Für ein solches Reaktions-Diffusions Modell brauch wir zwei chemische Substanzen, die Turing als Morphogene bezeichnet: Die eine Substanz ist ein Aktivator, der ab einer bestimmten Konzentration die Produktion von Melanin anregt. Der Aktivator ist außerdem autokatalytisch, das heißt, er regt auch die eigene Produktion an. Und der Aktivator breitet sich nur langsam aus. Die andere Substanz ist ein Inhibitor, der die Produktion des Aktivators unterdrückt. Der Inhibitor breitet sich schnell und langreichweitig aus. Der Aktivator ist stärker fördernd, als der Inhibitor hemmend ist. Wie sich diese beiden Substanzen nun im Körper ausbreiten und miteinander interagieren, lässt sich mathematisch durch eine partielle Differentialgleichung darstellen (bestehend aus zwei Gleichungen: eine für den Aktivator und eine für den Inhibitor). Ein ganz wichtiger Bestandteil dieser Gleichung ist der Parameter für die Diffusion. Ohne Diffusion ist das System homogen, mit Diffusion formt es räumliche Muster, wie zum Beispiel Streifen: an den Stellen mit einer hoher Konzentration an Aktivatorsubstanz wird Melanin gebildet, das Fell wird schwarz.
Turing bewies, dass dieses einfache System eine Vielzahl von Mustern hervorbringen kann. Also nicht nur die Streifen des Zebras, sondern zum Beispiel auch die Flecken der Giraffe. Welches Muster konkret entsteht, hängt von vielen unterschiedlichen Faktoren ab. Zum Beispiel von der Größe und Geometrie des Fells, aber auch von der Dauer der Embryonalentwicklung und dem Zeitpunkt der Musterbildung. Bei der Giraffe zum Beispiel findet die Musterbildung recht früh statt; die Flecken wachsen entsprechend mit. Dalmatinerflecken hingegen sind eher klein, weil die Musterbildung eher später stattfindet. Das Modell erklärt sogar, wieso der Körper des Geparden fleckig, der Schwanz jedoch gestreift ist. Mehr noch, das Prinzip von Konzentrationsgradienten erklärt noch viele weitere natürliche Muster über die Fellfärbung hinaus: Von der Anordnung der Sonnenblumenkerne bishin zur links-rechts Symmetrie unseres Körpers. Turings Arbeit war damit ein Meilenstein der Entwicklungsbiologie
Wozu eigentlich Streifen?
Bleibt noch die Frage, wozu Zebrastreifen eigentlich gut sind (außer um die Straße zu überqueren ;)). Dazu gab es über die Jahre die verschiedensten Theorien, von Tarnung über Kühlung bis zur Insektenabwehr. Die Theorie vom kühlenden Effekt der Zebrastreifen ist bereits widerlegt. Sehr wahrscheinlich ist hingegen die Funktion bei der Insektenabwehr. Die Streifen der Zebras reflektieren das Licht so, dass die Insekten ihre Flugbahn nicht kontrolliert abbremsen können, gegen den Zebrakörper prallen und wieder weg fliegen.
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