescken, S.: Zwangsstörungen: Wenn die sucht nach Sicherheit zur Krankheit wird. Beck, München 2008
- Beiglböck, W.; Feselmayer, S. & Honemann, E.: Handbuch der klinisch-psychologischen Behandlung. Springer, Wien 2006
- Eggers, Ch.; Fegert, J.M. & Resch, F.: Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters. Springer, Berlin 2004
- Bergler, R. & Hoff, T.: Psychologie des ersten Eindrucks. Die Sprache der Haare. Deutscher Instituts-Verlag, Köln 2001
- Worret, W.-I. & Gehring, W.: Kosmetische Dermatologie. Springer, Berlin 2008
- Krüger, A.: Trichotillomanie oder wenn Haare zum Zwang werden. Books on Demand Gmbh, Norderstedt 2002
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