Heute sind Wahlen in Hamburg. Und eines der Themen ist die “Industrie 4.0” oder auch “die vierte industrielle Revolution”. Damit ist die Anwendung des “Internet der Dinge” auf industrielle Prozesse gemeint, wie sie aus dem “Web 3.0” abgeleitet werden können… Oje oje, so viele schräge Begriffe…
Das schreit geradezu nach einer neuen Serie. Und wie könnte ich diese Serie besser starten als mit einer Grundsteinlegung im Rahmen der Industrie 4.0.
Unsere Welt wird immer intelligenter – oder “smarter” wie es im Neusprech korrekt heißt. Dabei ist es das Ziel, dass Abläufe um uns herum automatisiert und selbstkontrolliert ablaufen, indem die beteiligten Komponenten und “Dinge” miteinander und ohne Zutun von Menschen kommunizieren.
Das Paradeprojekt ist dabei das autark fahrende Auto, das während der Fahrt mit Schildern und anderen Fahrzeugen kommuniziert, um so Unfälle oder Staus zu vermeiden. Zusammengefasst wird dies alles unter der Überschrift “das Internet der Dinge” (auch “Internet Of Things” oder “IOT”). In meinen nächsten Beiträgen beleuchte ich die Funktionsweise, gehe auf konkrete Beispiele ein und stelle den aktuellen Stand der Entwicklung vor.
Als Einleitung beginnen wir mit der Auswirkung dieser intelligenten Kommunikation auf die heutige Industrie. Aber zuvor werfen wir einen kurzen Blick die bisherigen industriellen Meilensteine, die als “industrielle Revolutionen” betitelt werden.
Die industriellen Revolutionen: Episode 1 bis 3
Die Entwicklung der Dampfmaschine und konkret die Erfindung des mechanischen Webstuhls kann als Start des industriellen Zeitalters angesehen werden. Es konnten mehr Waren mit weniger Aufwand und menschlicher Arbeitskraft in der selber Zeit und damit wesentlich günstiger hergestellt werden. Die Bedeutung für die Wirtschaft war so enorm und die Umstellungen in der bisherigen Infrastruktur so gravierend, dass sich schnell der Begriff der industriellen Revolution durchsetzte. Im Laufe der Zeit wurde dieser Begriff benutzt, um weitere Meilensteine zu markieren.
Die Entwicklung der Fließbandarbeit, die einige vom Ford-T kennen sollten, stellte die Welt wieder auf den Kopf und galt als die zweite industrielle Revolution. So konnte der besagte Ford T knapp zehnmal schneller gebaut werden als ein vergleichbares Auto in einer konventionellen Werkstatt.Es brachte Vielen bezahlbare Massenware und vielen weiteren Arbeitsplätze (über die Arbeitsbedingungen reden wir hier einmal nicht …).
Der Einsatz von Robotern in der Produktion beschreibt die dritte Revolution. Gesundheitsschädliche Arbeiten sowie Prozessschritte, die höchste Präzision erfordern, konnten nun von Automaten übernommen werden. Der eigentliche Einschnitt ist aber eigentlich darin zu sehen, dass die menschliche Arbeitskraft im großen Maße überflüssig und zu teuer wurde. Zwar wurden immer noch viele Arbeitskräfte benötigt, da auf den Menschen nicht komplett verzichtet werden konnte, aber die Industrie war nun eben nicht mehr der große Arbeitgeber.
Die Konsequenz daraus war (plump ausgedrückt), dass viel Produktion aus den großen Industrieländern in billigere Länder abgewandert ist und sich stattdessen die “New Economy” ausbreitete. Lange Zeit galt die Finanzbranche als die Zukunft der Wirtschaft – naja, bis vor einigen Jahren einige Blasen platzten und Märkte zusammenbrachen.
Glücklicherweise ist in Deutschland im Gegensatz zu anderen Ländern die Industrie ein solides Standbein geblieben, sodass trotz wechselhafter Weltwirtschaft der letzten Jahre, die Exporte stabil geblieben ist. Die Industrie (Mittelstand und auch große Firmen) konnten sich halten, was sich nun auszahlt. Und aktuell versucht Deutschland durch das Projekt 4.0 seine Industrie auch in der Zukunft wettbewerbsfähig zu halten.
Schließen wir nun also wieder den Bogen auf die Industrie 4.0
So formuliert es das Bundesministerium für Bildung und Forschung:
“Das Zukunftsprojekt Industrie 4.0 zielt darauf ab, die deutsche Industrie in die Lage zu versetzen, für die Zukunft der Produktion gerüstet zu sein. Industrieproduktion wird gekennzeichnet sein durch starke Individualisierung der Produkte unter den Bedingungen einer hoch flexibilisierten (Großserien-) Produktion, die weitgehende Integration von Kunden und Geschäftspartnern in Geschäfts- und Wertschöpfungsprozesse und die Verkopplung von Produktion und hochwertige Dienstleitungen.”
Was soll uns das sagen?
In der Vergangenheit wurden viele, gleiche Produkte in Massen hergestellt: Es gab den Kühlschrank, das grüne Wählscheibentelefon oder den Golf. Überproduktion war nicht schlimm und wurde gelagert.
Heutzutage muss die Industrie stärker und variabler auf Kleinserien eingehen können und ohne große Lager auskommen: Eine Produktionslinie, die früher ein einzelnes Produkt hergestellt hat, muss nun viele verschiedene Typen parallel herstellen können (z.B. Mobiltelefonen oder Fernsehern), um den Markt immer passend und zeitnah zu beliefern. Um es auf den Punkt zu bringen:
Individualisierte Massenproduktion. Das Produkt sagt der Maschine wie es produziert werden möchte.
Ein Ansatz dafür sind RFID- oder NFC-Lösungen (wer es nicht kennt, keine Sorge, das kommt das nächste Mal). Jeder kennt die Diebstahlsicherungen in Bekleidungsgeschäften. Das sind kleine Chips, die Informationen über die Ware enthalten und wissen, ob sie gekauft wurden und den Laden verlassen dürfen. Diese Chips können aber auch für die Produktion von Waren verwendet werden.
Stellt euch vor, dass ein Auto mit einer bestimmten Ausstattung hergestellt werden soll. Ein RFID-Chip wird mit den Daten beschrieben und auf das Förderband befestigt.
An jeder Position weiß die entsprechende Maschine, welches Produktionsrezept verwendet werden soll und welche Materialien benötigt werden und ob sie grad auf Lager sind oder bestellt werden müssen.
Dieses Prinzip funktioniert natürlich auch für alle anderen Produkte: Fernseher, Handys, aber auch Möbel, bei denen die Fräse weiß, welche Schnörkel auf die Tür sollen.
Diese Chips sollen aber nicht einfach nur Rezepte enthalten, sondern auch mit den Maschinen kommunizieren können: Produktionszeiten mitschreiben, wissen welche Teile verbaut wurden, Störungen erfassen, eiligere Ware vorbeilassen, Service rufen, Verspätungen melden usw. Das Produkt hat quasi sein Tagebuch dabei, sodass selbst ein späterer Kunde den gesamten Produktionsprozess nachvollziehen könnte.
Und an dieser Stelle finden wir den Zusammenhang mit dem Bild von ganz oben ;-), denn nun kommen wir zu einer dieser Firmen, die nicht nur industriell produziert, sondern auch genau diese Chips entwickelt.
NXP Semiconductors ist ein Halbleiterhersteller, der auch ein Werk in Hamburg hat. Neben der Herstellung von Kleinsignalbauteile wie Dioden und Transistoren, kümmert sich NXP auch um Sensoren für den Automobilmarkt oder Sicherheitschips für Personalausweise und Reisepässe.
Auch wenn wahrscheinlich die Wenigsten außerhalb der Halbleiterbranche von NXP gehört haben, werden doch die meisten ihre Produkte für den täglichen Gebrauch bei sich haben; praktisch jedes moderne Smartphone und jedes zehnte Auto ist mit Teilen aus Hamburg ausgestattet.
So hatte die Grundsteinlegung für das neue Gebäude im Hamburger Werk, in dem die Chips für die Industrie 4.0 und das Internet der Dinge entwickelt werden sollen, entsprechend prominente Paten. Bundeswirtschaftsminister Siegmar Gabriel und Bürgermeister Olaf Scholz ließen es sich nicht nehmen, während der Wahlkampftour die Kelle in die Hand zu nehmen und etwas Mörtel zu verteilen.
Es gibt zwar offizielle Pressefotos, aber ich habe natürlich auch selbst eigene Fotos gemacht – wenn man schon so praktisch steht ;-). Eines davon fand ich ganz witzig, weil man darauf die Fotografenwand erahnen kann, die so ein Besuch mit sich zieht.
Ist das wirklich revolutionär?
Wenn man sich die vorherigen Revolutionen anschaut, stellt sich die Frage, ob die technische Aufrüstung der Automation ausreicht, um von einer Revolution zu sprechen. Das ist eine Frage, die man eigentlich erst in ein paar Jahren beantworten kann. Die Argumente dafür sind, dass die Vernetzung, die die neue Kommunikation mit sich bringt, nicht einfach nur Produktionsprozesse weiter automatisiert, sondern die eigentliche Produktionssteuerung ablöst. Nicht nur die einzelne Maschine weiß, was sie tun soll, sondern die Fabrik “weiß” was sie tun soll: welche Produkte wurden bestellt, wie viel Zeit wurde das letzte Mal für die Produktion verwendet; über die Cloud kann sie Informationen über den Verkehr einholen und abschätzen, ob die Zulieferer pünktlich sein werden, oder ob man vielleicht doch noch was anderes vorschieben sollte.
Dieses aktive Nutzen und in-Beziehung-setzen vorhandener Daten macht Systeme lernfähig, ohne dass sie von einem Menschen angetrieben werden müssten. Das Internet der Dinge könnte durchaus revolutionär werden und man sollte es in der Tat nicht einfach nur als ein technisches Update ansehen. Wir werden sehen …
Beim nächsten Mal gehe ich genauer darauf ein, was das Internet der Dinge
überhaupt ist, welche verschiedenen Technologien es gibt und
wo sie uns überall unbemerkt unterstützen sollen.
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Quelle:
[1] https://www.abendblatt.de/wirtschaft/article137417043/Chiphersteller-NXP-schafft-140-Arbeitsplaetze-in-Hamburg.html
[2] https://www.its-owl.de/industrie-40/evolution-statt-revolution/
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