Jeder, der sich eine Flasche Mineralwasser (Cola, Softdrink …) aufmacht, kennt das Zischen, wenn die Kohlensäure aus dem Wasser perlt und als Kohlendioxid die Flasche verlässt. Den umgekehrten Effekt muten wir unseren Ozeanen durch die anhaltenden Kohlendioxid-Emissionen zu.

Veränderung des CO2-Budgets. [1]

Ein Viertel des ausgestoßenen Kohlendioxids wird von den Meeren aufgenommen und zum Teil zu Kohlensäure umgewandelt. Das reicht zwar nicht aus, um die Ozeane blubbern zu lassen, aber der veränderte pH-Wert wird in den Weltmeeren messbar.
Die Ozeanversauerung könnte in diesem Jahrhundert um bis zu 170 Prozent ansteigen [1]. Das ist der Schluss des COP19-Treffens in Warschau vom November 2013. Damit kommt dieses in der Öffentlichkeit bislang eher unbekannte Problem zu den großen Themen des Klimawandels hinzu.
Die Frage wird sein: Was passiert durch die Ozeanversauerung?

 

Das GEOMAR geht den Veränderungen in den Ozeanen nach

Prof. Dr. Latif

Mein Beitrag heute ist sehr GEOMAR-lastig. Wer das Institut nicht kennt, kann sich hier einen Eindruck machen. Das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel ist eine der führenden Einrichtungen auf dem Gebiet der Meeresforschung in Europa. Es taucht häufig in den Medien auf, wenn es um Meeres- oder Wetterthemen geht. Besonders der Meteorologe Prof. Latif wird als Experte gern zitiert. Auch die Liste der internationalen Kooperationen ist beachtlich; besonders der Exzellenzcluster “Ozean der Zukunft”  ist dabei zu nennen.
Das GEOMAR ist somit die Quelle, um der Frage auf den Grund zu gehen.

 

Wie weit ist die Forschung?

Dass eine säuerlichere Umgebung einen Effekt hat, zeigt dieses Video, bei dem man den Wissenschaftlern bei ihrer Arbeit auch einmal über die Schulter schauen kann.

Auch wenn ich mich hier hauptsächlich darauf beziehe, dass der zu niedrige pH-Wert Organismen stört, Kalkstrukturen aufzubauen, könnte das Ökosystem auf mehreren Ebenen massiv gestört werden: Lebensraum, Nahrungskette, zum Teil auch die Nahrungsumwandlung [8] kann gestört werden. Es kann noch nicht abgeschätzt werden, wie die verschiedenen Arten – selbst Fische – auf die Veränderungen reagieren werden.
Die Veränderung ist glücklicherweise bislang noch sehr gering, aber auf dem Diagramm ist die Tendenz dennoch erkennbar.

Atmospherisches CO2 in ppm (parts per million) und pH-Wert des Ozean-Oberflächenwassers im zeitlichen Verlauf. Aufnahmeort: Station Aloha, Hawaii, North Pacific [3].

Wenn die weltweiten Emissionen in den nächsten Jahrzehnten weiter zunehmen, wird die Veränderung entsprechend stärker. Aber wie sie sich auswirken wird, kann noch niemand absehen – dafür wissen wir zu wenig über die Ozeane. Das folgende kurze Video zeigt die Sorgen um die Kaltwasserkorallen [4]
(Warum grad diese? Korallen bilden ein sehr empfindliches Ökosystem und die Kohlendioxidanreicherung ist in kaltem Wasser höher als in warmen).

 

Darwin nicht vergessen!

Es könnte aber auch anders kommen, wie eine aktuelle Pressemitteilung des GEOMAR [2] berichtet. Der Titel sagt eigentlich schon alles: Darwin nicht vergessen! Evolutionäre Anpassung könnte die Reaktionen verschiedener Meereslebewesen auf Ozeanversauerung verändern.

Es gibt keinen Zweifel an der Versauerung, diese ist an den effektiven, globalen Kohlendioxidausstoß gekoppelt, aber die Hoffnung ist, dass sich ein großer Teil der Arten anpassen werden, wobei aber “Anpassung” in diesem Zusammenhang nur die halbe Wahrheit ist. Die andere Hälfte ist “Akklimatisierung”, wie in der Mitteilung aus der Evolutionsbiologie zu lesen ist:

Um in einer neuen Umgebung zu überleben, können sich Tiere und Pflanzen akklimatisieren oder anpassen. „Akklimatisierung“ bezeichnet Veränderungen in Physiologie, Morphologie oder Verhalten, die nicht in den genetischen Code eingehen.
„Anpassung“ umfasst vererbbare genetische Modifikationen, die die Chance der Nachkommen erhöhen, neue Lebensumstände zu verkraften.

Emiliania huxleyi-Zellen [2]

Das internationale Team geht der Frage nach, wie die Organismen auf die Veränderungen reagieren werden [7]. Der Ansatz ist, dass Experimente und Untersuchungen – wie sie im ersten Video zu sehen waren – mehrere Generationen der Organismen übergreifen müssen. Nur durch solche Evolutionsexperimente könne eingeschätzt werden, ob evolutionäre Reaktionen stattfinden. Das geht natürlich nur mit Arten, die sich relativ schnell vermehren (auf dem Bild rechts seht ihr eine Elektronenmikroskop-Aufnahme einer Kalkalge, die für erste Untersuchungen sehr gut geeignet ist). “Eines der auffälligsten Ergebnisse aus den Laborversuchen war, dass kalkbildende Algen, deren Wachstum und Karbonat-Produktion zunächst unter Ozeanversauerung leidet, ihre Funktionen via Evolution teilweise wieder herstellen können.”

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