Das Nanoversum … unendliche Weiten …
Nachdem wir uns bislang hauptsächlich mit Basics befasst haben, also wie sehen Nano-Materialien aus und wie unterscheiden sie sich von großen Materialien, werde ich nun in den folgenden Beiträgen das große Fass Nanosilber aufmachen.
Das Thema ist so umfangreich, dass ich es in mehrere Beiträge aufteilen und mich auf antimikrobiell (insbesondere antibakteriell) genutztes Nanosilber beschränken werde.
Den Anfang bildet heute der Überblick über das Thema Nanosilber. Dabei werde ich einige Themen lediglich anreißen und sie dafür in den nachfolgenden Beiträgen diskutieren, um den Rahmen nicht zu sprengen. Konkrete Themen dieser Beiträge werden moderne Herstellungsverfahren sein und eine Anwendung, wie Silber als Nano-Komposit-Beschichtung im medizinischen Bereich als selektiver Bakterienjäger eingesetzt werden kann. Der abschließende Beitrag der Nanoversum 101 Serie bildet eine kritische Diskussion über die Gefahren von Nanopartikeln.
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Nach einer Einführung geht es heute um folgende Fragen:
Was ist Nanosilber?
Wie wirkt Nanosilber?
Warum sollte man Nano in medizinischen Anwendungen verwenden wollen?
Warum sollte Nanosilber nicht einfach überall eingesetzt werden?
Nanosilber beherrscht wie kein anderes Material das Nanoversum. Nennenswerte Eigenschaften sind die antimikrobielle Wirkung, aber auch elektrische Leitfähigkeit und Wärmeleitfähigkeit, optische Effekte oder katalytische Aktivität. Die Eigenschaften hängen, wie ich schon zuvor erklärte stark von Größe und Form der Cluster ab und sind nachwievor im Fokus der Forschung.
Aber leider wird mit dem Begriff Nanosilber außerhalb der Wissenschaft sehr viel Unfug getrieben. So ist es schwierig, bei den ganzen auf dem Markt erhältlichen Produkten, den Überblick zu behalten und abzuschätzen, ob wirklich Nanosilber drin ist oder nur draufsteht und ob es in dem Produkt überhaupt funktionieren kann.
Was ist Nanosilber?
Nanosilber sind Cluster (Partikel) aus reinem Silber mit einer Größe zwischen einem und hundert Nanometern. Sie kommen als runde (manchmal auch elliptische) Tröpfchen vor. Durch die Definition von Nanomaterialien werden aber auch dünne Beschichten von Silber als Nanosilber bezeichnet, genauso wie Silberfäden mit einem Durchmesser unter 100 nm.
Hier sieht man das erste Problem, denn obwohl die Eigenschaften von Clustern, Fäden und Beschichtungen offensichtlich unterschiedlich sein werden, werden sie in einem Begriff zusammengefasst. Wenn nichts anderes angegeben ist, spreche ich immer über Silber-Nanocluster, die auch als Kolloidales Silber bekannt sind.
Ich habe in meinen alten Unterlagen gekramt und dieses Bild von einigen meiner Proben gefunden. Bei diesen bunten etwa 1cm² großen Plättchen handelt es sich dabei um Nanosilber, das in Titandioxid eingebettet ist. Die Menge an Silber (und ein paar andere Parameter) habe ich variiert, sodass die Farbe unterschiedlich wirkt. Auf dem rechten Bild ist eine TEM-Aufnahme von Nanoclustern an der Oberfläche einer Probe zu sehen. Die Herstellung dieser Proben erläutere ich beim nächsten Mal.
Wie wirkt Nanosilber?
Für die antimikrobielle Wirkungsweise von Nanosilber wurden verschiedene Mechanismen diskutiert. In den aktuellen Papern ist man sich aber einig, dass nicht die Silber-Cluster direkt antimikrobiell wirken, sondern die Silber-Ionen, die von den Clustern abgegeben werden [4]. Und je nachdem wie die Cluster in das Funktionsmaterial eingebunden sind, kann diese Silberionen-Freigabe beeinflusst werden.
PH-Wert, Schwefelgehalt, Licht etc. beeinflussen das Silber, sodass ich zusammenfassen kann: Wundauflagen mit Silber haben eine gute Chance, dass sie funktionieren, Silberdeo wird nicht funktioniert, Unterwäsche könnte eine Zeit lang klappen – macht aber wenig Sinn, dagegen wird medizinisches Besteck recht gut funktionieren und normales Geschirr mit Nanosilber bestimmt nicht.
Die genauen Mechanismen, auf die ich in einem späteren Beitrag genauer eingehen werde, sind sehr komplex, beruhen aber darauf, dass sich tierische Zellen stark von mikrobiellen Zellen unterscheiden. Ganz entscheidend ist dabei, ob die Zelle einen Zellkern aufweist und wie hoch der Stoffwechsel ist. Bakterien haben z.B. keinen Zellkern und einen vergleichweise hohen Stoffwechsel, was sie anfällig für freie Silberionen machen. So wird es möglich ein Material zu designen, dass antimikrobiell wirkt, aber keinen Effekt auf menschliche Zellen aufweist [4].
Warum sollte man Nano in medizinischen Anwendungen verwenden wollen?
Die moderne Medizin steht in der heutigen Zeit vor der großen Herausforderung, dass ihre wichtigste Waffe gegen Mikroben, die Antibiotika, immer mehr an Wirksamkeit verliert. Ein großer Teil der Forschung ist mit der Entwicklung immer neuer Wirkstoffe beschäftigt. Seit wenigen Jahrzehnten werden Alternativen – wie Nanosilber – erforscht, Infektionen zu versorgen oder präventiv Bakterienherde zu bekämpfen. Dabei ist Nanosilber nichts Neues, aber die gezielte Herstellung war vergleichsweise teuer.Bereits in der Antike war Silber für seine antimikrobielle Aktivität bekannt, und auch die Wirkung verschiedener Heilschlämme konnte auf den Gehalt von Silberpartikeln zurückgeführt werden.
Durch Fortschritte in der Forschung und günstigere Herstellungskosten konnte in den vergangenen Jahren eine regelgerechte Euphorie festgestellt werden, wodurch Nanosilber in immer mehr Gegenständen des täglichen Gebrauchs auftauchte (egal ob die Anwendung Sinn macht oder nicht). Die prominentesten Beispiele sind dabei Textilien, Sportbekleidung und selbst Teppiche, Waschlotionen oder Farben. Daneben findet sich auch eine wachsende Zahl medizinischer Produkte, die durch ihren Einsatz prophylaktisch Infektionen vorbeugen und so den Gebrauch von Antibiotika verringern sollen. Sie reichen von Desinfektionsbeschichtungen medizinischer Instrumente über silberhaltige Wundauflagen, Katheter bis hin zur Beimischung in Implantate [5].
Warum sollte Nanosilber nicht einfach überall eingesetzt werden?
Durch den starken Gebrauch von Nanosilber entstehen Fragen, inwieweit sein Einsatz auch negative Auswirkungen auf den Menschen und die Umwelt nehmen kann, und wie sehr sich abgegebene Nanomaterialien in Organismen einlagern und so zu langfristigen Schäden führen. Aus diesem Grund ist es wichtig, die entscheidenden Mechanismen der antimikrobiellen Aktivität zu kennen, und so das Silber in Menge, Form und Verteilung bestmöglich an die jeweiligen Anwendungen anzupassen.
Bei der Frage, ob und wie gefährlich Nanosilber ist, gibt es die meisten Diskussionen, Streitigkeiten und Behauptungen. Somit lohnt sich auch hier ein eigener Beitrag. Die momentane Situation ist: der BUND rät von allen Nanosilberprodukten ab. Dagegen differenziert das BfR (Bundesinstitut für Risikobewertung) die Produkte und rät von Produkten ab, die Nanosilber in Kosmetika, Lebensmitteln oder Textilien verwenden – einem Schluss, dem ich durchaus zustimme.
Das heißt nicht, dass das BfR Nanosilber für grundsätzlich gefährlich hält, es geht im Grunde darum, dass es von Produkten abrät, bei denen Nanosilber einfach keinen Sinn macht und so der Einsatz des Materials eine vollkommen unnötige Srteuung in die Umwelt verursacht. Mit der “viel hilft viel”-Mentalität verursacht man mehr Probleme als man löst, denn ein antimikrobielles Material unterscheidet nicht, ob es sich um eine böse oder eine nützliche Mikrobe handelt. Aber die Diskussion führe ich in einem späteren Beitrag.
Das soll es für heute gewesen sein. Die nächsten Beiträge handeln dann von der Herstellung,
der Anwendung und abschließend von den Risiken der Nanomaterialien.
Für Fragen und Anmerkungen hinterlasst mir gerne einen Kommentar.
Bis bald wenn es wieder heißt: Das Nanoversum … unendliche Weiten …
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Weiterführende Links:
Neben meinen eigenen Texten, gibt es auch andere informative Seiten, die Aufklärungsarbeit leisten:
[1] NanoGEM
[2] Netzwerk Nanosilber
[3] nanoTruck – Treffpunkt Nanowelten
Quellen:
[4] Hrkac T et al. (2013). Huge increase of therapeutic window at a bioactive silver/titania nanocomposite coating surface compared to solution Materials Science and Engineering: C, 33 (4), 2367-2375 DOI: 10.1016/j.msec.2013.01.069
[5] Chaloupka K et al. (2010). Nanosilver as a new generation of nanoproduct in biomedical applications Trends in Biotechnology, 28 (11), 580-588 DOI: 10.1016/j.tibtech.2010.07.006
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