Die Grippe kommt jedes Jahr. Das ist keine Überraschung, und dass sie ein Jahr mal stärker und mal schwächer ausfällt, ist auch normal. Werfen wir doch einmal einen Blick in die Statistik und schauen, ob die Zahl der Erkrankungen dieses Jahr wirklich so hoch war.

Auch wenn es den Spannungsbogen kaputt macht:
Nein, die Zahl der Grippeerkrankungen ist dieses Jahr nicht herausragend höher als sonst.
Aber beginnen wir von vorn…

Die gemeldeten Grippefälle weltweit (und viele viele andere Erkrankungen) werden in der Datenbank der WHO erfasst und können dort auch abgerufen werden. Aus der ‘Influenza Laboratory Surveillance Information‘ [2] können die Influenza-Werte für verschiedene Länder und Zeiträume angeguckt werden. Auf nationaler Ebene und auch auf Regionen aufgelöst stellt das Robert-Koch-Institut [1] alle Informationen zur Verfügung, die man braucht, um sich ein Bild über den Verlauf machen zu können (die österreichischen Werte sind vom Verlauf vergleichbar).

Wie sieht es dieses Jahr bislang aus?

Für den Jahreswechsel 2014/15 erhalten wir bisher folgenden Verlauf:

rki-influenza-grippe-saison2014-2015

gemeldete Influenza-Fälle bislang für das Jahr 2015 in Kalenderwochen (Deutschland) [1] mit Stand Kalenderwoche 8. (Klicken für den aktuellen Stand)

Aufgetragen sind die bestätigten Fälle aufgelöst auf die einzelnen Kalenderwochen und die verschiedenen Influenzatypen. Die ersten Fälle wurden etwa Mitte November 2014 erfasst, während des Jahreswechsels gab es einen kleinen Einbruch und zum Jahresanfang 2015 gab es einen Sprung bei den Infektionen (in der Zeit, als für die meisten die Arbeitszeit wieder losging). In der siebten Kalenderwoche (09. -15. Februar) wurden bislang die meisten Influenza-Fälle bestätigt. Das waren rund 200 Fälle, die sich auf ganz Deutschland verteilen.
Üblicherweise werden die Neuansteckungen bis Anfang März hoch bleiben und danach deutlich sinken, bis im April die Zahlen wieder fast auf Null fallen.

In den Medien sieht man häufig die Darstellung der “Gefahrenkarten”, wo aktuell die meisten Fälle gemeldet wurden. Diese Karten findet ihr hier. Aber da wir grad in der Woche mit den tradionell höchsten Werten sind, belasse ich es bei dem Link und binde keine fast komplett rote Karte ein 😉
Viel interessanter ist die Frage: Ist dieses Jahr “besonders schwierig”?
Dafür habe ich die oben benannte WHO-Datenbank [2] bemüht, eine Übersicht der letzten Jahre zu erzeugen.

Rpt_LabSurveillanceData-2008-2015-KW6

gemeldete Influenza-Fälle in den Jahren von 2009 bis 2015 (Deutschland) [2]. Für vergrößerte Darstellung klicken.


Die Darstellung der internationalen Datenbank hinkt immer zwei Wochen hinterher, aber man kann erkennen, dass die jetzige Welle schwächer ausfällt als die in 2013 oder 2011. Da es letztes Jahr sehr wenige Grippefälle gab, kommt uns die jetzige wahrscheinlich schlimmer vor als sie eigentlich ist.
Der große Ausbruch war im Jahr 2009 war die letzte große, “echte” Grippewelle, die uns damals der Subtypus A-H1N1 bescherte (hellbau). Allgemein bekannt als Schweinegrippe, sorgte sie 1918 erstmals als “Spanische Grippe” für Schlagzeilen. Nun wird sie auch als “Influenza A(H1N1)pdm09” für Pandemie 2009 bezeichnet und sorgte auch in den Folgejahren immer wieder für Erkrankungen. In diesem Jahr sind aber vergleichsweise wenige Fälle auf diesen Typus zurückführbar. Der dominante Subtypus aktuell ist A(H3N2).
Wir erleben in diesem Jahr also einen normalen Grippeverlauf, falls sich die Zahlen in den nächsten beiden Wochen nicht spontan ändern sollten.

Verteilung in anderen Ländern?

Die Verteilung der Grippehauptzeiten in diesem Jahr für das restliche Europa sieht ganz ähnlich aus. Um das darzustellen, habe ich eine Tabelle für einen ausgewählten Zeitraum erzeugt (Daten über FluNet [3]). Und da von Land zu Land die Zahlen natürlich stark schwanken, wäre es sehr unübersichtlich einfach nur eine Zahlentabelle zu zeigen. Stattdessen ist der maximale Wert der gemeldeten Erkrankungen pro Land rot, der niedrigste Wert jeweils grün und die Werte dazwischen entsprechend farblich skaliert. Heraus kommt diese Grafik:

Visuallisierung der Grippehauptzeiten in Europa. Daten aus Quelle [3]

Visuallisierung der Grippehauptzeiten in Europa. Daten aus Quelle [3] (Für größere Darstellung klicken)

Jedes farbige Feld entspricht einer Kalenderwoche, für die bessere Orientierung sind die Jahres-Quartale markiert. Nicht übermittelte Daten sind blau eingefärbt. Auch wenn natürlich nicht jede Influenza-Erkrankung unbedingt erfasst wird (wenn man z.B. nicht zum Arzt geht), kann die Grafik dennoch als guter Trend genommen werden. Vor allem erkennt man, zu welcher Jahreszeit es sich besonders lohnt, sich die Hände gründlich zu waschen 🙂

Gibt es einen Unterschied zum saisonalen Verlauf auf der Südhalbkugel?

Auf der Südhalbkugel verschiebt sich die Grippehauptzeit – was auch wenig überraschend ist. Diese Welle läuft unserer voraus und hat einen ähnlichen Verlauf. Und da sie im letzten Jahr “normal” verlaufen ist, sind die Chancen gut, dass es bei uns auch weitestgehend ohne große Überraschungen abläuft.

1-Flu-Australia-2014

erfasste Influenza-Fälle für das Jahr 2014 (Australien) [2].
Für vergrößerte Darstellung klicken.

Auf Wikipedia gibt es eine Übersicht über die Zusammensetzung der saisonalen Grippeschutzimpfung und eine Empfehlung zur Impfung, die ich gern zitieren möchte. Im Einzelfall kann das aber jeder mit seinem Arzt besprechen:

Es wird empfohlen, die Impfung möglichst jedes Jahr in der Zeit von September bis November durchführen zu lassen. Eine Impfung ist jedoch auch zu einem späteren Zeitpunkt noch möglich und sinnvoll, da der Schutz bereits ein bis zwei Wochen nach der Impfung voll ausgeprägt ist. Die Influenzaimpfung sollte vor allem bei älteren Menschen jährlich erneuert werden, da sich die kursierenden Influenzavirus-Typen schnell durch Antigendrift verändern, sodass die Impfung des Vorjahres nur noch einen Teilschutz gegen den neuen Virusstamm bietet.” [5]

 

Dieses Jahr gibt es zwar mehr Erkrankungen als letztes Jahr,
aber zurückblickend ist dieses Jahr kein herausstechendes.
Und wer sich nicht impfen lassen möchte, weil er Angst vor Spritzen hat,
dem empfehle ich diesen Artikel.

 

 

 

Quelle:

[1] Quelle der Daten für die Grafik: Arbeitskreis Influenza, Robert-Koch-Institut:  Deutschland (gesamt) – Saison 2014/2015
[2] Quelle der Grafik: Influenza Laboratory Surveillance Information
[3] Datenquelle: FluNet
[4] Daten: © World Health Organization
[5] Wikipedia: Grippeimpfung

Einen ähnlichen Artikel habe ich bereits Ende 2013 veröffentlicht.
Wenn ihr wissen wollt, wie es zu der Zeit aussah, kommt ihr hier zu dem alten Beitrag.
Es gab auch eine interessante Diskussionen in den Kommentaren.

Kommentare (2)

  1. #1 Hobbes
    24. Februar 2015

    Gibt es eigentlich vergleiche zwischen den unterschiedlichen Impfraten?
    Also entweder ein Land über mehrere Jahre bzw. Länder mit vergleichbaren Lebensbedingungen und unterschiedlichen Impfungsraten untereinander.
    Mich würde nämlich interessieren wie hoch der Bevölkerungsschutz bei niedrigen Quoten ist.
    Bei hohen Quoten ist es ja klar. Besonders wenn der Herdenschutz greift, Aber bei niedrigen Quoten könnte ich mir sogar vorstellen das es Bereiche gibt in denen die Immunen als Überträger für eine höhere Gesamtzahl sorgen als komplett ohne Impfung.
    (Wobei ich bei nochmaliger Überlegung zumindest für die Grippe von der Vermutung wieder Abstand nehme da diese ja auch während der Inkubationszeit ansteckend ist)

    • #2 Tomi
      24. Februar 2015

      Hi,

      die Daten der anderen Länder liegen vor, das wäre nicht das Problem. Ich weiß leider nur nicht, wie man am besten an verlässliche Impfquoten herankommt. Und dann müsste man auch die Bevölkerunggrößte normieren.
      Aber als ersten Versuch kann man ja nach Frankreich gucken. Unter folgendem Link können wir uns den Influenzaverlauf angucken: https://gamapserver.who.int/gareports/Default.aspx?ReportNo=7

      Die Franzosen haben üblicherweise etwa doppelt so viele Influenzafälle wie die Deutschen (bei weniger Einwohnern in Frankreich). Dieses Jahr haben sie sogar fast 10-mal so viele bestätigte Fälle!
      Ich weiß nicht, wie die Impfquote in Frankreich ist, aber ich könnte mir gut vorstellen, dass sie schlechter ist. Ob wir hier jetzt die Konsequenzen daraus beobachten können, wäre reine Spekulation, dafür fehlen mir – wie anfänglich gesagt – die Daten. Eine andere Deutung wäre, dass Franzosen schneller zum Arzt gehen als die Deutschen, aber auch hier fehlen mir die Quellen.