Hoffnung für Millionen von Patienten
Jeder Fortschritt in der Medizin bringt Hoffnung. Das Genskalpell bringt Hoffnung für Millionen von Patienten mit den unterschiedlichsten Krankheitsbildern. Insbesondere für die Behandlung von Erbkrankheiten. Erbkrankheiten beruhen auf Fehlern in unserem Erbgut. Oft ist dabei nur ein einziges Gen betroffen und die meisten der Krankheiten sind selten. Je seltener die Krankheit, desto geringer der Forschungsaufwand, desto geringer die Chance auf Heilung. Nimmt man all diese “monogenetischen Erkrankung” zusammen, kann man aber nicht mehr von Einzelfällen reden. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass Millionen von Menschen von solchen Erkrankungen betroffen sind. Dazu zählen zum Beispiel Mukoviszidose oder Muskeldystrophien.
Und nun haben wir plötzlich die Möglichkeit, unser Genom zielsicher zu verändern. Zu heilen. Und das auch noch kostengünstig und verhältnismäßig einfach. Noch reden wir hier nicht von klinischer Anwendbarkeit. Gewisse Hindernisse gibt es noch zu überwinden. Zum Beispiel bleibt das eingangs erwähnte Problem, dass wir in jeder betroffenen Zelle rumschnippeln müssen. Wie transportieren wir das Skalpell in die betroffenen Zellen? Und das zielsicher? Ein weiteres Problem sind sogenannte Off-target-Effekte. Die Ortsangabe zum Zerschneiden der DNA muss so genau sein, dass nicht versehentlich auch an einem anderen als dem gewünschten Ort geschnitten wird.
Die großen Träume der Medizin: Krebs und Aids heilen
Nicht nur für seltene Erbkrankheiten gibt es Hoffnung, sondern auch für zwei der großen Geiseln der Menschheit: Krebs und AIDS. Mit dem HI-Virus, dem Verursacher der Immunschwächekrankheit AIDS, leben derzeit weltweit etwa 37 Millionen Menschen. Das Virus befällt Immunzellen und baut dort sein eigenes Erbgut in die menschliche DNA ein. Bisher gibt es keine Methode, um das HI-Virus wieder aus dem Körper zu entfernen. Derzeitige Medikamente helfen nur, die Vermehrung des Virus zu unterdrücken. Das neue Skalpell bringt Hoffnung. Die Idee dabei ist, Immunzellen außerhalb des Körpers zu behandeln und wieder in den Körper zu injizieren. Ähnlich will man auch gegen Krebs vorgehen.
Brauchen wir Grundlagenforschung?
Die Geschichte des Genskalpells hat viele Facetten. Es ist auch die Geschichte einer leidenschaftlichen Wissenschaftlerin. Emmanuelle Charpentier arbeitete in neun verschiedenen Arbeitsgruppen in fünf verschiedenen Ländern bis sie durch ihre erfolgversprechende Entdeckung mittlerweile am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin gelandet ist. Charpentier ist kein Öffentlichkeitsmensch, sie will den ganzen Medienrummel nicht, sondern sich lieber ihrer Forschung widmen. Sie hat aber auch erkannt, dass man die Öffentlichkeit über die Bedeutung von CRISPR/Cas9 aufklären muss. Wie die Genschere funktioniert, und welche Möglichkeiten sie bietet. Und sie nutzt die “Entdeckung” von CRISPR/Cas9 um darauf hinzuweisen, wie wichtig Grundlagenforschung ist. Den Grundlagenforschung hat es oft schwer, sich selbst zu rechtfertigen. Die Ziele und Errungenschaften zeigen oft keinen direkten Nutzen für unsere Gesellschaft: keinen Profit für unsere Wirtschaft, keine Heilung tödlicher Krankheiten. Grundlagenforschung wird häufig von purer Neugier angetrieben, dem Wunsch, unsere Welt besser zu verstehen. Aber genau dort liegt eben auch aller Anfang, der Anfang für die großen Veränderungen, die die Forschung mit sich gebracht hat und das sollten wir immer im Auge behalten. Ich sage das so deutlich, weil es immer schwerer wird, sich als Wissenschaftler für seine Forschung zu rechtfertigen. Sowohl wenn es um die Beantragung von Forschungsgeldern geht, als auch um die Veröffentlichung der Erkenntnisse. Wem nützt das? Das weiß oft keiner so genau. Zu oft wird man abgelehnt mit der Begründung “nicht relevant genug”. Und oft stellt sich mir die Frage, könnt ihr euch da so sicher sein? Denn auch der Weg zur Entwicklung des Genskalpells war ein langer. Voller Mauern auf denen geschrieben stand “Eure Arbeit ist nicht relevant genug”. Denn keiner konnte absehen, dass die Forschung an einem “langweiligen” Bakterium, über das es nicht mal einen Wikipedia Artikel gibt (Haloferax mediterranei), in der Entwicklung des Genskalpells münden würde? Zwanzig Jahre lang haben sich nur wenige Spezialisten für diese Forschung interessiert. Heute redet jeder darüber.
Die Entwicklung des Genskalpells erzählt noch weitere Geschichten: Die Unterschiede zwischen Amerika und Europa zum Beispiel. Aber das ist ein Fass, das ich jetzt nicht öffnen möchte. Widmen wir uns lieber der Frage:
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