Auf der Cebit wurde Augmented Reality als The Next Big Thing bezeichnet. Um zu verstehen, was da auf uns zu kommt, habe ich einige Videos herausgesucht, die aufzeigen, was sich in unserem Alltag verändern wird.
Eine häufige Reaktion, die ich höre, wenn ich über das Thema Augmented Reality spreche, ist: “Sowas ist doch nur Spielkram, ich bauche das nicht!”
Darauf kann ich nur erwidern, dass dasselbe über Handys, das Internet oder Smartphones gesagt wurde. Es gibt aber natürlich auch Trends, die wirklich problemlos an uns alten Säcken komplett vorbeigehen, auch wenn sie für die aktuelle junge Generation durchaus wichtig ist – prominentes Beispiel wäre “Youtube statt Fernsehen” oder “Let’s Play” (also Zuschauen, statt selber spielen). Wo und wie Augmented Reality durchschlagen wird, ist aktuell natürlich nur Spekulation, aber die vielen Tests und Projekte zeichnen bereits ein interessantes Bild und es ist bestimmt gut zu wissen, womit man es zu tun bekommt.
Was ist Augmented Reality (AR)?
Augmented Reality (Erweiterte Realität) ist die computergestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung und damit ein Grundpfeiler des Internets der Dinge. Es geht darum, die virtuelle und reale Welt immer weiter zu verschmelzen.
Um es auf einen Satz runterzukochen:
Dem realen Bild wird in Echtzeit und ortstreu ein digitales Bild überlagert.
Virtuelle Inhalte in unseren Alltag zu verschmelzen ist aktuell noch etwas schwierig. Zum einen, weil die Geräte noch nicht ausgereift sind und zum anderen, weil wir jetzt erst beginnen, das Potential der Technologie zu ergründen. In diesem Zusammenhang muss AR gegen die Virtual Reality (VR) abgegrenzt werden, bei der man wie in einem Videospiel, komplett in eine neue und getrennte Welt eintritt. Das ist natürlich auch eine spannende Technik, hat aber eine komplett andere Zielrichtung (ich werde später noch dazu kommen).
Die andere Richtung, die reale Welt in die virtuelle zu bekommen, funktioniert dagegen mittlerweile ganz gut: durch immer bessere Sensoren “spüren” Rechner z.B. das Wetter, wie es uns geht oder verstehen, warum Staus lästig sind usw.; einige weitere Beispiele mit den Stichworten Big Data, Smart Analysis und Cloud habe ich in einem meiner vorherigen Beiträge bereits beschrieben.
Wo wird AR bereits verwendet?
Die meisten werden bei AR an die Google-Brille denken, die Inhalte und Displays in das Sichtfeld des Trägers eingeblendet hat, oder an Sportübertragungen, bei denen “virtuelle Sendegrafiken” die Übersicht verbessern – seien es Ziellinien oder das Einblenden von Entfernungen bei Freistößen mithilfe eines Kreises oder einer Linie bei Fußballspielern.
Eine andere Anwendung findet man im Unterhaltungsbereich. Ich hab eine ausgesucht, die man bereits nutzen kann. Sie läuft unter dem Titel “Augmented Creativity“. Im Prinzip ist es ein Malbuch, in dem die Figuren durch das Display eines Pads “lebendig” werden. Werden die Figuren ausgemalt, so werden die tanzenden Figuren auch passend koloriert. In dem Video wird ersichtlich, wie viel Entwicklung dahinter steckt.
AR kann aber natürlich noch mehr, zum Beispiel testet DHL diese Technologie, um die Effezienz in seinen Lagern zu optimieren. Hier wurde der Schritt weg vom Pad hin zur Brille geschafft. (Google hatte dieses Prinzip zwar schon erprobt, hatte sich dann aber wegen technischer Schwierigkeiten wieder zurückgezogen.) Der Nutzer blickt z.B. auf einen Barcode und wird durch Pfeile, die im Raum erscheinen zum richtigen Paket gelotst. Das Unternehmen formulierte es auf der Cebit wie folgt: „Die AR-gestützte Kommissionierung kommt ohne überflüssige Handgriffe aus und ist erheblich produktiver. Die Technologie ist eine große Unterstützung für unsere Beschäftigten und bietet unseren Kunden einen echten Mehrwert“.
Spannend wird es dann, wenn die Sprachunterstützung hinzukommt und ein laut ausgesprochener Gedanke das Navi startet, den Ort eines Freundes ermittelt, einen Anruf auslöst, Sportergebnisse sucht oder bei einer Reparatur ein Handbuch läd. Ab hier kann man seiner Fantasie freien Lauf lassen.
Mir schwebt eine Konferenzfunktion vor, bei der nicht anwesende Teilnehmer als Hologramme eingeblendet werden 🙂
Eine frühe Phase dieser “Holoporation” wird im folgenden Video gezeigt. Die Teilnehmer werden mit 3D-Kameras aufgezeichnet und zu den anderen projiziert.
Eingabegeräte
Eine Frage, die sich beim Übergang von Pad zu Datenbrille direkt stellt, ist, wie funktioniert die Eingabe? Dazu gibt es verschiedene Konzept, nur eines ist klar: das Tippen an die Brille ist eine Sackgasse, wie das Google-Glass bereits bewies. Skifahrer haben dicke Handschuhe, Lageristen die Hände nicht frei, gestresste Großstädter besseres zu tun usw..
Eine Idee besteht darin, die Handbewegung über die Muskelspannung zu scannen. Der Vorteil ist, dass sich die meisten Muskeln für die Handbewegung im Unterarm befinden, sodass mit einer geschickt platzierten Manschette, die Hand ungestört und die Kleidungswahl uneingeschränkt bleibt. Ein vielversprechendes Gerät hierfür wäre das Myo Armband. Es ist bereits auf dem Markt erhältlich und macht einen robusten Eindruck.
Vor einiger Zeit gab es dann noch einen Kickstarter eines Gerätes mit dem Namen UnlimitedHand. Dieses liest nicht nur die Muskelimpulse aus, sondern kann sie auch reizen. Das führt dazu, dass der Träger im virtuellen Raum beim Berühren eines Gegenstands tatsächlich einen Widerstand spürt. Auch hier weiß ich nicht, wie gut das Gerät ausgereift ist, aber es zeigt deutlich, was mit der jetzigen Technik bereits möglich ist und wo die Reise hingehen könnte.
Nicht nur sehen, sondern auch hören
Nachdem wir nun bereits Beispiel für das Sehen und das Spüren entdeckt haben, stellt sich die Frage nach dem Hören.
Denn was hilft die unterstützte Sinneserweiterung, wenn man am Ende die Ohren mit Kopfhörern abdeckt; das widerspricht dem ursprünglichen Gedanken natürlich. Aber auch hier gibt es findige Möglichkeiten, wie man zusätzlich hören kann, ohne die Umgebung abzuschirmen oder sich Implantate einsetzen zu müssen. Ich sehe hier die Knochenschallübertragung als eine gute Lösung.
Auch hierzu gab es vor einiger Zeit den Kickstarter Batband – bei dem ich auch mitgemacht habe, sodass ich dazu in Laufe des Jahres auch ein Feedback geben kann 🙂
Das Prinzip ist dabei relativ simpel: Es handelt sich um einen Kopfhörer, der den Schall über Vibrationskörper direkt über den Knochen an das Innenohr überträgt. Die Ohren bleiben frei und die “virtuellen Geräusche” werden der normalen Umgebung hinzugefügt, ohne das normale Hören zu beeinträchtigen.
Für ein integriertes Gerät müsste zwar noch Einiges am Design getan werden, aber es zeigt, wie weit wir bereits mit den technischen Voraussetzungen sind. Mit den vorherigen Ideen haben wir so nun also ein zusätzliches Sehen, Spüren und Hören gebaut, wodurch das Paket Augmented Reality (Erweiterte Realität) recht komplett wäre.
Wenn wir nun einen kurzen Blick auf die VR-Geräte werfen, werden die unterschiedlichen Ansätze der beiden Technologien deutlich. Während AR eine digitale Erweiterung der Umgebung ist, taucht der Träger bei VR in eine abgeschlossene virtuelle Welt ein.
Äpfel und Birnen …
Brauche ich das?
Nur weil etwas ganz praktisch ist, heißt es natürlich nicht, dass man es unbedingt haben muss. So ist es auch bei AR. Aber wer braucht schon unbedingt ein Smartphone oder beheizbare Sitze? Jeder muss für sich entscheiden, ob er mitmachen möchte und wie die eigenen Kinder vorbereitet werden sollen. Wenn es erst einmal verfügbar ist, dann werden es sich viele auch anschaffen und die Frage wird sein, wie gehen wir insgesamt damit um – denn solche Brillen funktionieren nur, wenn sie ihre Umgebung permanent scannen und auswerten.
Einige nützliche Anwendungen, die mir spontan einfallen wären:
– AR in Museen zusätzlich zu Audioguides
– Optische Hinweissysteme für Gehörlose
– Andersherum könnten diese Systeme statt optischer Reize auch akustische Signale geben, um Blinde oder Menschen mit Sehstörungen zu unterstützen
– Unterstützung, um in Menschenmassen, Freunde oder Kinder nicht aus den Augen zu verlieren (ich denke da an Festivals, Flohmärkte, Straßenfeste, …).
Vom Geocachen zur Pokémon-Jagd
Eine vielleicht nicht ganz so nützliche Anwendung, die wieder die Gamer anspricht, hat Nintendo vor einiger Zeit angekündigt. Mit Pokémon Go will der Konzern noch im Jahr 2016 die Spieler raus schicken, um in ihrem Umfeld virtuelle Figuren aufzuspüren und mit anderen Spielern in Aktion zu treten. Und da man natürlich nicht permanent auf das Display gucken kann, gibt es kleine Bluetooth-Geräte, die wild anfangen zu blinken, wenn man sich einem Pokémon nähert.
Man stelle sich die wild umherlaufenden Jugendlichen (?) vor, die mit virtuellen Bällen in der Gegend rumwerfen… wenigstens kommt man dann wieder öfter raus …
Eine computerunterstützte Verabredung
Spinnt man alle diese Ideen weiter kommt man irgendwann zu einem Szenario, dass dieser Kurzfilm recht eindrucksvoll beschreibt. Über das Ende des Films kann man streiten, aber bis auf die letzte Minute ist er gut gelungen.
Statt einer Brille gibt es AR-Kontaktlinsen, Befehle werden durch Sprache, Gesten, Blicke und Nicken gegeben. Wir sehen einen Mann, der auf eine Wand starrt, da er keinen Fernseher braucht, Essenkochen wird zum Spiel, Bezahlen wird durch Nicken gelöst und das soziale Profil seiner Verabredung wird automatisch gescannt. Interessant wird es, als ihm seine Hardware vorschlägt seine Dating-Strategie zu ändern und ihm auch gleich passende Sprüche vorschlägt.
Diese neue Technologie hat sowohl Vor- als auch Nachteile
und es kommt wie immer darauf an, wie wir damit umgehen.
Aktuell passiert in dem Bereich so viel, dass es leicht ist,
im Netz eine Fülle weiterer Beispiele zu finden.
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