Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang das “Open Science”-Konzept. Ein Virus sofort sequenzieren zu können hilft nur, wenn die in verschiedenen Laboren sequenzierten Genome auch miteinander verglichen und gemeinsam analysiert werden können. Es ist also dringend erforderlich, dass Daten während laufender Epidemien unmittelbar verbreitet werden und nicht erst nachdem eine entsprechende wissenschaftliche Publikation veröffentlicht wurde. Genau genommen nicht nur die Daten, sondern auch die (informatischen) Methoden, die zu deren Analyse entwickelt wurden. Offene Wissenschaft führt nicht nur zu genaueren wissenschaftlichen Einsichten, sondern hilft auch, die relevanten Informationen schnell in die Hände von Entscheidungsträgern zu befördern. Oder anders gesagt: Wem nützt schon die Nature/Science-Publikation, wenn wir letztlich alle dem Apokalypse-Virus zum Opfer fallen?

Tracking virus outbreaks in the twenty-first century.
Grubaugh ND, Ladner JT, Lemey P, Pybus OG, Rambaut A, Holmes EC, Andersen KG.
Nat Microbiol. 2019;4(1):10-19.

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Kommentare (9)

  1. #1 peterK
    Zürich
    26. Juni 2019

    Die meisten Pandemie-Szenarien gehen ja von, einem harmlosen und sehr gut übertragbarr Virus aus, wo der Schaden am Wesen durch die Mutation verschlimmert wird. Wäre es nicht auch denkbar, dass ein Virus mit hoher Sterblichkeit, wie zB. bei Tollwut, in der Verbreitungswegen mutiert, sodass dieser, ggf durch Tröpcheninfektion übertragen wird?

    • #2 Franziska Hufsky
      27. Juni 2019

      Beides ist denkbar. Ich würde aber nicht sagen, dass die Pandemie-Szenarien von einem harmlosen Virus ausgehen. Ebola, Marburg, SARS und Co halte ich für reale Bedrohungen.

  2. #3 libertador
    27. Juni 2019

    Im Artikel werden schön verschiedene Arten von nützlichen Informationen dargestellt. Auf mich wirkt das aber so, als ob ein Großteil dieser Ergebnisse erst mit großer Zeitverzögerung gewonnen werden können. Dazu habe ich ein paar Fragen.
    – Wären diese Information im Falle eines Ausbruchs schnell genug vorhanden?
    – Gibt es Maßnahmen, die man bereits ohne weitere Forschungsergebnisse anwenden kann?

    • #4 Franziska Hufsky
      27. Juni 2019

      Tatsächlich wurden diese Informationen bisher eher verzögert gewonnen, mittlerweile aber immer mehr in Echtzeit. Sequenzierer gibt es mittlerweile im Taschenformat und diese können das Virengenom am Stück “lesen”. Natürlich ist das alles noch nicht komplett ausgereift, aber in dem Bereich geht die Forschung extrem schnell voran. Ich glaube der Knackpunkt liegt wirklich eher in der Übermittlung der Proben und danach der Informationen.

  3. #5 Dr. Webbaer
    27. Juni 2019

    Wie immer sehr schoen strukturiert vorgetragen, ein solider Aufhaenger, der zum Lesen einlaedt, Dr. W hat allerdings nur Zombie-Filme geguckt, in dem das Beissen der zuverlaessige Uebertragungsweg ist, und im Abgang dieses : ‘Oder anders gesagt: Wem nützt schon die Nature/Science-Publikation, wenn wir letztlich alle dem Apokalypse-Virus zum Opfer fallen?’

    Ansonsten bedeutete HIV die letzte grosse Pandemie und ganz genau, moeglichst umfangreiche Erfassung, auch sog. Metadaten, gibt die beste Chance um der Problematik Herr zu werden.

    MFG
    Dr. Webbaer

    • #6 Franziska Hufsky
      27. Juni 2019

      Ansonsten bedeutete HIV die letzte grosse Pandemie

      Wie genau meinst du das? HIV lässt sich mittlerweile ja durchaus behandeln bzw im Griff halten.
      Da halte ich Ebola etc für die größere Bedrohung.

  4. #7 Dr. Webbaer
    27. Juni 2019

    War nur als Ergaenzung gedacht, Infektionen muessen ja nicht toedlich enden, bleiben aber dennoch wichtig.
    KA, Dr. W ist ja nicht umfassend informiert, Ebola ist eher eine Sache, die auf den Verzehr von sog. Bush-Meat zurueckzufuehren ist?
    Sie schreiben sehr strukturiert, sehr schoen, viel mehr wollte Dr. W kommentarisch gar nicht loswerden.

    MFG
    Wb

  5. #8 Axel
    Köln
    27. Juni 2019

    Vielen Dank für den interessanten Artikel!
    Beim lesen erinnerte ich mich, dass ich mal den Roman “The Andromeda Strain” von Michael Crichton vor gefühlten hundert Jahren gelesen habe.
    In dem sagt einer der Protagonisten -sinngemäß- dass es bei der Mutationsrate von Viren, eigentlich ein Wunder ist, dass nicht ständig neue Pandemien ausbrechen.
    Wenn das denn stimmt
    (ist schließlich nur ein Roman, wenn auch ein gut recherchierter 🙂 Im Gegensatz zu anderen Romanen vom gleichen Autor “Welt in Angst”=Leugnung des Klimawandels. Aber das nur so am Rande ;))
    scheint unser Immunsystem mit den natürlich auftretenden Viren in den meisten Fällen ganz gut klar zu kommen. Auch wenn der Influenza-Virus jedes Jahr immer noch für ca. 30.000 Todesfälle in Deutschland verantwortlich ist.
    Was mir mehr Sorgen macht, sind die zu erwartenden “künstlichen” Viren. Gerade im Zusammenhang mit Crispr/Cas9 sind IMHO noch interessante Dinge zu erwarten. Im Guten wie im Schlechten. Auch wenn ich noch immer nicht mit einer Zombieapokalyse rechne 😉

    Vielen Dank noch mal und schöne Grüße 🙂

    Axel

  6. #9 Hobbes
    28. Juni 2019

    Guter Artikel.
    Auch den Aufruf an open science Konzepten kann ich, speziell für alles mit Informatik und Big Data, nur unterstützen.

    Ich habe noch eine Frage zu der vielleicht jemand näheres weiß.
    Wie sieht es eigentlich mit der genetischen Vielfalt bei Menschen aus? Einerseits hat die (im Tierreich wohl einzigartig) starke Durchmischung ja zu unglaublicher genetischer Vielfalt geführt, andererseits aber auch extreme Abweichungen für separierte Gruppen verindert. Sind wir epidemologisch eher anfälliger für einen Virus mit 100% mortalitätsrate oder werden es immer nur maximal 99,99…% sein? Wir hatten ja ewig keine “Bottlenecks” mehr in unserer Evolution. Was im Tierreich ja meistens der Grund für krankheitsbedingtes Massensterben ist.
    Und wie wichtig ist genetische Vielfalt eigentlich gegen diese “Supererreger”. Bestimmte Systeme sind ja bei allen Menschen so gleich, dass ein Angriff auf diese ja nie großartig anders abläuft. (Das HI Virus zum Beispiel)