Das Nanoversum … unendliche Weiten …
Unsere Reise steuerte bereits viele Stationen an: Wir segelten zu kleinen Ufern und brachten Engel zu leuchten. Wir beobachteten, wie sich die Moral unserer Truppen ändert, wenn Plänkler aus dem Pulk ausbrechen, und wie wir mit einem äußeren Feld ganze Legionen ausrichten können.
Heute wird weiter gesteuert. Genauer geht es um schaltbare Materialien.
Dabei meine ich keine Flüssigkristalle im LCD, bei denen durch das Anlegen einer Spannung Kristalle umgeordnet werden. Es geht um Moleküle, die durch bestimmte äußere Reize “umknicken” und dadurch wirklich zu Schaltern werden.
Auf den Seiten der Kieler Uni findet sich dazu folgendes Bild, das schematisch schaltbare Moleküle darstellt. Die entscheidende steuerbare Stelle ist als Gelenk dargestellt:
Das sind Moleküle, bei denen hauptsächlich die cis-trans-Isomerie ausgenutzt wird: Diese Moleküle besitzen häufig eine Stickstoff-Doppelbindung, die verschiedene geometrische Konfigurationen zulässt, ohne dass das Molekül als solches verändert wird. Durch einen passenden energetischen “Schupps” schaltet das Molekül – z.B. durch Licht mit der richtigen Wellenlänge.
Es gibt eine große Fülle von Effekten, die schaltende Moleküle auslösen können: Farbwechsel, Haftung, elektrische und selbst magnetische Eigenschaften lassen sich schalten. Zum Schalten kann abhängig vom Material Licht, Wärme, aber auch Strom, Spannung oder der PH-Wert verwendet werden. Je nach Kombination von Reiz und Effekt (z.B. Farbwechsel durch Bestrahlung: Photochromie) ergeben sich die verschiedensten Anwedungsmöglichkeiten, auf die ich hier nicht in der vollen Tiefe eingehen kann. Ich möchte zwei Anwedungsbeispiele angeben: zum einen Anwedungen, bei denen die reine Bewegung der Moleküle ausgenutzt wird, und zum anderen eine Möglichkeit, die elektrische Leitfähigkeit zu schalten. Als Reiz soll in beiden Fällen Licht dienen.
Nanolaufband und -ventile
Bei diesen mechanischen Anwedungen werden die Moleküle auf einer Oberfläche angebracht (siehe B im ersten Bild).
In diesem ersten Beispiel haben wir eine Membran, die aus Nanokapillaren besteht, die mit schaltbaren Molekülen gefüllt sind. Durch Licht mit passender Wellenlänge richten sich die Moleküle auf bzw. ab und können so den Kapillardurchmesser verändern. Mögliche Anwendungen wären Atom-Filter oder Ventile, die lichtgesteuert verschiedene Medien durchlassen können.
Das nächste Beispiel geht schon in Richtung “Nanomaschine”. Im Gegensatz zum vorherigen Beispiel werden die schaltbaren Moleküle so an einer Oberfläche befestigt, dass sie alle gleich angeordnet sind. Unter Licht klappen sie somit alle in die gleich Richtung ab und wieder hoch. Dadurch wird es möglich durch geschicktes Beleuchten, eine geordnete Bewegung zu erzeugen, die mich an die Funktion der Lungenhärchen erinnern – nämlich den Transport von Partikeln.
Elektro-Optischer Nanoschalter
Bei dieser Anwendung werden modifizierte schaltbare Azobenzol-Moleküle in ein Trägermaterial aus Teflon eingebettet (siehe C im ersten Bild). Zusätzlich werden noch Gold-Nanocluster als “Elektronenstationen” benötigt. Der beobachtete Effekt ist, dass durch Bestrahlung die Leitfähigkeit des Materials ein- und ausgeschaltet werden kann.
Der Mechanismus ist im folgenden Bild skizziert: Durch UV (360 nm) bzw. blaues Bild (460 nm) wird das Molekül geschaltet und verbindet damit die metallischen Nanocluster.
Damit der Mechanismus im Komposit auch funktioniert, muss die Mischung der Einkomponenten stimmen. In diesem Fall besteht die Trägermatrix grob aus einem Teil schaltbare Moleküle auf zwei Teile Teflon. Das Verhältnis von Nanocluster zu Matrix ist in Größenordnung von 1:10 (abhängig von der Größe und dem Material der Nanocluster).
Eine weitere Herausforderung steht darin, die schaltbaren Moleküle innerhalb des Teflon auszurichten. Dazu werden verschiedene Verfahren verwendet, wie z.B. die Abscheidung auf einer mechanisch gespannten Oberfläche oder in einem elektrischen Feld.
Am Ende erhält man ein Material, in dem die einzelnen Komponeten in der isolierenden Stellung grade von einander getrennt sind.
Um sich bei diesen Materialien Gedanken über mögliche Anwendungen machen zu können, muss man wissen, dass die Leitfähigkeit in der Trans-Stellung in der Größenordnung von Mikro Siemens liegt. Das liegt daran, dass die Leitfähigkeit durch Tunneleffekte erzielt werden. Das Material ist somit nicht für große Flächen gedacht, sondern könnte eher in Richtung Mikrokondensatoren oder -sensoren eingesetzt zu werden.
Abschließend ein TEM-Bild des Funktionsmaterials (Quelle: nanotechweb.org). Zu erkennen sind die dunklen Gold-Nanocluster in der hellen Polymer Matrix (Teflon oder Azobenzol lassen sich in diesem Fall nicht auflösen).
Wie man sich vorstellen kann, ist die Herstellung dieser Nanomultikomposite überaus kompliziert. Aber dafür ist es möglich, hochspezialisierte Systeme zu bauen. Hinterlasst mir einen Kommentar, wenn euch ein Aspekt interessiert, auf den ich hier nicht eingegangen bin.
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Quellen:
Verlinkte Bilder
– Sonderforschungsbereich 677 – Funktion durch Schalten (SFB677), Universität Kiel
– nanotechweb.org: Lab Talk Jan 5, 2011, Metal-polymer composite offers light-controlled conductance switching
Cis-Trans Mechanismus:
– H. Rau (1973) Angewandte Chemie, 85(6), 248-258
– Y.-Q. Shen, H. Rau (1991) Macromolecules, 192, 945-957
– E. W.-G. Diau (2004) Journal of Physical Chemistry A, 108, 950-956
Photochromie
– Pakula et al (2010) Journal of Materials Science, 46, 8, 2488-2494
Elektro-optische Funktionsmaterialien
– Pakula et al (2010). Reversible light-controlled conductance switching of azobenzene-based metal/polymer nanocomposites Nanotechnology, 21 (46) DOI: 10.1088/0957-4484/21/46/465201
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