Ich schulde Andreas Müller von Einsteins Kosmos noch eine Antowrt auf eine hoffentlich nicht rhetorische Frage in der Diskussion der offenen Probleme der Physik letzte Woche.

Es ging darin um den Titelartikel in Spektrum der Wissenschaft vom Februar 2009. Dieser stellt ein Arbeitsgebiet vor, das mit einem anderen Ansatz als Stringtheorie oder Quantum-Loop-Gravity versucht, die versucht, die vierdimensionale Raumzeit aus einfachen Dreiecken (bzw. ihrem 4-dimensionalem Äquivalent, den 4-Simplices) zusammenzukleben. Es stellt sich dabei heraus, dass man Kausalität vorgeben muss (also die Richtung in die der Zeitpfeil zeigen soll), damit die Raumzeit sich nicht wild zusammenfaltet wie ein zerknüddeltes Papier das man wegwirft. Außerdem zeigen erste Ergebnisse, dass die Theorie ohne Schwarze Löcher auskommt – und da war meine Frage – ist das schlecht.

Andreas schrieb dazu:

BTW, wenn eine Theorie keine Schwarzen Löcher enthält (z.B. scheint das bei der LQG der Fall zu sein), muss das nicht unbedingt schlecht sein. Denn man kann ein großes Fragezeichen hinter die Existenz von Krümmungssingularitäten in der Natur machen. Glaubst Du, dass in der Natur Punkte (im mathematischen Sinne mit null Ausdehnung) existieren?

Und dazu kann ich nur sagen: Ich weiß es nicht. Deswegen möchte ich die Frage auch einfach mal in den Raum stellen: Gibt es Singularitäten? Oder: Was bedeuten Singularitäten in unseren Theorien?
Zuerst musste ich mal Diax’s Rake auf mich selbst anwenden: Es ist ja nicht klar, dass es Schwarze Löcher gibt, also jedenfalls nicht dass es Raumzeit-Singularitäten sind.
Meine Intuition zu der Frage wäre zunächst gewesen, dass ja aber die Untersuchung von Singularitäten die Physikforschung maßgeblich treibt. Schwarze Löcher und der Urknall bzw die Zeit knapp danach sind große Unbekannte und die Versuche, sich Ihnen zu nähern haben viel Physik geliefert.
Zufällig hat Stefan bei Backreaction gerade etwas ähnliches geschrieben. Sein Beispiel: Ein abreißender Tropfen, auch hier gäbe es in der Beschreibung durch die Fluiddynamik eine Singularität am Punkt des Abreißens. Aber die Lösung ist: Das ist einfach eine Stelle an der sich die Physik nicht mehr durch diese Gleichung beschreiben lässt, weil hier nicht mehr die Annahme einer Mittelung für viele Moleküle gilt, die ein Fluid auszeichnet.
Ist das auch so bei einem Schwarzen Loch? Ist eine Singularität in den Gleichungen der ART nur ein Zeichen, dass sich neue Physik dort versteckt?

Kommentare (23)

  1. #1 adenosine
    02/12/2009

    Was ist denn das Entscheidende am schwarzen Loch? Die Singularität oder der Ereignishorizont? Ich könnte mit vorstellen, dass man einen Ereignishorizont irgendwann mal messtechnisch ausprobieren könnte. Aber würde die Singularität nicht immer eine nicht verifizierbare Hypothese bleiben? Oder wie könnte man so was nachprüfen?

  2. #2 Ronny
    02/12/2009

    Die Überschrift ist IMO ein bißchen irreführend. Dass es schwarze Löcher geben muss geht doch schon aus das Tatsache hervor, dass eine Sonne mit goßer Masse nicht einfach ‘verschwinden’ kann. Prinzipiell wird doch ‘nur’ Masse soweit komprimiert, dass selbst Licht nicht mehr entweichen kann.

    Verzwickter wirds wenn man sich Schwarze Löcher als Singularität vorstellt. Ich bin zwar kein gelernter Physiker, aber in den vielen Büchern die ich zu dem Thema schon gelesen habe sieht man als roten Faden, dass Physiker sofort nach dem Fehler in ihren Theorien suchen wenn es zu Singularitäten oder Unendlichkeiten kommt 🙂

    Feynmann und Co. versuchten lange Zeit die Elementarteilchen nicht als Punkte zu sehen sondern Ihnen eine Ausdehung zu geben und die komplette Stringtheorie basiert darauf Singularitäten zu vermeiden, da sich sonst Quantenmechanik und RT in die Haare geraten (und Wahrscheinlichkeiten > 100% generieren).

  3. #3 Jörg Rings
    02/12/2009

    Ja stimmt es geht eigentlich um Singularitäten…aber ich wollte nicht Singularität in die Überschrift schreiben.

  4. #4 Ronny
    02/12/2009

    Lol, ich sollte mir vorher die Biographie des Autors und den genauen Text ansehen. Einem Physiker Grundlagen zu erzählen ist irgendwie peinlich (lol). Bitte löschen!

  5. #5 Jörg Rings
    02/12/2009

    Ne, das ist ja schon ein guter Einwand, dass es irgendetwas gibt was ein Schwarzes Loch ist, das wissen wir; und die Frage jetzt ist: Als was wollen wir uns das vorstellen? Wirklich als Singularität?
    Das was es hier so auf der Erde gibt, da sind wir froh wenn wir Unendlichkeiten loswerden. Aber da draußen in den offenen Fragen das Kosmos? Noch schlimmer, am Anfang der Zeit, zum “Urknall”, finden wir uns da mit einer Singularität ab?
    Das ist jetzt alles reichlich philosophisch und verquast, aber im Rahmen von “Glaube nichts, nur weil du willst dass es wahr ist” kann man ja mal fragen: Wollen wir keine Unendlichkeiten?

  6. #6 Arno
    02/12/2009

    Naja, der physikalischen Realität ist doch egal, was hinter dem Ereignishorizont ist.
    Und als ästhetisches Kriterium für die mathematische Theorie würde ich weder der (Nicht)Existenz von Singularitäten jetzt nicht soviel Bedeutung zumessen wollen.

  7. #7 Jörg Rings
    02/12/2009

    Oh nein, der physikalischen Realität ist das nicht egal, schleißlich geht Information verloren die ins Schwarze Loch fällt, und was bedeutet das? Die Energieerhaltung ist ein quasi-heiliger Satz, kann die verloren gehen?
    Und wenn so etwas extremes wie eine Unendlichkeitsstelle in einer Theorie auftritt, ist das schon mehr als nur ein ästhetischer Mangel!

  8. #8 Florian Freistetter
    02/12/2009

    Also ich glaube nicht, dass es Singularitäten geben kann. Ich meine, nur ein Punkt? Das wär doch unsinnig… Ok, niemand garantiert, dass das Universum vernünftig ist – aber schön wärs schon 😉
    Drum hoffe ich ja sehr auf die Stringtheorie – immerhin verbietet die ja Singularitäten ja quasi per Definition.

  9. #9 Arno
    02/12/2009

    Energieerhaltung wäre für mich etwas, was ich als überzeugendes ästhetisches Argument ansehen würde 🙂

    Mein Argument ist: Wenn sich zwei physikalische Theorien nur in ihren Aussagen über den Bereich innerhalb des Ereignishorizonts unterscheiden, über den Bereich ausserhalb aber genau die gleichen Vohersagen machen, dann können wir sie experimentell nicht unterscheiden.

    Bei den meisten physikalischen Theorien ist eine Unendlichkeitsstelle natürlich schon ein nicht-nur-ästhetisches Problem, einfach weil dort idR die Realität drastisch von der Theorie abweicht. Aber kann man das wirklich als Argument nutzen, um Unendlichkeitsstellen a priori auszuschliessen?

  10. #10 Jörg Rings
    02/13/2009

    Natürlich ist Energieerhaltung elegant, aber unter “ästhetisch” verstehe ich “schön zu haben aber nicht tiefer relevant” während man kaum tiefere relevant als Energieerhaltung gehen kann.

    Das ganze ist mehr ein theoretisches denn ein experimentelles Problem, aber generell kann man erwarten, dass unterschiedliches Verhalten im Ereignishorizont relevant ist, auch experimentell. Abgesehen von Hawking-Strahlung: Wenn man Erkenntnisse benutzen will, die man aus Überlegungen in der Nähe von Schwarzen Löchern ableitet, um auf Ideen zu kommen, was der Urknall ist, dann kann es durchaus Möglichkeiten geben, solche Ideen experimentell zu prüfen, oder? Durch die genaue Vermessung des Mikrowellenhintergrundes sollen doch z.B. solche Informationen gewonnen werden.

  11. #11 Andreas
    02/14/2009

    Hallo Jörg,

    Danke, dass Du meine Frage in einem neuen Blog anspricht. Meine Frage „Glaubst Du an die Existenz von Punkten?“ war natürlich nicht rhetorisch gemeint. Ich erachte die Frage also so wichtig und fundamental für die Physik, dass man sie ausführlich diskutieren sollte.

    Die Frage aus Deinem Titel habe ich vor einiger Zeit im Titel meines Blogs beantwortet: Schwarze Löcher existieren nicht. Diese Feststellung war natürlich als Provokation gemeint, weil die meisten Forscher heutzutage ja von der Existenz Schwarzer Löcher ausgehen. In meinem obigen Blog Post spreche ich ein paar Problemstellen an. Vielleicht signalisieren uns Singularitäten tatsächlich, dass wir den Gültigkeitsbereich einer Theorie (hier Einsteins ART) überstrapaziert haben? Auf der anderen Seite erzwingen die Singularitätentheoreme nach Roger Penrose und Stephen Hawking die Existenz von Singularitäten – aber auch dieses Theoreme haben Voraussetzungen, die man genau prüfen muss.

    @adenosine
    Das Entscheidende am klassichen Schwarzen Loch sind sowohl Ereignishorizont, als auch zentrale (Krümmungs-)Singularität. Will man en Schwarzes Loch nachweisen, muss man streng genommen beides nachweisen.
    Den Nachweis des Horizonts bzw. einer dunklen Zone um ein Schwarzes Loch könnte den Radioastronomen in den nächsten Jahren gelingen, weil sie die räumlich beste Auflösung erzielen.
    Die Singularität kann man nicht mit elektromagnetischen Wellen, aber vielleicht mit Gravitationswellen nachweisen.
    Die Frage ist damit auch ein experimentelles, weil messtechnisches Problem, Jörg.

    @Florian
    Es stimmt nicht, dass die Stringtheorie Singularitäten verbietet – wie kommst Du darauf? Es ist sogar schlimmer: In der Stringtheorie wurden sogar nackte Singularitäten entdeckt, die also nicht verdeckt sind durch einen Ereignishorizont, sondern sichtbar wären.

    Beste Grüße,
    Andreas

  12. #12 adenosine
    02/14/2009

    @Andreas: Kann es einen Ereignishorizont ohne Singularität geben? Wer benötigt eine Singularität, oder was kann sie erklären?

  13. #13 Andreas
    02/14/2009

    @adenosine

    Singularitäten benötigt eigentlich keiner 😉 aber sie treten in den Lösungen einiger Gleichungen auf. Es ist so etwas wie eine Polstelle einer Funktion, z.B. der Funktionswert vom Tangens bei 90 Grad.

    Eine Singularität erklärt nicht unbedingt etwas, sondern sie sind in manchen Lösungen einfach da. Es ist die Frage, ob man die Lösung deshalb verwerfen sollte, weil bei Singularitäten komische Sachen passieren (Nicht-Prognostizierbares, Nicht-Physikalisches) oder ob man sie akzeptieren muss, wie Hawkings Singularitätentheoreme nahelegen.

    Mir ist keine Lösung bekannt, die ein Ereignishorizont hat, aber keine Singularität. Die Horizonte sind wichtig, weil sie die Singularitäten verhüllen. Penrose nennt das die “kosmische Zensur” (cosmic censorship) und erachtet das als ein wesentliches Prinzip.

    Beste Grüße,
    Andreas

  14. #14 adenosine
    02/14/2009

    @Andreas: Was ist wahrscheinlicher: Dass Unsere Realität tatsächlich Singularitäten enthält, oder dass die Modelle, die Singularitäten enthalten nicht genau genug sind? Enthält das o.g. Modell des Zusammengleben der Raumzeit aus Dreiecken einen Ereignishorizont ohne Singularität?

  15. #15 Stefan
    02/15/2009

    Danke für den Link!

    Ich kenn’ mich weder mit ART noch Singularitäten besonders gut aus, denke aber, daß “Singularitäten” in physikalischen Theorien immer Artefakte der verwendeten mathematischen Modelle sind – dort passiert halt etwas, was die üblichen Methoden so nicht beschreiben können.

    Zu der Frage nach den Horizonten: In der Januar-Ausgabe des Scientific American fragt die Titelgeschichte “Do Naked Singularities Break the Rules of Physics?“. Ich fand den Artikel überraschend, interessant und sehr pragmatisch – es gibt offenbar durchaus Situationen, die im Rahmen der ART auf Singuaritäten ohne Horizonte hinauslaufen und der Censorship-Hypothese widersprechen. Mir ist allerdings nicht ganz klar, ob diese Resulate als gesichert angesehen werden können.

    Viele Grüße, Stefan

  16. #16 Jörg Rings
    02/15/2009

    Danke für die Links und Infos, Stefan und Andreas (die sind mal wieder in der Moderationsschleife gewesen jeweils).
    Ich muss echt mein ART-Buch durchzwingen und mich etwas mehr damit befassen, dass ist echt interessant und ein bißchen Theorie, die auch der Bodenphysiker kennen sollte 🙂

  17. #17 Ronny
    02/17/2009

    Bißchen offtopic, aber hat jemand von euch die Stringtheorie verstanden ? Ich habs noch nicht verstanden warum die Mathematik hier nur mit Näherungen arbeiten kann.

  18. #18 Andreas
    02/17/2009

    @adenosine
    Die Einschätzung, ob Singularitäten existieren, wird von verschiedenen Physikern sicher unterschiedlich bewertet. Die einen sagen “Klar, muss es geben.” und verweisen auf die Singularitätentheoreme.
    Die anderen, z.B. ich, sind skeptisch und möchten gerne eine bessere Faktenlage, z.B. zum Nachweis des Ereignishorizonts mit Gravitationswellen.

    Positivistisch betrachtet kann man sich freuen, wie gut das klassische Schwarze Loch bislang die Natur beschreibt, aber es ist sicher nicht der Weisheit letzter Schluss.

    Die CDT, ein neuer Ansatz in den Quantengravitationstheorien, die “Dreiecke zusammenklebt” und daraus in einem Grenzfall auf die klassische vierdimensionale Raumzeit führt, steht noch am Anfang. Meines Wissens gibt es da noch keine Lösungen, die mit kompakten Objekten (wie Schwarzen Löchern oder Neutronensternen) in Zusammenhang gebracht werden können. Das Konzept steckt noch in den Kinderschuhen und ähnelt – man möge mir die Formulierung verzeihen – einem “toy model”.

    Beste Grüße,
    Andreas

  19. #19 Karl Mistelberger
    02/18/2009

    Es stimmt nicht, dass die Stringtheorie Singularitäten verbietet – wie kommst Du darauf? Es ist sogar schlimmer: In der Stringtheorie wurden sogar nackte Singularitäten entdeckt, die also nicht verdeckt sind durch einen Ereignishorizont, sondern sichtbar wären.

    Vielleicht ist alles noch schlimmer: Die Stringtheorie ist gar keine Theorie, siehe: https://www.rzuser.uni-heidelberg.de/~as3/M-Theorie.html

  20. #20 Jörg
    02/18/2009

    Ja Angriffe auf die String-Theorie bzw. M-Theorie gibt es zunehmend, es scheint auch ein bißchen durch das Internet mit-hochgekocht zu werden. Aber ich finde die selten besonders schlagkräftig, bzw weiß ich nicht recht worauf das hinauslaufen soll. Peter Woit ist besonders schlimm, der hat ein Buch dazu geschrieben und bloggt was das Zeug hält, muss man sich aber nicht antun, mir gibt es zumindest nichts.

  21. #21 Jörg
    02/19/2009
  22. #22 Teo
    07/14/2009

    Zuminest könnte die Stringtheorie im LHC durch Schwarze Löcher teilweise falszifiert werden.

    Hier wird auch darauf hingewiesen:
    http://www.lhc-facts.ch

  23. #23 achimhausg
    01/16/2012

    Ist zwar schon 3 Jahre her, aber bettet man die Relativitätstheorie in den Raum Theodor Kaluza’s ein, einen vierdimensionalen Raum+ Zeit (Eine Raumdimension mehr als der momentane Minkowskiraum) so ermöglichte das die Integrierung de Maxellschen Feldgleichungen, und, das ist das völlig irre, wird der Raum zu einer Variablen, von Null bis Unendlich. Wie momentan die Zeit auch schon.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Theodor_Kaluza_%28Physiker%29

    Übrig bliebe, zumindest aus der Sicht des Lichtes und/oder Dessen, was sich auf dem Energieniveau der Lichtgeschwindigkeit befindet (Geht ja auch mit Gravitation), eine energetische Singularität, … womit wir bei dem One-Electron-Universes Richard Feyman’s wären:
    https://en.wikipedia.org/wiki/One-electron_universe
    https://www.welt.de/debatte/kolumnen/Im_Gegenteil/article707147/Das_Elektron_als_Universum.html

    Gruß,
    Achim