Arbeit mit Licht – Fotografie ohne Kamera
Vom Zeichenstift der Natur zur künstlerischen Lichtgestaltung

Als der Bauhaus-Lehrer Lazlo Moholy-Nagy 1925 den Begriff Fotogramm für das ohne Kamera hergestellte Lichtbild prägte, war diese Technik bereits über hundert Jahre alt. Anders als in der Fotografie konzentriert sich hierbei alles auf die unvermittelte Arbeit mit dem Licht.

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Zu den Gutachtern, die 1838 in Paris erstmals Originalaufnahmen von Jacques Mandé Daguerre zu sehen bekamen, gehörte auch Alexander von Humboldt. Die Wirkung, die »die geheimnissvolle Daguerrische Entdekkung« auf den deutschen Gelehrten ausübte, war überwältigend. In einem Schreiben an Herzogin Friederike von Anhalt-Dessau vom 2. Februar 1839 versuchte Humboldt seine Eindrücke über diese rätselhaften Vorgänge in Worte zu fassen: »Gegenstände, die sich selbst in unnachahmlicher Treue mahlen; Licht, gezwungen durch chemische Kunst, in wenigen Minuten, bleibende Spuren zu hinterlassen.« Dass die für die Aufnahme nötige Kamera in diesem Text nur ganz beiläufig erwähnt wird, muss nicht weiter verwundern, denn das optische Prinzip der Projektion von Bildern der Außenwelt auf die Mattscheibe im Inneren einer Camera obscura war in der Kunst als Zeichenhilfe seit langem bekannt. Während diese projizierten Abbildungen bisher jedoch in mühevoller Detailarbeit zeichnerisch festgehalten werden mussten, vollzog sich der Prozess der Wiedergabe nun in kürzester Zeit und scheinbar wie von selbst.
Unabhängig von Daguerre beschäftigte sich Henry Fox Talbot in England zu dieser Zeit ebenfalls mit Überlegungen, »wie bezaubernd es wäre, könnte man diese natürlichen Bilder dazu veranlassen, sich dauerhaft einzudrücken, und festgehalten zu bleiben auf dem Papier!« Bereits 1834 waren Talbot erste »photogenische Zeichnungen« auf mit Chlorsilber getränktem Papier gelungen. Direkt auf das Papier aufgelegte Pflanzenblätter oder auch Spitzen zeichneten sich darauf als helle Silhouetten ab, während das übrige, dem Licht ungeschützt ausgesetzte Papier geschwärzt wurde.

In der Kabinettausstellung »Wunderkammer Museum« zeigt das Deutsche Museum vom 4. März bis 29. Juni 2008 Fotogramme von Floris Neusüss und Renate Heyne. Floris Neusüss arbeitet seit über vierzig Jahren mit dem Fotogramm. Von den ersten Körperbildern bis zu den jüngsten, zusammen mit Renate Heyne realisierten Arbeiten hat der Künstler dieses Medium immer wieder in verschiedenen Werkgruppen erkundet.

Für das Projekt »Wunderkammer Museum« wurden im Deutschen Museum Fotogramme von Kraftmaschinen, Motoren, elektrotechnischem Gerät und mathematischen Modellen aufgenommen. Gemeinsam mit Fotogrammen aus den Fachdisziplinen anderer Museen fügen sich die Aufnahmen zu einer Bilderordnung, die in ihrer eigentümlichen Verfremdung zugleich den Blick schärft für die gestalterische Eigenheit der Gegenstände.

— Dr. Cornelia Kemp, Kuratorin der Abteilung Foto + Film im Deutschen Museum.

Einen Ausführlichen Artikel gibt es in der Zeitschrift Kultur&Technik, Ausgabe 2/2008.