Bei den vielen Diskussionen, die wir hier und die es auf vielen anderen Seiten gibt, befinden sich gerade viele zu “alternativen” Heiltechniken, also, das kann man beruhigt sagen, Techniken die auf Mystik und Aberglauben beruhen, z.B. Akupunktur oder Homöopathie. Auch wenn man nicht an den Fluss von Chi glaubt könnte ja trotzdem das Nadelstechen einen Zweck haben, aber klinische Studien unter den höchsten Qualitätskriterien – doppelte Verblindung und Vergleich mit Kontrollgruppen – zeigen: Auch Akupunktur wirkt nur durch den Placebo-Effekt. Und bei Homöopathie, zu der James Randi, alles gesagt hat, ist es sowieso klar dass da nur ein Placebo-Effekt auftreten kann. Nichtdestotrotz ist das auch durch klinische Studien durch die wissenschaftliche Methode belegt worden.
Jetzt kommt aber immer wieder: Ja aber wenn es ja hilft…lasst doch die Leute.

Was also ist falsch daran, den Placebo-Effekt einzusetzen? Zunächst einmal setzt das natürlich voraus dass die Methode tatsächlich ohne Gefahren ist. Und tatsächlich sind die möglichen Effekte gering (z.B. Entzündungen und Infektionen bei der Akupunktur, wenn Nadeln “traditionell” nur in Alkohol aufbewahrt werden) oder die schlimmeren Effekte (Lungenpunktierung) sehr selten. Bei wirklichen gesundheitlichen Schäden ist aber meistens der Mensch schuld. Wie in dem Fall in dem ein Homöopath in den USA sein kleines Mädchen grausam über Monate hat zugrunde gehen lassen, weil er es nur homöopathisch, also nicht mit Medizin, behandelt hat. Aber das sind Extremfälle, die nicht als Regel gelten. Nichtdestotrotz sind es zwei Punkte, durch die sich der Einsatz von “alternativen” Methoden pur als Placebo verbietet.

1. Placebo entmündigt den Patienten. Ein Placebo ist umso stärker, wenn man stäker davon überzeugt ist. Aber wir leben in einem Zeitalter, wo man eigentlich Bildung und Aufgeklärtheit vor alles andere stellen müsste, weil es die größte Errungenschaft der Menschheit ist. Da passt es nicht dazu, Menschen in einem Irrglauben zu belassen.
Außerdem ist das eine furchtbar arrogante Sichtweise, zu sagen: Ich bin besser, ich weiß das, aber wenn “den Leuten” hilft, dann lasst “die” mal. Bah! Stattdessen müssen wir uns freuen, die Chance erhalten zu haben uns zu bilden und müssen dafür sorgen, dass unsere Mitmenschen Zugang zu dieser Information erhalten und dass unsere Kinder die Chance bekommen, eine bessere Ausbildung zu erhalten, die den Wert der wissenschaftlichen Methode als beste Art des Wissensgewinn vermittelt.

2. Der Wert der wissenschaftlichen Methode wird verwässert. Nicht die beste Methode einzusetzen, um gegen Krankheiten zu kämpfen oder viel allgemeiner Wissen zu erlangen ist moralisch verwerflich. Wie kann ich jemandem ein Placebo geben und erwarten, dass er versteht dass die wissenschaftliche Methode die beste ist die wir haben? Derjenige der denkt, Akupunktur hilft wird nicht bereit sein anzuerkennen, dass klinisch nach bestem Können durchgeführt Studien besser sind – denn sie machen sich frei von menschlichem Willen und suchen nur nach Fakten.
Wo kommt denn diese ganze Abneigung gegen Wissenschaft her? Daher, dass nicht ausreichend geschult wird, wie diese Methode aussieht, was sie leisten kann und welche Beliebigkeit droht, setzt man sie nicht ein! Wie passt es da ins Bild, den offensichtlichen intellektuellen Betrug an Menschen durch Placebogabe zu rechtfertigen?
Außerdem führt das ganze in der Spitze zu solchen Extremfällen wie oben. Dass Leute Glauben in ihren Homöopathen gewinnen, dass der tatsächlich heilen könnte. Und die scheinen gerne zu “helfen”. In “Trick or Treatment” ( auf deutsch Geusnd ohne Pillen), einem wirklich hervorragenden Buch, wird beispielsweise beschrieben, dass eine Studentin vorgab nach Westafrika reisen zu wollen, wo ein besonders gefährlicher Malaria-Stamm vorherrscht. Da sie das herkömmliche Malariamedikament schlecht vertrage, suchte sie nach Alternativen. Und! Die meisten Homöpathen wollten ihr tatsächlich helfen! Im Vergleich dazu hat sie bei einem Arzt eine Beratung bekommen, wie man sich gegen Mückenstiche schützt, wurde über ihre medizinische Geschichte befragt und bekam mehrere Alternativ-Medikamente empfohlen.
Und ja, es gibt Leute die glauben dass ein homöopathisches Mittel gegen Malaria helfen könnte – wie sollen sie auch glauben dass nicht, es hilft ja auch bei Kopfschmerzen oder Erkältung!

Wir können niemanden entmündigen. Es ist unsere gesellschaftliche Aufgabe als Skeptiker und/oder Wissenschaftler, den besten Stand des Wissens zu kommunizieren. Hey – es wird keiner dagegen sprechen, wenn man einer Oma auf der Krankenstation ein Glas Wasser als Schlafmittel verkauft, ich denke ihr wisst aber was ich meine.

Kommentare (10)

  1. #1 Christian W
    05/07/2009

    Ich stimme dir in Allem zu. Es gäbe noch viel mehr dazu zu sagen – zum Beispiel der wichtige Grundsatz, dass aus medizinischer Sicht “so gut wie ein Placebo” nicht anderes als “unwirksam” bedeutet und nicht etwa “unschädlich” oder sogar “auf milde Weise kurierend” oder dass der Effekt von Placebos vor allem deshalb nicht verlässlich angewandt werden kann, weil man nie wissen kann, ob sich der Effekt jetzt eingestellt hat oder sich das Problem (bspw. ein Schnupfen oder eine vorübergehende allergische Reaktion) auch ohne jede Behandlung erledigt hätte – aber auch ein kompakter Blogeintrag hat seine Vorteile.

    Grüße
    Christian W

  2. #2 fatmike182
    05/07/2009

    @ Christian W
    nein, Placebo heißt medizinisch _nicht_ unwirksam! Deswegen testet man ja (fast) alles gegen Placebo. Sie es als Vergleichtswert, als Tara. Oder zB wenn eien neue Methode/Medikation entwickelt wird testet mana uch gegen die alte — ist dann die alte methode unwirksam?
    PLacebo heißt sehrwohl wirksam, aber nicht spezifisch auf das Verabreichte bezogen. Und nur die Verabreichung kann man medizinisch steuern.
    Das Einstellen eines Effektes kann man ja diagnostisch auch eruieren, st also auch nicht das große Problem; der Einsatz von Placebo (empfehle an dieser Stelle das da: https://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/01/43/dokument.html?titel=Wundermittel+im+Kopf&id=53533410&top=SPIEGEL&suchbegriff=nervensystem&quellen=&qcrubrik=natur) ist aber eben bei Menschen unterschiedlich.

    @ Topic
    super Eintrag!
    Ich halte von den Mystiken der HP, Akupunktur, usw garnichts, bin aber der Meinung, dass diese Methoden auf jeden Fall dort einstweilen eingesetzt werden sollen, wo die EBM noch keine Erfolge verbuchen kann. Soweit ich weiß, ist das bei der Akupunktur durch die deutschen Krankenkassen bereits so ähnlich geregelt.
    Optimal wäre es, wenn man dann die ganze Chi/Meridiane/Potenzierungs/…-Theorie weglassen könnte und einfach ein Palcebo so verabreicht. Vermute, dass der Unterschied unmerklich ist.

  3. #3 Christian W
    05/07/2009

    @fatmike182
    In Ordnung, ich sollte meinen eigenen Rat beherzigen und nicht so endgültig über Dinge schreiben, die ich nicht ganz verstanden habe.

    Grüße
    Christian W

  4. #4 JörgR
    05/07/2009

    @fatmike182
    Ja, alternative Methode wo es kein EBM gibt ok, aber nur wenn der Patient umfangreich informiert wird was er bekommt und wenn sichergestellt wird, dass die Ansprüche an die Behandlung ebenbürtig sind zur Medizin (Dokumentation von Problemen, Nebenwirkungen, Fehlbehandlungen etc.)
    Und keine Voodoo-Sachen wie Homöpathie, und bei z.B. Akupunktur keine Erzählungen von Energieflüssen im Körper…

    Aber ich schreib auch nochmal über “Trick or Treatment” wenn das raus ist, das ist echt eine super geschriebene Zusammenfassung.

  5. #5 fatmike182
    05/07/2009

    Im Spitalsbereich von mir aus auch ohne genauerer Aufklärung, wenn nicht anders möglich & überwacht (um den Placeboeffekt zu verstärken).
    Das gute an der Sache ist, dass viele Leute ohnehin keine Ahnung von den belustigenden Theorien hinter der Esoterik haben; so glaubte meine Mutter, dass HP nichts anderes als pflanzliche Medizin ist (aber nach pharmazeutischem Wirkmuster) und, dass bei Akupunktur Nervenbahnen aktiviert werden. Da sieht man, dass es bei schlechten Produkten immer besser ist, die Konsumenten nicht ganz darüber aufzuklären

    ad Trick or Treatmet
    neue Auflage?
    Bei Amazon finet man ja erwartungsgemäß neben vielen 5*-Votern auch 1*-Votes, wirst du auch auf deren “Gegenstudien” eingehen?

  6. #6 JörgR
    05/07/2009

    Aber das ist es doch, was ich sagen will: Dass der Konsument aufgeklärt werden MUSS. Wir sind doch nichts besseres, dass wir uns so benehmen dürften, nur weil es zum angeblichen besten der Patienten ist. Das sind mündige Bürger, die dürfen selbst entscheiden – nachdem sie alles Wissen dazu haben.

    Trick or Treatment ist so gut geschrieben, dass auf alles eingegangen wird, und daraus schlicht die möglichen wissenschaftlichen Konsequenzen gezogen werden. Die besprochenen Studien sind eh meistens die großen zusammenfassenden Studien, und auch die zeitliche Entwicklung dieser Studien.

  7. #7 katzograph
    05/13/2009

    An die Alternativen : “Es ist der größte Fehler im Leben, den Verstand auszuschalten!”
    An die Wissenschaftler: “Genau so groß ist der Fehler, sich nur auf den Verstand zu verlassen.”
    Stammt nicht von mir, sondern von irgendeinem Schreiberling. ISt aber was wahres dran.

  8. #8 S.S.T.
    05/13/2009

    @ katzograph

    Nichts gegen Intuition, Kekulé soll ja seine Benzolformel auch im Traum eingefallen sein. Nur sollte man nach jedem Geistesblitz seinen Verstand einschalten und prüfen, ob es tatsächlich ein Blitz und nicht nur Dünnpfiff war. Es ist nun mal leider so, dass die weitaus meisten genialen Ideen nichts als Schrott sind und beim ersten Test versagen, deswegen hört man auch so wenig von ihnen. Der Lebensraum von genialen Schrottideen sind z.B. der alternative med. Bereich, sowie die Bereiche des Glaubens und des Aberglaubens. Bereiche, in denen Menschen dazu neigen “den Verstand auszuschalten”.

  9. #9 katzograph
    05/15/2009

    @S.S.T.

    Nette Interpretation, aber ich denke, das war damit nicht gemeint. Wenn man sich über Wissenschaft unterhält, nehmen wir hier mal stellvertretend die Medizin, so stellt man schnell fest, es gibt über den Gesprächsgegenstand unterschiedliche Ansichten und Bewertungen.
    Es soll Leute geben, jaja, doch doch, die unsere Medizin so wie sie ist nicht mögen und sich eine andere Art der Behandlung wünschen. Die meisten landen dann schnell bei der sogenannten Alternativmedizin. Dort fühlt man sich besser aufgehoben und verspürt den starken Wunsch, dass diese Art Medizin auf ebenso klaren Regeln basiert, wie die offizielle Medizin. Und an diesem Punkt setzt die Warnung, nicht den Verstand auszuschalten, ein. Nur weil man etwas wünscht, muß es noch nicht real sein. Bedauerlicherweise wird dieser einfache Rat aber oft nicht berücksichtigt und deshalb führt man dann den Glauben als Beweis und hängt im Zweifelsfalle dem Blödsinn nach.
    Anders herum ist es genau so wichtig, nicht nur den Verstand, hier im Sinne von erfolgtem wissenschaftlichen Nachweis gemeint, als alleinigen Entscheider anzuerkennen. Nicht alles, was noch nicht bewiesen ist, ist deshalb nicht existent.
    Sehr beliebt bei den Spöttern ist immer das Beispiel mit der Erde als Scheibe. Nun, bevor der Gegenbeweis erbracht wurde, war das eine durch Übereinkunft anerkannte Tatsache in unserem Kulturkreis mit zum Teil aus heutiger Sicht lachhaften Argumenten. Dass es zu anderen Zeiten in anderen Kulturen andere Erkenntnisse schon früher gab, spielte da keine Rolle. Wenn denn nicht irgendjemand das G e f ü h l hatte, dass da irgendwas nicht stimmt mit der Scheibe und dann mit Wissen aus anderen Disziplinen feststellen und begründen konnte, dass wir es mit einer Kugel zu tun haben, wäre es nach dem heutigen Wissenschaftsverständnis immer noch eine Scheibe, da keiner einem Gefühl nachgenben und die Sache erforschen würde.
    Dank anderer Wissenschaftszweige sind wir heute in der Lage, die Kugelform der Erde auch für Nichtwissenschaftler auch in Form von Bildern aus dem Weltenraum zu beweisen.
    Nur sehr hartnäckige Verfechter der Scheibenfraktion würden sowohl Berechnungen als auch die Bilder für eine Fälschung halten.

    Gruß
    katzograph

  10. #10 casismart
    04/01/2010

    Kann ein Placebo eine chemische Reaktion im Körper auslösen?
    Ich frage, weil ich ein wenig verwirrt bin.

    Im Buch “Klinische Psychologie” von Ronald J. Comer heisst es:
    “Warum haben Placebos eine medizinische Wirkung? Es ist zu vermuten, dass sie auf rein psychologische Weise wirken-dass die Macht der Überzeugung eine fast magische Wirkung auf den Körper ausübt. So kann zum Beispiel auch eine Annahme oder die Erwartung eines Ereignisses chemische Reaktionen im Körper auslösen, die dann eine bestimmte Wirkung haben. Bei Opiatabhängigkeit konnten solche klassisch kondidionierten Reaktionen am Rezeptorniveau nachgewiesen werden (Sauro und Greenberg 2005).”

    Weiter heisst es:
    “Die biochemischen Körpersubstanzen, die an solchen Prozessen beteiligt sind, sind Hormone, Lymphozyten und Endorphine, natürliche, körpereigene opioide Substanzen(…). Howard Brody vergleicht den Placebo-Effekt mit einem Apothekenbesuch: Unsere Körper sind dazu fähig, viele Substanzen zu erzeugen, die eine grosse Anzahl von Krankheiten heilen können und uns generell gesünder und aktiver fühlen lassen. Wenn der Körper diese Substanzen absondert, erleben wir oft das, was als “spontane Heilung” bezeichnet wird. Manchmal ist unser Körper träge in seinen Reaktionen, und eine Botschaft aus der Umwelt kann als Weckruf für unsere innere Apotheke dienen. Die Placeboreaktion kann als eine solche Reaktion der inneren Apotheke auf einen Wckruf angesehen werden (Brody 2000, S.61).”

    Aber bei sciencebasedmedicine (https://www.sciencebasedmedicine.org/?p=4304) heisst es wie folgt:
    “There is no measurable physiological benefit from placebo interventions for any objective outcome. There is a measured benefit for some subjective outcomes (mostly pain, nausea, asthma, and phobias), but the wide variation in effect size suggests this is due to trial design (and therefore bias) rather than a real effect.”