Vor zwei Wochen hatte ich versucht, das Phänomen der Supraleitung zu erklären. Genauer gesagt ging es dabei um die Supraleitung vom Typ 1, die durch die BCS-Theorie (Bardeen, Schrieffer und Cooper) erklärt werden kann. Ich möchte kurz noch einmal Typ 1 zusammenfassen und um einige Punkte erweitern, um dann die Supraleitung vom Typ 2 anzureißen, die verstanden ist, aber nicht vollständig oder so gut wie die vom Typ 1.

Supraleitung bedeutet für uns hauptsächlich, dass ein Leiter den elektrischen Strom ohne Verlust, also ohne elektrischen Widerstand leiten kann.
Die Temperatur T_c (c für critical/kritisch) ist maßgebend für die Supraleitung. Unterhalb dieser Temperatur bildet sich der gemeinsame quantenmechanisch kondensierte Zustand der Cooper-Paare, der den elektrischen Widerstand auf 0 senkt. Weil die Auswirkung der Temperatur sich als gequantelte Gitterschwingung äußert, die man als Phonon bezeichnet, reicht unterhalb der kritischen Temperatur die Energie eines Phonon nicht aus, ein Cooper-Paar aufzubrechen. Das ist vergleichbar mit der Quantelung der Lichtenergie, die Einstein eingeführt hat. Hier reicht die Energie eines langwelligen Photon nicht aus, ein Elektron aus einem Atom zu schlagen.

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Daneben gibt es aber eine weitere charakteristische Eigenschaft der Supraleiter, die bereits 1933 entdeckt wurde: den Meißner-Ochsenfeld-Effekt. Im Bild sieht man, wie ein magnetisches Feld im Leiter beim Übergang in die supraleitende Phase aus dem Leiter verdrängt wird. Das bietet auf den ersten Blick die Möglichkeit, festzustellen, wann der Leiter die Phase wechselt, man muss nur das Magnetfeld beobachten.
Man konnte durch die London-Gleichungen den Effekt erklären, lange bevor man die vollständige BCS-Theorie hatte. Dabei stellt man aber fest, dass das Feld am Rand des Supraleiters nicht vollständig verdrängt ist, sondern (wie das so ist in der Quantenwelt) noch ein Stück weit eindringt und nur exponentiell abnimmt.
Man kann das auch so beschreiben: Normalerweise haben Photonen ja keine Ruhemasse und können als Austauschteilchen der elektromagnetischen Kraft über beliebige Strecken wirken. Das elektromagnetische Feld ist also masselos. Ein Magnetfeld in der supraleitenden Phase wird aber formal mit Masse beschrieben und hat daher nur endliche Reichweite. Das ist ein bemerkenswerter Ansatz – vor allem weil er den Higgs-Mechanismus zur Erklärung der Masse von Teilchen motiviert hat. Es ist immer spannend zu sehen, wie unterschiedlich Festkörperphysik und Teilchenphysik an der Oberfläche sind, und wie sich die unterliegende Physik dann plötzlich wieder als vergleichbare Phänomene herausstellt!

Jetzt wollen wir das aber nicht vertiefen, denn erstens habe ich keinen Plan von Quantenfeldtheorien und zweitens sollte das nur die nötige Motivation bringen, um den Typ 2 vorzustellen. Supraleiter vom Typ 2 haben nämlich zwei kritische Temperaturen. Unterhalb von T_c1 verhalten sie sich wie Supraleiter vom Typ 1, aber dann gibt es noch den interessanten Bereich zwischen T_c1 und einer höheren Temperatur T_c2. In diesem Bereich ist der Leiter im Prinzip noch supraleitend durch Cooper-Paar-Bildung, aber es können Magnetfeld in Form von Schläuchen eindringen und durch den Leiter wandern.
Vor der BCS-Theorie gab es eine phänomenologische Theorie zur Supraleitung, die Ginzburg-Landau-Theorie von 1957. Hier treten zwei charakteristische Größen auf: Die London-Eindringtiefe des Magnetfeldes am Rand und eine Kohärenzlänge, die den mittleren freien Weg der Ladungsträger angibt. Im Typ 2-Bereich wird diese kleiner als die Eindringtiefe des Magnetfeldes (was natürlich ein äußeres Magnetfeld genügender Größe voraussetzt), und dadurch entstehen die Schläuche. Auch hier ist wieder eine Quantelung – ein Schlauch trägt ein Vielfaches des Quant des magnetischen Flusses – das ist in etwa das magnetische Äquivalent zum elektrischen Strom.

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Durch die Schläuche bekommt der Supraleiter einen elektrischen Widerstand, aber nur einen geringen. Vor allem durch die Wechselwirkung mit dem fließenden elektrischen Strom wirkt eine Lorentz-Kraft auf die Schläuche, sodass diese wandern. Dadurch hat der Leiter einen geringen elektrischen Widerstand, aber typischerweise noch bei etwas höheren Temperaturen als im Typ 1.
Bei bestimmten, relativ neu entdeckten Arten der Hochtemperatursupraleiter, findet man sogar supraleitende Phasen bei bis zu -90 °C. Das ist noch nicht ganz verstanden, aber hier sorgen bevorzugte Fließrichtungen des Stroms und eingebrachte Störstellen, die die Flussschläuche festpinnen dafür, dass auch bei diesen (im Vergleich) hohen Temperaturen noch Supraleitung herrscht.

Weitere Informationen:

Welt der Physik – Hochtemperatursupraleiter

Bildquellen:
(1) Wikimedia Commons, Urheber Piotr Jaworski
(2) Welt der Physik