Nanofußball, gespielt im gläsernen Forscherlabor im Deutschen Museum


Das Deutsche Museum hat in der Tradition nicht primär als Verwahrort von historischen Objekten hinter Vitrinen, sondern als lebendiger Ort der Darstellung neuester Forschung bis hin zu eigenen Forschungsabteilungen an der Schnittstelle von Natur- und Geisteswissenschaft zu sein seit Oskar von Miller gearbeitet.

Seine Idee war es, Menschen durch Beteiligung, durch Begreifen von Exponaten und durch Mitmachen bei Experimenten diese Brückenfunktion zu ermöglichen. Was zu seiner Zeit die Meisterwerke der Naturwissenschaft und Technik, wie etwa die Dampfmaschine, der Dieselmotor, das erste Automobil oder das erste Röntgengerät waren, sind heute das Rastertunnelmikroskop, der Frequenzkamm, aber auch der iPod, Formate wie Youtube, Second Life oder die Produkte der Nano- Bio- und Gentechnologie. Während es früher um die Elektrifizierung des Landes ging, geht es heute um Brennstoffzellen, CO2-Debatten, molekulare Motoren, Biopharmaka oder die Frage nach molekularer Selbstorganisation von DNA-Basen und Polypeptiden als Erklärung für die Entstehung von Leben vor 4 Milliarden Jahren auf der Erde.

Dabei hat sich freilich die Komplexität der Themen drastisch erhöht, damit auch der Erklärungsaufwand, und die Anforderungen an die mediale Begleitung und Gestaltung von Exponaten und Mitmachexperimenten. Nur große Häuser sind noch in der Lage, von den Grundlagen der Physik, über die Chemie und die Lebenswissenschaften den Wissenshintergrund für den durchschnittlichen Besucher so aufzubereiten, dass er überhaupt in der Lage ist, die Details einer Stammzellendebatte oder auch schon die physikalischen Grundlagen im Zusammenhang mit der Frage der zukünftigen Energieversorgung verstehen zu können.

Dabei muß und kann nicht jeder überall gleich Experte werden, das ist in unserer arbeitsteiligen Gesellschaft nicht möglich und nicht nötig. Aber ein So-viel-wie-möglich muß man hier schon erhoffen, angesichts des wissenschaftlich-technischen Analphabetentums in unserer Gesellschaft. Wer das für übertrieben hält, frage mal nur seine Mitmenschen, von denen jeden Tag 10 Millionen ihr Horoskop lesen, nach einer einigermaßen wissenschaftlichen Erklärung warum es im Winter kälter ist als im Sommer, oder ähnliches. Von den in Deutschland mittlerweile selbst von Regierungsmitgliedern geäußerten Forderungen nach gleichberechtigter Aufnahme des Creationismus in den Biologieunterricht neben der Darwin’schen Lehre ganz zu schweigen.

Die Natur, so kompliziert und wunderbar sie ist, so sollte sie uns Ansporn sein, sie zu erforschen, nicht zu verschleiern. Im Bereich meiner Forschungsarbeiten, den Nanowissenschaften, gibt es eine erhöhte Aufmerksamkeit seitens der Öffentlichkeit: die öffentliche Wahrnehmung schwankt manchmal zwischen Heilsversprechen und Horrorszenarien. Dabei besteht große Unwissenheit in der Bevölkerung über die Hintergründe, ja schon bei mehr als 50 % der Deutschen ist das Wort Nanotechnologie noch nicht bekannt.

Andere haben Angst, dass sich selbst assemblierende Nanoroboter, wie sie im Roman „Beute“ von Michael Crichton gelesen haben, eine Gefahr für die Menschen darstellen könnten. In dieser Situation ist Kommunikation ein Muß. Dabei müssen die Menschen da abgeholt werden, wo sie sind. Moden, auch in der Wissenschaft, sind prinzipiell nicht schlecht, schaffen sie doch vielfach die Voraussetzung, die wissenschaftsferneren Menschen überhaupt zu interessieren. Und wenn Nano nicht auch Mode wäre, würde die Werbung sich nicht ihrer bedienen, es würden keine Produkte entstehen, und der Kunde würde sich nicht für uns interessieren. Interesse ist aber die Voraussetzung, um überhaupt in ein seriöses Gespräch mit den Menschen eintreten zu können, sie ins Museum zu holen.

Das kleinste Fußballspiel der Welt, das meine Doktoranden mit einem Nanofußball, einem Buckminsterfullerenmolekül, gespielt haben, indem sie so ein Molekül zwischen zwei Toren aus jeweils 6 Benzolmolekülen über ca. 2 Nanometer hin und her geschossen haben, ist ein Beispiel dafür, was im Bereich der Nanowelt mit molekularer Manipulation heute möglich ist, und wie man Moleküle sichtbar und zwei (Schalt-) Zustände eines molekularen Systems beherrschen kann. Es ist aber auch ein exzellentes Beispiel dafür, wie man an das Interesse der Menschen (jedenfalls der vielen Fußballer) ankoppeln kann, wenn man mit ihnen ins Gespräch über die Wissenschaften kommen möchte. Ein kurzer Film dazu läuft in unserem gläsernen Forscherlabor, wo dieser Fußballschuss in ca. 100 Millionenfacher Vergrößerung gezeigt wird.

Wolfgang M. Heckl

Kommentare (1)

  1. #1 Monika Armand
    Februar 1, 2008

    Danke für diesen Beitrag, das ist hochinteressant zu lesen. Ich freue mich schon auf weitere Posts zu diesem Thema, bei dem ich”abgeholt” werde, wo ich stehe und auch aus diesem Wissenschaftsbereich die Chance habe, neueste Erkenntnisse der Forschung nachzuvollziehen ;-))