Das Nanoversum … unendliche Weiten …

Ich melde mich von meinem Schottlandurlaub zurück und was soll ich sagen? Großartiges Land, herrliche Landschaft.
Zum Abschluss sind wir auch ein Stück durch England gefahren. Sehr faszinierend fand ich dabei das York Minster, die größte mittelalterliche Kathedrale im Vereinigten Königreich. Anders als ähnliche Gebäude, die ich in Deutschland oder Frankreich besuchen konnte, fließen in York viele moderne bzw. aktuelle Dinge ein, sodass diese Kirche nicht den Anschein eines Museums macht, sondern ein lebendiger Ort innerhalb der Gesellschaft ist.

Mein liebstes Beispiel:
Man schlendert an jahrhundertealten Gebilden vorbei, betrachtet das Gewölbe und entdeckt plötzlich ein von einem Kind gemalten Astronauten, der sich die Decke mit vielen mittelalterlichen Motiven teilt.

IMG_8732[York Minster. South transept, roof bosses ]

Mitten in der Kirche steht auch ein großes, metallenes “Ei” ,welches sich als Auskunftsstelle über die aktuellen Restaurierungsarbeiten entpuppt – so eine ‘offensive’ Informationsarbeit war mir auch neu, aber dadurch erhält man die Chance, die originalen Mosaike aus den alten Fenstern aus nächster Nähe zu betrachten.
Wenn man sich überlegt, wie schnell heutige Werbebanner, Spielsachen oder Gartenmöbel ausbleichen, ist es noch bemerkenswerter wie strahlend bunt diese Scheiben nach Jahrhunderten immer noch sind.

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[York Minster. Links: West window. Rechts: The Mighty Angel and the Seven Thunders]

Und an dieser Stelle schlage ich den Bogen zurück zu den Nanomaterialien, denn eine Methode, um Glas zu färben, verwendet Nano-Gold (kolloidale Färbung).

Rotes Gold
Die erfolglose Suche der Alchimisten nach dem Stein der Weisen ist allseits bekannt, doch führten ihre Versuche häufig zur Entdeckung anderer durchaus brauchbarer Materialien: unter anderem eben auch kolloidales Gold, das als Nano-Farbpigment verwendet werden kann – auch als Goldpurpur bekannt (erstmal beschrieben im 17. Jhd.).
Die Beobachtung ist, dass das eigentlich goldene Metall als winzige Nano-Partikel rot erscheint (als etwas größere Partikel auch blau).

Betrachtet man die Nano-Partikel (oder auch Nano-Cluster), so bestehen diese jeweils aus wenigen tausend oder sogar nur aus vereinzelten Atomen. Diese Winzlinge sind ‘eigentlich’ zu klein, um mit normalen Licht erfasst zu werden. Denn wie sich einige noch aus ihrem Biologieunterricht mit Mikroskopen erinnern können, kann Licht nur Strukturen auflösen, die mindestens so groß sind wie die verwendete Lichtwellenlänge.
Die Interaktion zwischen Partikel und Lichtwelle muss also anders funktionieren.

Elektronen-Schaukel
Den erwähnten Goldpurpur kann man sich am ehesten als eine Emulsion winziger homogener Goldtröpfchen vorstellen, die zwischen 2 und 100 Nanometern groß sind. Jedes dieser Tröpfchen oder Partikel besteht dabei aus trägen Goldatomrümpfen und den beweglichen Elektronen. Anders als bei ‘makroskopischen’ Metallen sind diese Elektronen durch ihren Heim-Partikel räumlich stark begrenzt und können nicht einfach abfließen, wenn ein äußeres Feld angelegt wird. Die Partikel sind sehr klein, sodass sie auch auf kleine elektromagnetische Felder, wie sichtbares Licht, reagieren.

Abhängig von der Größe des Partikels und der elementabhängien Bindung der Leitungselektronen zu den Atomrümpfen bringt eine bestimmte Wellenlänge die Elektronenwolke zum Schwingen (“Plasmon”), da sie versuchen der Feldänderung zu folgen.

Man stelle sich eine Schaukel vor, die nur bei richtig getaktetem Anschwung ordentlich mitschwingt.

Im Material werden nun alle Partikel zum Schwingen angeregt und sind in Resonanz. Die benötigte Energie hierfür wird entsprechend aus der Resonanzwelle absorbiert – man erkennt dies als Änderung der Farbe.

Anregung der Plasmonen durch Licht.
[Anregung der Plasmonen durch Licht.]

Dieser Farbeffekt gilt natürlich nicht nur für Gold, sondern für alle Metallnanopartikel mit Elektronenwolken. Und das Schöne an dieser Farbe ist, dass solange die Partikel erhalten bleiben (z.B. eingeschmolzen im Kirchenglas), sie auch ihre Farbqualität erhalten.

Formwandler
Nicht nur die Größe, sondern auch die Form spielt eine Rolle: hierzu ist erst kürzlich wieder eine Arbeit publiziert worden, die die Auswirkung der Form der Partikel – in diesem Fall mit Silber – zeigt.

Haifa 2013, One pot synthesis of multi-plasmonic shapes of silver nanoparticles, Materials Letters, Volume 105, 62–64

 

Auch wenn die damaligen Alchimisten die Zusammenhänge  noch nicht ganz durchblickt haben,
ist das Resultat doch sehr ansehlich. Historisches High Tech trifft es ganz gut, oder?

Kommentare (7)

  1. #1 Eheran
    27. August 2013

    “Wenn man sich überlegt, wie schnell heutige Werbebanner, Spielsachen oder Gartenmöbel ausbleichen, ist es noch bemerkenswerter wie strahlend bunt diese Scheiben nach Jahrhunderten immer noch sind.”

    Glas kann man nicht mit Papier vergleichen, dass mit Farbstoffen bedruckt ist. Das eine ist eine anorganische Matrix mit (Schwer)Metallen, die quasi völlig inert ist und auch möglichst ewig dort bleiben soll. Das andere sind harmlose organische Stoffe die der Witterung ausgesetzt sind und nach vergleichsweise kurzer Nutzungsdauer wieder recycelt werden sollen.
    Würde man entsprechende Materialien auf Papier drucken (z.B. Cadmium und Quecksilber, wie im Glas), dann würde das zwar nie verbleichen, dafür wäre es aber problematischer Abfall. Bei den anderen Dingen ist es ähnlich – was wäre das für ein Skandal, wenn dort Schwermetalle entdeckt würden.

    Heute hergestelltes Glas behält seine Farbe übrigens auch “ewig”.

  2. #2 Tomi
    27. August 2013

    Bei “harmlosen organischen Farbstoffen” bin ich kurz ins Grübeln gekommen. Denn bei “organischen Farbstoffen” denke ich als erstes an Azofarbstoffe, und diese würde ich auf jeden Fall nicht als harmlos bezeichnen.
    Auch kann man “Metall” und “organisches Pigment” nicht pauschal trennen: bestes Beispiel ist Kupfer-Phthalocyanin als Cyan-Standard – und Kupfer ist auch ein Schwermetall.

    Ich sehe kolloidale Pigmente nicht als Alternative, sondern finde sie akademisch interessant, weil man ohne die Menge an Material zu ändern, die optischen Eigenschaften dauerhaft einstellen kann.
    Und inert ist doch gut, denn das heißt doch nichts anderes als dass es nicht mit der Umwelt reagiert und chemisch harmlos ist.

  3. #3 Tantal
    27. August 2013

    Goldnanopartikel sind nicht unbedingt inert, sondern werden beispielsweise als Katalysatoren eingesetzt. Allerdings ist das Gold bei den Kirchenfenster so fest in das (tatsächlich ziemlich inerte) Glas verpackt, dass eben nichts mehr damit passieren kann.

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