Ein Artikel über Freeman Dyson aus der NY Times macht die Runde in der Blogosphäre, und es ist wirklich ein bemerkenswert gutes Stück. Und schön, dass man es kostenlos lesen kann, solch lange Zeitungsartikel bietet in Deutschland eigentlich nur Zeit auch online an, oder?
Freeman Dyson ist bereits 85 Jahre alt, und immer noch einer der bemerkenswertesten Denker unserer Zeit. Er hat, zusammen mit u.a. Feynman und Schwinger maßgeblich an der Entwicklung der Quantenelektrodynamik mitgearbeitet (und hätte auch den Nobelpreis verdient gehabt), und ist ein wahrer Futurist. Er denkt darüber nach, was andere höchstens in einem Science Fiction-Buch aufschreiben würden. Er hat Raumschiffe mit Atombombenantrieb designed (die kamen auch in Anathem vor), nach ihm sind die Dyson-Sphären benannt, Schalen um eine Sonne die optimal die Sonnenenergie ausnützen.
In letzter Zeit ist Dyson sehr angeeckt mit einer Haltung zur globalen Erwärmung, die auf den ersten Blick danach aussieht, dass ihm doch das Alter etwas mitgespielt hat. Aber bei so einer komplexen, streitbaren Persönlichkeit, deren Ansichten man nicht teilen oder verstehen muss (so ist er auch religiös, was meiner Ansicht nach überhaupt nicht zu einem vielschichtigen Denker passt). Also, vielleicht ist er wirklich ein bißchen stur, und widerspricht einfach nur aus Prinzip, weil es ihm widerstrebt wenn sich ein Konsens auskristalliert. Es scheint seine Natur zu sein, und auch wenn er dann mit seinen Aussagen falsch liegt, mag ihm das bewusst sein aber trotzdem füllt er eine Rolle aus, die auszufüllen sich gezwungen sieht. Einfach in die Ecke gesteckt zu werden, die von den selbst ernannten Klimaskeptikern beklatscht wird, ist sicherlich zu kurz gedacht, da hat Dyson mehr verdient, so gerne ich auch einfach sagen möchte: Ach Gott, noch so einer…
“I have the sense that when consensus is forming like ice hardening on a lake, Dyson will do his best to chip at the ice.” -Steven Weinberg
Das ist nicht leicht – Dyson hat leider in sehr deutlichen Worten seine Position ausgedrückt – dass die Gefahr durch die Erderwärmung stark übertrieben sei, dass es eine lausig schlechte Wissenschaft sei, dass man viel zu wenig Messungen habe etc. Möchte man antworten – c’mon du bist theoretischer Physiker, hast du dir schon mal die Hände dreckig gemacht? Aber er hat auch die Statur zu sagen – vielleicht bin ich der einsame Prophet oder vielleicht liege ich völlig falsch. Kaum ein anderer Wissenschaftler glaubt davon das erste…ich kenne auch keinen Modellierer der sich nicht ständig fürchterlich bewusst sind dass seine Modelle nur Modelle sind, und Dyson behauptet das Gegenteil. Ja, auch die üblichen Klimareligions-Sprüche hat er gelassen. Eine schwere Aufgabe, da noch Respekt für den Mann aufzubringen.
Erfüllt er eine Aufgabe, die man im Moment nicht braucht? Braucht es Mahner, die vor Übertreibungen warnen oder ist das sowieso wissenschaftlich selbstverständlich? Braucht es diese Mahner um zu verhindern, dass es irgendwann nicht mehr selbstverständlich ist? Ich habe das Gefühl, dass der Boden der Wissenschaft grundsolide ist und bewusst der Unsicherheiten, aber braucht es ständige Mahnungen damit es auch so bleibt? Vielleicht.
Jim Hansen sagt er dass er völlig übertreibt wenn er “Todeszüge” für Kohlezüge sagt. Ja, das muss gesagt werden, das ist unerträglich. Aber auch wenn Dyson differenziert und zugesteht, dass Kohle verbrennen keine gute Idee ist – ist es nicht auch dann wieder zu einfach zu sagen, ach ja, das kann man schon hinkriegen und in 50 Jahren haben wir alles aus Sonnenenergie. Spricht da der unverbesserliche Futurist?
“I don’t always know what he disagrees with entirely. His attitudes are complicated. There are many layers.” – Edward Witten
Der Artikel geht dann ausführlich auf Dysons Leben ein und versucht, seine Motive biographisch zu erkunden. Rundum lesenswert.
Was ist mein Eindruck? Ich denke, dass die meisten Aussagen von Dyson zum Klimawandel verdammt daneben liegen und seine Kritik auch nicht weniger übertreibt, als das was er kritisieren mag. Das ändert aber nicht daran, dass er eine mächtig beeindruckende Persönlichkeit ist und differenzieren kann und auch nicht denkt, dass er perfekt ist. Eines ist sicher – jeder Klima”skeptiker” der Dyson für seine Sache vereinnahmen möchte macht sich furchtbar lächerlich.
/edit: Wow, irgendwie hab ich es verdrängt dass Jürgen Schönstein auch schon dazu geschrieben hat. Nun, egal, lest seinen Artikel auch!
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