Emmanuelle Charpentier. Photo by Bianca Fioretti, Hallbauer & Fioretti. Copyright owned by Emmanuelle Charpentier who made it a Creative commons picture, CC BY-SA 4.0.

Was bedeutet CRISPR/Cas9 für unsere Gesellschaft?

Die Anwendungen des Genskalpells in der Medizin sind nur ein Bruchteil der Möglichkeiten, die uns diese neue Welt eröffnet. Nicht nur unsere eigene DNA können wir damit verändern, sondern auch die DNA anderer Lebewesen. Die DNA von Nutzpflanzen könnte so verändert werden, dass sie Schädlingen widerstehen. Der Einsatz von Pestiziden würde sich erübrigen. Man könnte das Erbgut von krankheitsübertragenden Insekten so verändern, dass sie kein Zwischenwirt mehr sind. So könnte man zum Beispiel die Ausbreitung von Malaria stoppen. Man könnte sogar soweit gehen, die Insekten unfruchtbar zu machen, sodass sie aussterben. Gleiches gilt für andere Insekten (ich persönlich mag ja Wespen und Mücken eher nicht so). Oder noch verrückter: Forscher wollen Mammut DNA in Elefantenzellen einschleusen und die vor 4000 Jahren ausgestorbene Art wieder auferstehen lassen.

Und mit all diesen Möglichkeiten stellt sich die große Frage: Wieviel Macht dürfen wir uns selbst geben, in die Evolution einzugreifen? Können wir überhaupt absehen, was es für unser Ökosystem bedeutet, wenn eine Art verschwindet? Oder eine Art wieder aufersteht? Ich sag nur: Jurassic Park. Eingriffe in die menschliche Keimbahn sind bislang verboten. Damit würden wir auch das Erbgut unserer eigenen Nachkommen verändern. Dürfen wir unsere eigene Evolution in die Hand nehmen? Diese Fragen beschäftigten vor kurzem auch den deutschen Ethikrat. Vorerst bleibt Genchirurgie am Embryo verboten. Im Moment sehen die Experten eher Gefahr in der zu frühen Anwendung des Genskalpells in der Medizin. Noch ist die Methode längst nicht reif.

Die zwei Seiten der Medaille

Natürlich birgt wissenschaftlicher Fortschritt immer auch Gefahren. Den Fortschritt aufzuhalten scheint mir jedoch keine sinnvolle Alternative. Unsere Aufgabe sollte es sein, zu lernen mit dem Fortschritt richtig umzugehen. Je besser wir etwas verstehen, desto besser können wir auch die damit verbundenen Gefahren einschätzen. Harald Lesch hat das einmal sehr schön zum Thema Atomkraft zusammengefasst: “Vielleicht sind wir einfach noch nicht reif für diese Technologie”. Um in unsere eigene Evolution einzugreifen, sind wir sicher noch nicht reif genug. Besonders nicht was unsere Soziale Intelligenz betrifft. Aber gleichzeitig gibt uns CRISPR/Cas9 so viel Hoffnung in Medizin und Biologie, dass es dumm ist, nur die dunkle Seite der Medaille zu betrachten. Und letztlich ist CRISPR/Cas9 vor allem das, wofür es von seiner Erfinderin (einer Mikrobiologin) anfangs gedacht war: eine biotechnologische Methode, mit der man Gene ein- und ausschalten kann. Sie soll den Biologen die Forschung erleichtern und helfen Krankheiten zu enträtseln. Den Nobelpreis hat Emmanuelle Charpentier übrigens noch nicht gewonnen, obwohl sie letztes Jahr als heiße Kandidatin gehandelt wurde. Ob es dieses Jahr klappt, erfahren wir Anfang Oktober.

Und ihr? Seht ihr das Genskalpell als Horror oder als Hoffnung?

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Kommentare (8)

  1. #1 Nicole
    12. September 2016

    Danke für den tollen Artikel und den gut verständlichen Infos zu CRISPR.
    Ich finde das Thema sehr interessant und denke, dass die Gentechnik der Menschheit in Zukunft sicher viele Chancen bieten wird. Da es bisher scheinbar keine Hinweise auf schädliche Auswirkungen auf den Menschen oder die Natur gibt, können gentechnisch veränderte Pflanzen, die z.B. mit weniger Wasser auskommen und in dürren Gebieten wachsen, viele Menschen vor dem Verhungern bewahren. Auch in der Pharmazie und Medizin ist der Einsatz sicher sinnvoll! Jedoch denke ich, dass keinem Menschen geholfen ist, wenn es wieder Mammuts gibt. Hier sollte man halt immer Nutzen/Risiko abwägen, auch bei anderen Ethischen Fragen in diese Richtung!

  2. #2 roel
    *******
    13. September 2016

    @Franziska Hufsky “Und ihr? Seht ihr das Genskalpell als Horror oder als Hoffnung?” Ganz klar als Hoffnung.

    Vielen Dank für die einfache Erklärung des “Off-target-Effekts”.

    “Denn keiner konnte absehen, dass die Forschung an einem “langweiligen” Bakterium, über das es nicht mal einen Wikipedia Artikel gibt (Haloferax mediterranei), in der Entwicklung des Genskalpells münden würde?”

    Wikipedia ist nicht alles: https://biocyc.org/organism-summary?object=HMED523841

    • #3 Franziska Hufsky
      13. September 2016

      “Wikipedia ist nicht alles”
      Weiß ich doch, ich wollte nur sagen, dass diesem Bakterium nicht besonders viel Aufmerksamkeit geschenkt wird 😉

  3. #4 Christine
    14. September 2016

    Danke für den sehr gut verständlichen Artikel und die anschauliche Zusammenfassung! Ich denke, dass das Genskalpell wie allen anderen Messer zu gutem oder schlechtem Gebrauch führen wird. Ich frage mich, welche Nebeneffekte in einer tatsächlichen Anwendung (die bestimmt kommen wird, sollte es wie geplant funktionieren) noch zu Tage treten werden.

  4. […] Weil CRISPR im Moment in aller Munde ist und die Wissenschaftsgemeinde zumindest gespannt ist, ob Frau Charpentier den Nobelpreis bekommt, gibt es eine sehr gute Zusammenfassung über diesen Meilenstein der Genchirurgie im Blog Bioinfowelten. […]

  5. #6 Hinundweg
    Täterprofil
    16. September 2016

    Danke für die Übersicht bzgl. CRISPR.

    Was mir nicht klar geworden ist:
    Welche Bestandteile der Virus DNA wird zwischen den CRISPR Bereichen gespeichert? Und wie erfolgt deren Auswahl?
    Bei einem zufälligen Stück wäre die Gefahr für die erwähnten Off-Target Ziele doch sehr hoch. Oder es könnte sich um Junk DNA des Virus handeln.

    Gruß
    Holger

    • #7 Franziska Hufsky
      29. September 2016

      Welche Abschnitt der Viren-DNA entfernt wird ist noch nicht vollständig verstanden. Es passiert aber zumindest nicht zufällig; die DNA-Stücke enthalten ein bestimmtes Motiv (Protospacer adjacent motif, kurz PAM).

      Von Junk DNA spricht man heute übrigens kaum noch. Man sagt “nicht kodierende DNA”. Viele Abschnitte des Erbguts, die man früher als Abfall betrachtet hat, hat man im Laufe der Zeit als wichtige regulatorische Elemente erkannt. Das heißt, sie steuern zum Beispiel die Genexpression.

  6. #8 michanya
    18. November 2016

    … das Skalpell kannten schon die Indianer – sie nannten es SKALP als haarschopf – weil sie hier sogar den Sitz der SEELE vermuteten.

    Und FEINDE wurden ihrer Seele beraubt – totes Bakterium No REPEAT inder Gensequenz – INDISKUTABEL.

    besser rausschmeißen – biotec4u