Das Nanoversum … unendliche Weiten …

Wie werden Nanomaterialien hergestellt?
Mit dieser Frage beschäftige ich mich heute wieder.
Das Stichwort ist dieses Mal: Plasmaabscheidung.

Das klingt für Nichteingeweihte wie eine Floskel aus Star Trek,
aber im Grunde ist es eine Art Billard … ein winzig kleines Billard.
Aber am Anfang steht die Plasmakugel.

Ein Plasma ist ein stark ionisiertes Gas. Das heißt, dass mindestens 20% der Gasatome mindestens ein Elektron abgegeben haben. In diesem Zustand hat das Gas besondere Eigenschaften.

Eine Plasmakugel haben die meisten bestimmt schon freudig in den Händen gehalten. Sie ist mit Argon gefüllt, ein Edelgas wie Neon oder Xenon, das knapp 0,9% unserer Atmosphäre ausmacht. Die Gewinnung ist entsprechend günstig, sodass es in vielen Bereichen Anwendung findet. Die Erzeugung der Ionen lässt sich z.B. mit einer Heizkathode realisieren – ähnlich einer Glühwendel einer klassischen Glühbirne. Das Ergebnis ein vollkommen unbedenkliches, violett leuchtendes Plasma für den Schreibtisch.

Wenn man aber die Energie des Plasmas erhöht und den Strahl fokussiert, dann erhält man ein ganz anderes Spielzeug:

1-IMG_5908

Blick in meine damalige Prozesskammer. Das violette Leuchten oben rechts wird durch ein Argon-Plasma erzeugt, das grade eine 5mm dicke Silberplatte atomisiert.

Mit einem richtig eingestellten Plasma kann man alles mit allem beschichten oder vermengen.
Ganz konkret können wir Nanosilber in Keramiken einbetten. Damit erzeugen wir ein Funktionsmaterial, das Silber für medizinische Anwendungen bereitstellen kann. (Auf die Wirkungsweise werde ich das nächste Mal genau eingehen.)

 

Atomic Billard: Wie kann man ein Plasma für eine Abscheidung ausnutzen?

–> Ein Plasma ist ein Ionen-Gas.
–> Ionen sind geladene Teilchen und
–> geladene Teilchen werden von elektromagnetischen Feldern beschleunigt.

Und so kommen wir zum Billard-Spiel:
Wenn wir die Ionen in einem Vakuum gezielt mit Hochspannung auf ein bestimmtes Ziel beschleunigen, ist es möglich, dass sie andere Atome aus einem Gefüge heraus schlagen. Die Uni Essen hat dazu eine nette Grafik erstellt, die das Prinzip sehr schön veranschaulicht:

Ion Sputtering of Solid Surfaces. Rot: Argon-Ion.
Andere Farben: Silberatome in verschiedenen Schichten.

Das rote, anfliegende Teilchen ist ein Argon-Ion, das Gefüge ist ein Silberkristall.
In der Animation ist zu erkennen, wie die Silberatome weggesprengt werden. Da der Ablauf mit inelastischen Stößen beschrieben werden kann, passt der Billard-Vergleich recht gut.
Platziert man nun noch einen Gegenstand in den Strahl der weggesprengten Atome, so lagern sich die Atome an der Oberfläche an und beschichten sie – in diesem Fall würde man eine Silberbeschichtung erzielen.

Im Prinzip kann man mit dieser Methode jedes Material zerstäuben und auf einer Oberfläche abscheiden: Gold, Chrom, Kupfer, Keramiken und selbst Plastiken wie Teflon oder PE.
Hierfür muss man das Plasma optimal lenken und auf dem zu zerstäubenden Material (Target) stabilisieren können. Das Zusammenspiel von Beschleunigungsspannungen, Magnetfeldern und Gasflüssen ist entscheidend und sehr komplex, aber dafür erhält man mit der Methode die Möglichkeit, Beschichtungen atomlagengenau aufzubauen.

Und wofür soll das gut sein?

Um einige technische Begriffe ins Spiel zu bringen: Die vorgestellte Plasmaabscheidung wird durch die Verwendung von Magnetfeldern als Magnetron Sputtern bezeichnet und gehört zu den PVD Methoden (Physical Vapour Deposition). Allgemein sagt man: Schichten werden gesputtert.

Sputtern wird in der Industrie genutzt, um z.B.
– Bohrer zu härten (TiN),
– Antireflexschichten auf optische Linsen zu bringen
– Metalllagen auf Mikrochips abzuscheiden
– Displays mit einem Kratzschutz zu versiegeln

Beispiele, die jeder indirekt aus der Wissenschaft kennt, sind die Bilder vom Rasterelektronenmikroskop.
Die Oberfläche eines Gegenstandes lässt sich nur scannen, wenn sie leitend ist. Und das wird üblicherweise mit einer wenige Atomlagen dünnen Schicht Gold-Palladium erzielt, die aufgesputtert wird.

Nanosilber im Keramikschwamm

Nach so viel Theorie kommen wir wieder zurück zur Nanotechnik.
Mit Magnetfeldern und Plasma können wir also beliebige Materialien auf Oberflächen deponieren. Im Labor sieht das dann ungefähr so aus:

kammer

Das ist die Prozesskammer, die ich damals benutzt habe. Überall können Gerätschaften angebracht und umgebaut werden, um die Experimente schnell anpassen zu können. So können auch mehrere Magnetrons gleichzeitig benutzt werden, um Multilagen zu erzeugen. Hier eine Grafik:
co-sputterIn diesem Fall spricht man von Co-Sputtern. Rechts ist die Prozesskammer dargestellt, oben sind zwei Magnetrons angebracht, mittig in der Kammer ein drehbarer Probenhalter; so wird die Probe gleichmäßig mit beiden Materialien beschichtet. In diesem Fall mit Silber und Titandioxid

1-IMG_5913

Titandioxid als Keramik ist nicht mit Silber mischbar, weshalb Silber Tröpfchen auf der Probe bildet, die dann von der Keramik eingeschlossen werden. Dabei entsteht eine Struktur, die einem nassen Schwamm ähnelt.
tem
Im TEM (Transmissionselektronenmikroskop) erkennt man die einzelnen Nanosilber-Cluster als dunkle Flecken, das Titandioxid ist dagegen nicht sichtbar. Sie sind gleichmäßig verteilt und wenige Nanometer groß. Nur an der Oberfläche können sie zu etwas größeren Clustern wachsen, da sie hier nicht von der Titandioxid-Matrix eingeschlossen werden.
Das bedeutet, dass jeder der kleinen Flecken um die 20 Atome breit ist!

Das TEM bietet aber nicht nur die Möglichkeit, sich Querschnitte anzuschauen. Macht man beispielsweise 281 Aufnahmen, bei denen man die Probe immer ein kleines bisschen kippt, so lassen sich mit “etwas” Aufwand 3D-Simulationen berechnen, die zeigen, wo jedes Atomhäufchen in der Probe liegt:

simulation

Das Spannende ist, dass man durch die “Endlosen A’s” (Ausprobieren, Angucken, Annehmen, Ausprobieren, Angucken, …) die Verteilung des Silbers innerhalb der Matrix gezielt einstellen kann: Menge, Größe, Form und Position der Cluster.

Ausblick

Auch wenn das Silber fest in einer stabilen Keramikmatrix eingebettet ist, kann es dennoch durch bestimmte äußere Einflüsse ausdiffundieren und aus der Schicht als Silberionen freigesetzt werden – hauptsächlich durch Feuchtigkeit und Säure.
Die Menge und Geschwindigkeit des freigesetzten Silbers hängt aber primär von der Verteilung innerhalb der Keramik ab; und da wir mit unserem Plasma die Verteilung festlegen können, können wir auch die zeitliche Freigabe des Silbers steuern.

Und diese gezielt gesteuerte Freigabe von Silber ist für viele antimikrobielle Anwendungen von großem Interesse.

Das nächste Mal geht es dann mit die bioaktiven Eigenschaften des Komposits weiter!

 

Ein Nachteil der Methode ist, dass sie vergleichsweise langsam ist,
aber dafür ist sie sehr genau.
Und bevor einer fragt:

nein, man kann aus einer Plasmakugel kein Magnetron basteln 😉

—-
Quelle:

Chakravadhanula VS, Kübel C, Hrkac T, Zaporojtchenko V, Strunskus T, Faupel F, & Kienle L (2012). Surface segregation in TiO2-based nanocomposite thin films Nanotechnology, 23 (49) DOI: 10.1088/0957-4484/23/49/495701

 

ResearchBlogging.org

Kommentare (9)

  1. #1 Eheran
    19. Mai 2014

    Interessant, dass sich da solche “Tröpfchen” bilden statt einer mehr oder weniger homogenen Durchmischung.
    Wie kommt es dazu, dass sich das Silber an bestimmten stellen ansammelt?

    Bezüglich der antibakteriellen Wirkung:
    Der Effekt heißt Oligodynamie.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Oligodynamie

    • #2 Tomi
      19. Mai 2014

      Hi,

      wenn Du ein Gemisch aus Wasser und Öl bildest, erhälst Du einen vergleichbaren Effekt. Ein Wassermolekül sucht sich lieber andere Wassermoleküle und bildet einen Tropfen – was im Endeffekt nichts anderes bedeutet, als dass das Wasser versucht, seine Oberfläche gegenüber dem Öl zu verringern. Im günstigsten Fall würde sich das Wasser komplett vom Öl trennen.

      Ähnlich ist das nun auch bei dem vorgestellten Komposit.
      Beide Materialien werden gleichzeitig und gleichmäßig abgeschieden. Aber sobald sie auf der Probe landen, versuchen sie gleiche Partner zu finden. Dabei Silber ist dabei wesentlich mobiler, sodass es so aussieht, als würde man mit einer Sprühflasche Wasser auf eine Glasscheibe geben: Hauchfeine Tröpfchen kommen auf der Scheibe an und sammeln sich zu größeren Tropfen.
      Gestoppt wird dieser Vorgang nur, weil die ganze Zeit auch das andere Material abgeschieden wird, dass die Tröpfen nach kurzer Zeit immobil einschließt. –> Das bedeutet natürlich auch, dass die Silbertröpfchen größer werden, wenn ich die Abscheidung langsamer mache (da dann die Tröpfchen mehr Zeit haben mit anderen Tröpfchen zusammenzuwachsen). Deswegen sind, wie ich oben beschrieb, die Tröpfchen an der Oberfläche auch größer als im Inneren.

      Ich hoffe, das beantwortet die Frage, ansonsten gehe ich gerne nochmal genauer darauf ein.

      Was die antimikrobielle Wirkung von Silber angeht, werde ich dazu noch einen eigenen Artikel schreiben. Ich habe dazu bereits ein Paper geschrieben, dass ich gerne vorstellen möchte. Insbesondere weil viele Studien zum Thema Nanosilber schlichtweg falsch sind!
      Man sieht es auch wieder in dem erwähnten Wikipedia-Artikel, denn wer für in vitro Versuche eine kolloidale Silberlösung verwendet, um damit auf das Verhalten von in Verbrauchsstrukturen eingebettetes Nanopartikeln zu schließen, hat keine Ahnung, was er da treibt.

  2. #3 Eheran
    19. Mai 2014

    “Dabei Silber ist dabei wesentlich mobiler”
    Derartig mobil ist das – mehrere nm Verschiebung?
    Wie hoch ist die Substrattemperatur dann?
    Ich hatte eher an etwas kühleres gedacht und würde mich dann auch weiter über diese Mobilität wundern. Wenn ihr aber natürlich bei mehreren 100°C arbeitet, dann würde es den Effekt erklären. Ansonsten wird das wohl an der bevorzugten Kristallwachstumsrichtung liegen, welche sich erst ab bestimmten Dicke merklich abzeichnet.

    Deine Vergleiche mit Wasser/Öl bzw. Wasser/Glas finde ich nicht passend, dabei geht es um die Hydro(phil/phob)ität. Die spielt hier aber keine Rolle.

    • #4 Tomi
      19. Mai 2014

      Hi,

      die Substrattemperatur kann mit etwa 60°C bis 100°C angenommen werden. In diesem Bereich können Silber- oder auch Gold-Nanopartikel, die kleiner als 2nm groß sind, durchaus als flüssig beschrieben werden. Es sind aber nicht diese Cluster die wandern, sondern Einatome oder Cluster von wenigen 10 Atomen, sodass eine Wanderung von mehreren nm zum nächsten Wachstumskeim möglich sind.

      Hydrophil bzw. -phob spielt sogar ein große Rolle, da sie Ausdruck der Oberflächen- und Grenzflächenenergien sind. Sie entscheiden darüber, ob sich im Komposit ein Lagenwachstum bildet, die Komponenten Tröpfchen bilden oder sich sogar ein Peeling-Effekt einstellt.

  3. #5 Eheran
    19. Mai 2014

    Interessant, vielen Dank 🙂

  4. #6 Nele
    20. Mai 2014

    *Schauder*

    “Plasmakugel”. Bitte, bitte, bitte “Plasmakugel”. Oder mindestens “Plasma-Kugel”….

  5. […] Plasma-Herstellungsverfahren: Von der Plasma Kugel zum Nanosilber im Keramikschwamm […]

  6. #8 michanya
    9. Oktober 2016

    …von NANO zur PICCOstruktur – dann wirds auch PICCOBELLO sauber …

    einfach ganz REIN – [x]

    • #9 Tomi
      9. Oktober 2016

      Danke für den Kommentar.
      Der Werbehinweis wurde dennoch entfernt.
      Ich habe kein Problem damit, wenn auf andere Seiten verwiesen wird oder
      wenn die Kommentare etwas schräg sind, aber beides ist dann doch etwas viel des Guten.