Das Nanoversum … unendliche Weiten …
Wie werden Nanomaterialien hergestellt?
Mit dieser Frage beschäftige ich mich heute wieder.
Das Stichwort ist dieses Mal: Plasmaabscheidung.
Das klingt für Nichteingeweihte wie eine Floskel aus Star Trek,
aber im Grunde ist es eine Art Billard … ein winzig kleines Billard.
Aber am Anfang steht die Plasmakugel.
Eine Plasmakugel haben die meisten bestimmt schon freudig in den Händen gehalten. Sie ist mit Argon gefüllt, ein Edelgas wie Neon oder Xenon, das knapp 0,9% unserer Atmosphäre ausmacht. Die Gewinnung ist entsprechend günstig, sodass es in vielen Bereichen Anwendung findet. Die Erzeugung der Ionen lässt sich z.B. mit einer Heizkathode realisieren – ähnlich einer Glühwendel einer klassischen Glühbirne. Das Ergebnis ein vollkommen unbedenkliches, violett leuchtendes Plasma für den Schreibtisch.
Wenn man aber die Energie des Plasmas erhöht und den Strahl fokussiert, dann erhält man ein ganz anderes Spielzeug:
Mit einem richtig eingestellten Plasma kann man alles mit allem beschichten oder vermengen.
Ganz konkret können wir Nanosilber in Keramiken einbetten. Damit erzeugen wir ein Funktionsmaterial, das Silber für medizinische Anwendungen bereitstellen kann. (Auf die Wirkungsweise werde ich das nächste Mal genau eingehen.)
Atomic Billard: Wie kann man ein Plasma für eine Abscheidung ausnutzen?
–> Ein Plasma ist ein Ionen-Gas.
–> Ionen sind geladene Teilchen und
–> geladene Teilchen werden von elektromagnetischen Feldern beschleunigt.
Und so kommen wir zum Billard-Spiel:
Wenn wir die Ionen in einem Vakuum gezielt mit Hochspannung auf ein bestimmtes Ziel beschleunigen, ist es möglich, dass sie andere Atome aus einem Gefüge heraus schlagen. Die Uni Essen hat dazu eine nette Grafik erstellt, die das Prinzip sehr schön veranschaulicht:
Das rote, anfliegende Teilchen ist ein Argon-Ion, das Gefüge ist ein Silberkristall.
In der Animation ist zu erkennen, wie die Silberatome weggesprengt werden. Da der Ablauf mit inelastischen Stößen beschrieben werden kann, passt der Billard-Vergleich recht gut.
Platziert man nun noch einen Gegenstand in den Strahl der weggesprengten Atome, so lagern sich die Atome an der Oberfläche an und beschichten sie – in diesem Fall würde man eine Silberbeschichtung erzielen.
Im Prinzip kann man mit dieser Methode jedes Material zerstäuben und auf einer Oberfläche abscheiden: Gold, Chrom, Kupfer, Keramiken und selbst Plastiken wie Teflon oder PE.
Hierfür muss man das Plasma optimal lenken und auf dem zu zerstäubenden Material (Target) stabilisieren können. Das Zusammenspiel von Beschleunigungsspannungen, Magnetfeldern und Gasflüssen ist entscheidend und sehr komplex, aber dafür erhält man mit der Methode die Möglichkeit, Beschichtungen atomlagengenau aufzubauen.
Und wofür soll das gut sein?
Um einige technische Begriffe ins Spiel zu bringen: Die vorgestellte Plasmaabscheidung wird durch die Verwendung von Magnetfeldern als Magnetron Sputtern bezeichnet und gehört zu den PVD Methoden (Physical Vapour Deposition). Allgemein sagt man: Schichten werden gesputtert.
Sputtern wird in der Industrie genutzt, um z.B.
– Bohrer zu härten (TiN),
– Antireflexschichten auf optische Linsen zu bringen
– Metalllagen auf Mikrochips abzuscheiden
– Displays mit einem Kratzschutz zu versiegeln
Beispiele, die jeder indirekt aus der Wissenschaft kennt, sind die Bilder vom Rasterelektronenmikroskop.
Die Oberfläche eines Gegenstandes lässt sich nur scannen, wenn sie leitend ist. Und das wird üblicherweise mit einer wenige Atomlagen dünnen Schicht Gold-Palladium erzielt, die aufgesputtert wird.
Nanosilber im Keramikschwamm
Nach so viel Theorie kommen wir wieder zurück zur Nanotechnik.
Mit Magnetfeldern und Plasma können wir also beliebige Materialien auf Oberflächen deponieren. Im Labor sieht das dann ungefähr so aus:
Das ist die Prozesskammer, die ich damals benutzt habe. Überall können Gerätschaften angebracht und umgebaut werden, um die Experimente schnell anpassen zu können. So können auch mehrere Magnetrons gleichzeitig benutzt werden, um Multilagen zu erzeugen. Hier eine Grafik:
In diesem Fall spricht man von Co-Sputtern. Rechts ist die Prozesskammer dargestellt, oben sind zwei Magnetrons angebracht, mittig in der Kammer ein drehbarer Probenhalter; so wird die Probe gleichmäßig mit beiden Materialien beschichtet. In diesem Fall mit Silber und Titandioxid
Titandioxid als Keramik ist nicht mit Silber mischbar, weshalb Silber Tröpfchen auf der Probe bildet, die dann von der Keramik eingeschlossen werden. Dabei entsteht eine Struktur, die einem nassen Schwamm ähnelt.
Im TEM (Transmissionselektronenmikroskop) erkennt man die einzelnen Nanosilber-Cluster als dunkle Flecken, das Titandioxid ist dagegen nicht sichtbar. Sie sind gleichmäßig verteilt und wenige Nanometer groß. Nur an der Oberfläche können sie zu etwas größeren Clustern wachsen, da sie hier nicht von der Titandioxid-Matrix eingeschlossen werden.
Das bedeutet, dass jeder der kleinen Flecken um die 20 Atome breit ist!
Das TEM bietet aber nicht nur die Möglichkeit, sich Querschnitte anzuschauen. Macht man beispielsweise 281 Aufnahmen, bei denen man die Probe immer ein kleines bisschen kippt, so lassen sich mit “etwas” Aufwand 3D-Simulationen berechnen, die zeigen, wo jedes Atomhäufchen in der Probe liegt:
Das Spannende ist, dass man durch die “Endlosen A’s” (Ausprobieren, Angucken, Annehmen, Ausprobieren, Angucken, …) die Verteilung des Silbers innerhalb der Matrix gezielt einstellen kann: Menge, Größe, Form und Position der Cluster.
Ausblick
Auch wenn das Silber fest in einer stabilen Keramikmatrix eingebettet ist, kann es dennoch durch bestimmte äußere Einflüsse ausdiffundieren und aus der Schicht als Silberionen freigesetzt werden – hauptsächlich durch Feuchtigkeit und Säure.
Die Menge und Geschwindigkeit des freigesetzten Silbers hängt aber primär von der Verteilung innerhalb der Keramik ab; und da wir mit unserem Plasma die Verteilung festlegen können, können wir auch die zeitliche Freigabe des Silbers steuern.
Und diese gezielt gesteuerte Freigabe von Silber ist für viele antimikrobielle Anwendungen von großem Interesse.
Das nächste Mal geht es dann mit die bioaktiven Eigenschaften des Komposits weiter!
Ein Nachteil der Methode ist, dass sie vergleichsweise langsam ist,
aber dafür ist sie sehr genau.
Und bevor einer fragt:
nein, man kann aus einer Plasmakugel kein Magnetron basteln 😉
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Quelle:
Chakravadhanula VS, Kübel C, Hrkac T, Zaporojtchenko V, Strunskus T, Faupel F, & Kienle L (2012). Surface segregation in TiO2-based nanocomposite thin films Nanotechnology, 23 (49) DOI: 10.1088/0957-4484/23/49/495701
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