Was bedeutet CRISPR/Cas9 für unsere Gesellschaft?
Die Anwendungen des Genskalpells in der Medizin sind nur ein Bruchteil der Möglichkeiten, die uns diese neue Welt eröffnet. Nicht nur unsere eigene DNA können wir damit verändern, sondern auch die DNA anderer Lebewesen. Die DNA von Nutzpflanzen könnte so verändert werden, dass sie Schädlingen widerstehen. Der Einsatz von Pestiziden würde sich erübrigen. Man könnte das Erbgut von krankheitsübertragenden Insekten so verändern, dass sie kein Zwischenwirt mehr sind. So könnte man zum Beispiel die Ausbreitung von Malaria stoppen. Man könnte sogar soweit gehen, die Insekten unfruchtbar zu machen, sodass sie aussterben. Gleiches gilt für andere Insekten (ich persönlich mag ja Wespen und Mücken eher nicht so). Oder noch verrückter: Forscher wollen Mammut DNA in Elefantenzellen einschleusen und die vor 4000 Jahren ausgestorbene Art wieder auferstehen lassen.
Und mit all diesen Möglichkeiten stellt sich die große Frage: Wieviel Macht dürfen wir uns selbst geben, in die Evolution einzugreifen? Können wir überhaupt absehen, was es für unser Ökosystem bedeutet, wenn eine Art verschwindet? Oder eine Art wieder aufersteht? Ich sag nur: Jurassic Park. Eingriffe in die menschliche Keimbahn sind bislang verboten. Damit würden wir auch das Erbgut unserer eigenen Nachkommen verändern. Dürfen wir unsere eigene Evolution in die Hand nehmen? Diese Fragen beschäftigten vor kurzem auch den deutschen Ethikrat. Vorerst bleibt Genchirurgie am Embryo verboten. Im Moment sehen die Experten eher Gefahr in der zu frühen Anwendung des Genskalpells in der Medizin. Noch ist die Methode längst nicht reif.
Die zwei Seiten der Medaille
Natürlich birgt wissenschaftlicher Fortschritt immer auch Gefahren. Den Fortschritt aufzuhalten scheint mir jedoch keine sinnvolle Alternative. Unsere Aufgabe sollte es sein, zu lernen mit dem Fortschritt richtig umzugehen. Je besser wir etwas verstehen, desto besser können wir auch die damit verbundenen Gefahren einschätzen. Harald Lesch hat das einmal sehr schön zum Thema Atomkraft zusammengefasst: “Vielleicht sind wir einfach noch nicht reif für diese Technologie”. Um in unsere eigene Evolution einzugreifen, sind wir sicher noch nicht reif genug. Besonders nicht was unsere Soziale Intelligenz betrifft. Aber gleichzeitig gibt uns CRISPR/Cas9 so viel Hoffnung in Medizin und Biologie, dass es dumm ist, nur die dunkle Seite der Medaille zu betrachten. Und letztlich ist CRISPR/Cas9 vor allem das, wofür es von seiner Erfinderin (einer Mikrobiologin) anfangs gedacht war: eine biotechnologische Methode, mit der man Gene ein- und ausschalten kann. Sie soll den Biologen die Forschung erleichtern und helfen Krankheiten zu enträtseln. Den Nobelpreis hat Emmanuelle Charpentier übrigens noch nicht gewonnen, obwohl sie letztes Jahr als heiße Kandidatin gehandelt wurde. Ob es dieses Jahr klappt, erfahren wir Anfang Oktober.
Und ihr? Seht ihr das Genskalpell als Horror oder als Hoffnung?
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