Da es aktuell wieder durch die Medien geht, poste ich hier noch einmal einen aktualisierten Artikel zum Thema Elektromobilität, den ich Ende 2013 bereits geschrieben hatte. Dabei bleibt mein Fazit aber das Gleiche: reine Elektromobilität ist und bleibt in unseren Breiten ein Spielzeug für Privilegierte und keine Lösung für die Masse.
Jetzt mal im ernst: Elektroautos?
Ich wundere mich seit Jahren, dass da von der Politik so vehement und eingleisig dran festgehalten wird. 1 Mio. Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen bis 2020 … der Umwelt zuliebe … 6 Mio. bis 2030 … Aha
Das aufzuschlüsseln, würde schnell ein Buch füllen, deshalb hier ein paar kürzere Gedanken zu 3 Themen:
- Nutzen für die Umwelt
- Tanken
- Zukunft und Alternativen
Interessanterweise geht es bei der Diskussion um die Elektromobilität und welche Probleme die Fahrer damit haben könnten (z.B. kein fester Parkplatz zu Hause, kein Parkplatz am Zielort), sondern lediglich nur darum, dass die Industrie den Anschluss nicht verlieren darf. Das hat natürlich auch seine Berechtigung, denn Deutschland ist extrem von der Industrie abhängig und ohne Innovation leiden wir langfristig alle. Aber ich bin nicht der Meinung, dass die präsentierte reine Elektromobilität (also nur Elektro ohne Hybrid) bei der breiten Masse der Verbrauchern ansetzt. Naja, die Konsequenz ist dann, dass die Dinger nicht gekauft werden – welch ein Wunder …
Für die Umwelt?
Ganz allgemein bedeuten Elektrofahrzeuge erst einmal nur, dass nicht jedes Auto einen Verbrennungsmotor bei sich führt. Somit ließe sich, rein von der Idee her, in Ballungsräumen die Luftqualität drastisch verbessern.
Auf der anderen Seite muss die elektrische Energie aber trotzdem irgendwo herkommen. Rein ökologisch würde die Rechnung aufgehen, wenn die Energie nicht aus Verbrennung oder aus anderen Umwelt störenden Quellen erzeugt werden würde.
In Deutschland wird mehr als die Hälfte unseres Stroms aus der Verbrennung von Kohle und Gas und 14% aus der Kernkraft erzeugt.
=> also knapp dreiviertel aus populistisch ungewollten Quellen – je nach politischer Lage natürlich, aber Energiepolitik wäre nochmal ein eigenes Thema.
Selbst wenn die “grüne Energie” auf dem Vormarsch ist [1], wird das Abgasproblem trotzdem nur vor die Städte verlagert. In anderen ballungslastigen Ländern sieht es ähnlich oder sogar noch “ungrüner” aus, denn z.B. in China ist der Anteil der fossilen Energiegewinnung noch höher. Aber wir brauchen nicht soweit weggehen; schaut man sich die Energieerzeugung etwas aufbebrochener an, sieht man schnell, dass die erneuerbare Energie auch irgendwie transportiert werden muss – und das Politikum der Energietrassen sollten die meisten noch im Gedächtnis haben…
Es gibt auch Länder, bei denen die Energiebilanz wesentlich besser aussieht. So laden Elektroautos in Norwegen kostenlos. Aber ein Land, in dem quasi der gesamte Energiebedarf durch Wasserkraft gedeckt wird, lässt sich nur schwer als Vorbild heranziehen.
Neben der Energieerzeugung gibt es auch einen weiteren Umweltfaktor: die Akkus. Hier lässt sich momentan nur spekulieren, welche Auswirkungen die Förderung und Verarbeitung der benötigten Rohstoffe (Lithium etc. [3]) haben werden, um die vielen benötigten Akkus zu produzieren.
Elektro für das Klima? In absehbarer Zeit wohl eher nicht.
Tanken?
Aber selbst wenn man sagt, dass selbst eine geringe Reduzierung der verbrennenden Energiegewinnung für das Fahren bereits ein Fortschritt und die Umverteilung der Abgasbelastung ein Vorteil ist, dann bleibt die Frage des “Tankens”.
Ein vereinzelter städtischer Verfechter, der seinen Wagen jeden Abend an ein Kabel hängt, mag in Ordnung sein, aber man stelle sich einmal den Kabelsalat einer belebten Straße im dichtbesiedelten Hamburg oder Berlin vor … Das halte ich für sehr verstrickt.
Aber vergessen wir nicht ein ganz großes Städterproblem: Wer findet bitte in Hamburg oder Berlin in einer normalen Wohngegend einen ortsnahen Parkplatz?!
Öffentliche Lade-Terminals wären eine Idee, aber wenn eine große Zahl Fahrzeuge abgedeckt werden soll, müssten überall neue Leitungen verlegt werden, die die hohen Stromlasten aushalten können.
Ich kenne natürlich die entsprechenden Konzepte, bei denen auf dem Car-Port über Solarzellen das Auto wieder aufgeladen werden kann, aber wer ist denn die Zielgruppe für die Elektroautos? So wie ich das sehe, sind es die Kurzstrecke fahrenden Städter, die eben keinen festen Stellplatz haben.
Weiter abschreckend wirken die stetig wechselnden Technologien und allgemein fehlenden Standards (kein einheitlicher Anschluss, unterschiedliche Bezahlsysteme etc.). Spiegel Online nannte es treffend “das Klagen beim Laden”.
Es gab vor einigen Jahren ein Konzept, das ich wirklich vielversprechend fand: Wechsel-Akkus! Man fährt zur “Tankstelle” und es wird einmal komplett die Akku-Einheit von unten in weniger als 2 Minuten getauscht. Es gab sogar großflächige Versuche, die von der Firma ‘Better Place‘ in Zusammenarbeit mit Renault durchgeführt wurden. In Dänemark und Japan ab 2009 und noch größer in Israel ab 2011. Leider hatte es dieses Startup nicht geschafft.
Und jetzt, wo Elektromobilität wieder in aller Munde ist (aktuell ist es die Kaufprämie), dachte ich in meiner Naivität, dass vor allem diese Konzepte den Schwung besonders spüren und bald in allen Medien auftauchen sollten, aber aktuell ist es in der Gründerszene noch recht still. Es gibt natürlich immer einige interessante Ideen, aber der einzige Name, der einem bei Elektroinnovation einfällt, ist Tesla.
Wenn ich bei dem Sturm grad aus dem Fenster gucke, frage ich mich, wie sicher Car-Ports und Solardächer sind. Einen Reservekanister mit ‘Sprit’ kann man sich noch irgendwo in die Garage stellen, aber was macht man, wenn eine Oberleitung abknickt und man keinen Strom hat?
Zukunft und Alternativen?
Es gibt eine unglaublich umfangreiche Arbeit des Fraunhofer ISI [2]. Hier schlüsseln die Forscher sehr genau auf, was alles funktionieren und passieren müsste, damit das “1 Mio. in 2020” Ziel erreicht werden könnte. Auch gibt es eine Prognose zu den Kosten einer Tankladung im Vergleich, die eigentlich auch ganz optimistisch aussehen. Prinzipiell ist es möglich, aber das Schlusswort der Arbeit klingt sehr skeptisch. Und wenn man guckt, dass der dort beschriebene Stand von 2013 bei knappen 6000 Neuzulassungen in Deutschland liegt, wird es wohl nichts.
Das soll aber nicht heißen, dass die Entwicklungsarbeit für neuartige Akkus nicht trotzdem wichtig ist. Ich persönlich glaube, dass es bessere Lösungen als reine Elektroautos gibt, sowohl technologisch, ökologisch als auch ökonomisch. Stichwort: Hybrid.
Denn vor allem Hybrid-Systeme beweisen, wie viel man aus den konventionellen Verbrennern rausholen kann – gleiche Leistung durch weniger Verbrennung vor allem im Stadtverkehr kombiniert mit Start-Stopp und anderen Innovationen, auf die ich vllt. ein anderes Mal genauer eingehen werde. (Vor allem der Schritt zur Brennstoffzelle mit der Verbrennung von Wasserstoff könnte interessant werden, wenn hier die Erzeugung auf gesunden Beinen steht [4])
Fazit
Also, was soll der ganze Hype? Wollen die Konzerne wirklich den Wandel, oder ist das nur Image-Arbeit? Können aus den heutigen wenigen 10.000 Elektroautos in Deutschland in knapp 5 Jahren wirklich 1 Million werden? Und wo kommt die gesamte Infrastruktur so schnell her, wenn wir momentan noch Probleme haben, die Windkraft von der Nordsee nach Bayern zu bekommen?
Naja, mit den Handys ging es damals plötzlich auch sehr schnell, aber ich hoffe, die Autos halten dann länger als zwei Jahre 😉
Und es geht mir auch nicht um Elektroautos im Allgemeinen; öffentliche Busse funktionieren natürlich sehr gut, haben aber auch sichere Stell- und Ladeplätze, genauso wie Fahrzeuge in Vororten und Garagen. Aber genau das ist das große in den Ballungsräumen: keine Stellplätze zum Laden.
Was ist also von dem Ziel: 1 Mio. Elektrofahrzeuge bis 2020 zu halten? Ich glaube,
dass in Hybridsystemen und Brennstoffzellen die Zukunft liegt.
Effizienter Verbrauch und mehr Flexibilität.
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weiterführende Links:
[1] BMWi: Energiegewinnung und -verbrauch. Kennzahlen und Prognosen
[2] Fraunhofer ISI: Markthochlaufszenarien für Elektrofahrzeuge (PDF)
[3] Arte: Mit offenen Karten Boliviens Traum vom Lithium. Das Video ist leider nicht mehr offiziell auf arte zu streamen.
[4] Arte: Mit offenen Karten – Biokraftstoffe Eine Alternative. Das Video ist leider nicht mehr offiziell auf arte zu streamen.
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