Anlässlich des Blogkarneval zum Thema Malaria und des World Malaria Day dachte ich mir, dass es eine gute Gelegenheit ist, sich mit dem Thema der Folgen der Klimaerwärmung auf die Ausbreitung tropischer Krankheiten, die durch Insekten übertragen werden (also z.B. Malaria) zu befassen. Gerade erst gab es dazu einen Artikel bei Nature News, der auf einen Schwerpunkt im Journal “Ecology” Bezug nahm.
Ich bin zwar kein Ökologe, aber habe mich dennoch mit dem Thema befasst, und muss sagen dass Ecology da ein tolles Konzept hat: Neben einem Hauptartikel, der eine Perspektive auf die Problematik gibt, gibt es das “Forum”, in denen fünf weitere kleine Paper dazu direkt Stellung nehmen, Kritik üben und weitere Aspekte hineinbringen. In einem Schlusswort fasst der Originalautor dann alles noch einmal zusammen. Eine gute Art, die sonst oft zerstückelte und über lange Zeiten verteilte wissenschaftliche Debatte zusammenzubringen und breit vorzustellen.
Aufgrund der Größe des Materials habe ich meinen Beitrag dazu in zwei Posts aufgeteilt. Im ersten, also diesem hier, erzähle ich über das Hauptpaper von Kevin Lafferty, und morgen, pünktlich zum World Malaria Day, über die weiteren Artikel aus dem “Forum”.
In “The ecology of climate change and infectious diseases” [1] bespricht Kevin D. Lafferty von der University of California in Santa Barbara die Vielzahl an Aspekten, die in eine Vorhersage eingehen müssen, wie sich die Klimaerwärmung auf die Verbreitung tropischer Krankheiten wie Malaria auswirken wird. Insbesondere bezieht er sich auf Krankheiten die durch “Vektoren” übertragen werden, so nennt man die Insekten, beispielsweise die Moskitos die den Malaria-Erreger auf den Wirt Mensch übertragen. Ich hoffe, dass andere Beiträge zum Blog-Karneval mehr dazu erklären und stürze mich in die Problematik des Klima.
Zunächst die Ausgangslage: Vor einigen Jahren haben erste Modellierbemühungen dazu geführt, dass man ziemlich drastische Effekte durch Ausbreitung der Verbreitungsgebiete der Krankheiten erwartete. Lafferty aber zeigt, dass die Problematik enorm komplex ist, dass die Ergebnisse inkonklusiv und facettenreich sind und dass neuere Modelle weniger dramatische Vorhersagen treffen.
Modelle
Wie hofft man, die Ausbreitung von Krankheiten vorhersagen zu können? Zur Modellierung gibt es grundsätzlich zwei Ansätze:
Die erste Klasse sind prozessbasierte (oder biologische) Modelle. Diese modellieren, wie wohnlich ein Gebiet für die übertragenden Insekten ist. Die Ausgabe kann dann ein Parameter sein, das das Potential zur Übertragung angibt, oder in besseren Modellen eine Zahl R0, die angibt, wieviele Wirte ein Insekt im Durchschnitt anstecken kann. Ist diese Zahl größer 1, könne sich die Krankheit ausbreiten. Die Faktoren, die das Modell beeinflussen, sind z.B. die Entwicklungsraten der Insektenlarven oder die Beißfreudigkeit, aber auch die Überlebensrate des eigentlichen Erregers (bei Malaria ein einzelliger Parasit). Das Modell verknüpft dann durch mathematische Beziehungen die Umweltverhältnisse (z.B. eben die Temperatur) mit diesen Faktoren.
Beispielsweise ist es bei Malaria so, dass der Parasit sich unter 18 °C nicht entwickeln kann, aber dass über 32°C die Moskitos nicht lange genug leben, um den Erreger zu übertragen.
Die andere Klasse an Modellen sind statistische Modelle, die durch Beobachtungen kalibriert werden. Man führt beispielsweise genaue Zählungen eines Parasiten/Überträgers durch und verknüpft diese statistisch mit den Einflussfaktoren (z.B. der Temperatur). Nach dieser Validierung an echten Daten kann man dann Projektionen in die Zukunft vornehmen. Die Verbindung zum Klima geschieht aber nur durch lineare Beziehungen.
Worum dreht es sich überhaupt?
Jetzt, wo wir wissen wie man modelliert, kann man genauer nachfragen: Was denn überhaupt? Worum gehts? Aus welche Art könnte eine Temperaturerhöhung die Ausbreitung der Krankheit beeinflussen?
Einen direkten Effekt hatten wir schon: wärmere Temperaturen beeinflussen die Entwicklung. Biochemische Prozesse beschleunigen sich, und Wachstum und Reproduktion können steigen. Aber auf Kosten größeren Energieverbrauchs – das kann vor allem im Larvenstadium das Insektenwachstum stören (wenn der Nahrungsbedarf zu hoch wird). Aber man muss auch damit rechnen, dass sich Insekten und Erreger an diese Änderungen anpassen können. Der Einfluss der Temperatur kann also neue Gebiete eröffnen – global weiter polwärts oder lokal in größeren Höhenlagen könnte sich die Krankheit ausbreiten. Möglicherweise gibt es auch Orte, die zu warm werden um die Krankheit zu beherbergen. Da wo die Krankheit ausbricht, kann die Temperatur auch Einfluss darauf haben, wie schwer die Krankheit verläuft.
Weiterhin erschweren indirekte Effekte die Bewertung – z.B. die Entwicklung der Artenvielfalt von Pflanzen und (Wirts)tieren.
Evidenz
Eine Vielzahl von Evidenz spricht für mögliche Einflüsse, die man bereits beobachten konnte. Es lassen sich aber auch viele weitere mögliche Erklärungen finden, und die wahre Ursache finden scheint oft ein enorm vielschichtiges Problem zu sein. Lafferty stellt eine Vielzahl von Studien vor, ich möchte nur ein paar interessante Aspekte herausgreifen.
Ein spannender Aspekt ist die Artenvielfalt, die zweifellos in tropischen Gebieten sehr viel höher ist, deren Einfluss daher bei der möglichen Verschiebung der Ausbreitungsgebiete einer Krankheit untersucht werden muss. Dies betrifft sowohl die Vielfalt an Parasiten, wie auch Überträgern und Wirten. Höhere Temperaturen = mehr Diversität = mehr Krankheiten? Nicht zwangsläufig – was ist wenn die Insekten so viele verschiedene Tiere beißen könnten, aber nur manche für die Krankheit empfänglich sind? Grundsätzlich vermutet Lafferty aber, dass ein Verstehen der Überträger-Diversität und der Orte, an denen sie sich entwickeln, ein Schlüssel zum Verständnis des Einflusses des Klimas ist.
Ein weiterer wichtiger Einflussfaktor auf die Ausbreitung in höhere Breiten ist, dass der Reichtum der Länder am Äquator wesentlich geringer ist, und die Krankheit sich in Regionen ausbreiten würde, in denen wesentlich mehr für Medizin und Bekämpfung der Überträger ausgegeben werden kann.
Zeitliche Zyklen
Inkonklusive Daten gibt es zum Einfluss von Jahresgang, und jährlichen Trends in der Temperatur (z.B. durch El Nino). Lafferty zitiert Studien, die für bestimmte Krankheiten klare oder weniger klare Korrelationen zwischen diesen Temperaturänderungen fanden. So z.B. die noch recht neue Erkenntnis, dass kalte Temperatur tatsächlich einen direkten (positiven) Einfluss auf Influenza-Viren haben.
Bei den saisonbedingten Einflüssen wird die Analyse dadurch erschwert, dass die Reaktion in Form von verstärktem oder geringerem Auftreten einer Krankheit erst mit Verzögerung einer Zahl an Monaten auftritt – weil z.B. eine regenreiche Saison die Entwicklung von Moskitolarven begünstigt, die dann später zahlreicher Malaria übertragen.
Zyklen über mehrere Jahre existieren auch aus anderen Gründen, und so ist es auch dort schwierig, ein eindeutiges Klimasignal auszumachen – oder wenn dann vielleicht so dass die Erklärung nicht auf der Hand liegt. Ausbrüche des Westnilfiebers folgen im Osten der USA nach feuchten Wintern, im Westen aber nach trockenen Jahren. Hier kann man eine Lösung finden, nämlich dass unterschiedliche Plätze für die Entwicklung der Moskitos wichtig sind. Während im Osten Pfützen oder künstliche Container wichtig sind, sind im Westen Feuchtgebiete der Entwicklungsort. So kann der wahre Einflussfaktor die Existenz von Fressfeinden der Larven sein – diese sind in den Feuchtgebieten vorhanden, aber eher nicht in Pfützen. So könnte eine Trockenzeit den Feinden in Feuchtgebieten schaden und somit den Insekten nutzen, während im Osten der USA ein feuchter Sommer mehr Pfützen und künstliche Brutplätze fördert.
Es werden ausführlich historische Daten besprochen, die in Archiven Temperaturänderungen mit Änderungen in der Verbreitung einer Krankheit untersuchen. So befand sich Britannien im 13ten Jahrhundert (lokal) in einer Warmzeit und es kam zu Malariaausbrüchen, die aber mit Einsetzen der Kleinen Eiszeit ab 1560 nicht aufhörten, sondern erst als sich die Art der Landnutzung (ironischerweise mit wärmerem Klima) änderte.
Lafferty kann aber auch zeigen, dass Gelbfieberausbrüche in den USA zwischen 1668 und 1905 mit höherer Wahrscheinlichkeit El Nino-Ereignissen folgten – aber auch dass sich dadurch nur 4% der Variation der Epidemie erklären lassen.
Ein gutes Beobachtungsfeld für den Einfluss des Klimas sind die 3,3% der Erdoberfläche, die sich seit 1951 bereits in eine andere klimatische Region verschoben haben. Hier werden aber vor allem Änderungen in der Ausbreitung von Tieren und Pflanzen untersucht – und obwohl der Klimaeinfluss feststellbar ist, ist die Zerstörung von Lebensraum durch den Menschen der maßgebliche und überdeckende Faktor für die Verschiebungen.
Fazit
Zu all diesen Punkten fasst Lafferty zusammen, dass es fast immer mehrere beeinflussende Faktoren gibt, und eine eindeutige Zuordnung zu Änderungen durch Klimawandel selten möglich ist, andererseits aber auch viel dafür spricht, dass es Änderungen durch Erwärmung gibt. Vor allem nennt er, dass mit einem Zurückgang der Biodiversität zu rechnen ist, und vielleicht krankheitsübertragende Insekten in manchen tropischen Regionen aussterben.
Seine Vermutung ist, dass die Modelle momentan darauf hindeuten, dass sich die Ausbreitungsgebiete tropischer Krankheiten zwar verschieben werden, aber derart, dass sich verlorene und gewonnene Ausbreitungsgebiete der Krankheit in etwa die Waage halten.
[1] Kevin D. Lafferty (2009) The ecology of climate change and infectious diseases. Ecology: Vol. 90, No. 4, pp. 888-900. doi: 10.1890/08-0079.1
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