Eine Lebenszyklus-Analyse im Rahmen von Untersuchungen zum Einfluss von Verkehrsmitteln auf die Umwelt stellt eine deutliche verbesserte Grundlage zur Bewertung dar. Jetzt ist eine neue Analyse erschienen, die in größerem Umfang versucht, für die Verkehrsmittel Auto, Bus, Bahn und Flugzeug diese Rechnungen aufzustellen.

Auf dem herkömmlichen Weg gehen bisher die meisten Untersuchungen, vor allem auch die, die politische Entscheidungen motivieren, nur nach dem Energieverbrauch, der notwendig ist um das Auto, die Bahn oder das Flugzeug voranzutreiben.
Zwei Zauberworte: “Mitigation” – Aktionen die den schädlichen Einfluss des Menschen auf die Umwelt zurückfahren.
Und: “Lebenszyklus-Analyse” – die komplexere Methode, bei der man nicht nur am Auspuff riecht und sagt – bah das Auto stinkt mehr als die Bahn, also ist es schädlicher. Neben dem puren Energieverbrauch tritt jetzt ein ganzer Gemischtwarenladen an Drumherum hinzu – praktisch alles was hinzugehört. In einer aktuellen Veröffentlichung von Mikhail Chester und Arpad Horvath von der UC Berkeley in den Environmental Research Letters umfasst der Katalog 79 Komponenten – aufgeteilt nach Automobilen, Bahn und Flugzeug.

Dazu gehört einmal der tatsächliche Betrieb, also fahren, aber auch Leerlauf an der Ampel. Beim Flugzeug wird nach verschiedenen Flugphasen wie Steigen, Sinkflug, Landen etc. unterschieden. Auch für die verwendeten Treibstoffe wird die Entsehungsgeschichte betrachtet.

Dann kommt die Kiste mit dem Vorher und Währenddessen – die Herstellung des Autos, z.B. auch die Extraktion des Eisen aus dem Erz; der Unterhalt, also Reparaturen und Reinigung. Und sogar die Versicherungskosten für das Personal dazu.

Und schließlich die Infrastruktur – Autos brauchen Asphaltpisten, Züge brauchen besonders viel Infrastruktur – Schienen, Signalanlagen, Oberleitungen, Bahnhofsgebäude.

Wenn man das jetzt alles aufrechnet erhält man einer Steigerung des Ausstoss an Treibhausgasen und des Energieverbrauches über den puren Kraftstoffverbrauch des Vehikels – und zwar findet die Studie (US-spezifisch) 63% mehr für Kraftfahrzeuge, ganze 155% für Züge und nur 31% für Flugzeuge. Das bedeutet eine deutliche Verschlechterung für die Züge!

Auch interessant ist die Herkunft der Antriebsenergie – Züge an der Westküste, die eigentlich schwerer und teurer im Unterhalt sind, stehen plötzlich besser da weil in San Francisco 49% des Stroms fossilen Ursprungs sind und in Boston trotz leichten Züge 82% fossile Brennstoffe zur Stromgewinnung das Ergebnis stark beeinflussen.

Schließlich weisen die Forscher auch noch darauf hin, dass die Besetzungsstärke des Transportmittels zu sehr vernachlässigt wird – denn dann kann es plötzlich passieren, dass eine halbbesetzte Boeing 737 pro Personenkilometer besser ist als ein halbbesetzer Zug in Boston!

Ich weiß jetzt nicht, wie gut die genauen Prozentangaben alle stimmen, das Paper ist sehr knapp und dazu müsste man wohl die Dissertation, die dahintersteht, durcharbeiten. Aber ich fand diese Art der Studie erwähnenswert, da sie wieder schön die Komplexität eines Problems aufzeigt, aber auch dass Rahmenwerke operationell werden, die diese komplexe Art von Bewertung erlauben und auf Aspekte hinweisen, auf die man stärker achten muss. Interessant wäre es jetzt, diese Art der Bewertung auch auf Europa zu übertragen.

Quelle: Mikhail V. Chester and Arpad Horvath (2009): Environmental assessment of passenger transportation should include infrastructure and supply chains. Environ. Res. Lett. 4 024008

Kommentare (15)

  1. #1 fs
    06/09/2009

    Tja, sind wohl ne Woche zu spät dran für die Spritschlucker von GM *scnr*

  2. #2 Christian A.
    06/10/2009

    Und dann würde mich noch die Bilanz eiens Fahrrads interessieren … 🙂

  3. #3 JörgR
    06/10/2009

    Fahrrad? In den USA? 😉

  4. #4 UweR
    06/10/2009

    Wer hat denn die Studie finanziert?

  5. #5 JörgR
    06/10/2009

    Amerikanische Steuerzahler…

  6. #6 Ronny
    06/10/2009

    Die Bilanz eines Fahrrads wäre sicher auch interessant.
    Wenn man folgendes bedenkt:
    – Herstellung in China in vermutlich nicht gerade umweltfreundlicher Fabrik
    – Transport um die halbe Welt
    – Erhöhter CO2 Ausstoß des Fahrers
    – eher magere Kilometerleistung im Schnitt
    – Verschrottungskosten

    Wär schon interessant wieviel CO2 pro Kilometer da rauskommt 🙂

  7. #7 JörgR
    06/10/2009

    Verschrottung wurde übrigens in der Studie nicht berücksichtigt, aber ein Fahrrad gibt es auch nicht umsonst. Wenigstens ist es immer vollbesetzt 🙂

  8. #8 Gregor E
    06/10/2009

    Mal abgesehen davon, dass die Deutsche Bahn 13% ihres Stroms aus regenerativen Quellen (u.a. Wasserkraft) bezieht und noch mal über 8% durch generatorische Bremsen “recyclet” werden, laufen Züge bedeutend verschleißfreier als jedes Automobil und sie tragen keine Schadstoffe unmittelbar in hohen Luftschichten ein. Die Fahrwege nehmen auch weniger Platz ein und sind besser instand zu halten als Autobahnen.

    Ich weiß durchaus die Vorzüge des Individualverkehrs zu schätzen und bin begeistert von der Geschwindigkeit, mit der Flugzeuge einen an jeden Punkt der Welt bringen, aber eine Studie, die Autos und Flugzeuge gesund betet, halte ich für kontraproduktiv und parteiisch.

    Es wird zeit, Studien zu verfassen, wie man Leute zur besseren Nutzung des ÖPNV kriegt und wie man diesen effizienter machen kann (leere Züge und so). Und wie gesagt – in Deutschland ist es durchaus möglich, viele Wege mit dem Fahrrad zu erledigen.

    Das ist eine Wohlfühl-Studie für die Stammtisch-Habichsdochgewußt-Fraktion, die nachher besoffen mit ihrem 3-Tonnen-Merzedes die 500 Meter nach Hause fährt und ehrlich gesagt – so was kotzt mich an.

  9. #9 Christian A.
    06/10/2009

    @Jörg: Stimmt, hast auch wieder recht … Na ja, soweit ich weiß sind die Verhältnisse da auch ein büschen anders, mehr Pendler und Vorstädte/Wohnbunkersiedlungen außerhalb (auch wenn die zur Zeit etwas vergammeln). Aber ich weiß, hier in D. kann ich gut mitm Rad zur Arbeit fahrn 🙂

  10. #10 Ronny
    06/10/2009

    @Christian
    In Deutschland gibts viel Flachpampa, da ist es schon leichter als bei uns Ösis. Wenn man auf den 20km zur Arbeit 3 Bergwertungen hat, dann überlegt man es sich ob man dann voll verschwitzt in der Firma hockt. Ich würde gerne mit dem Rad fahren, aber aus obgenannten Gründen ist es kaum möglich.

  11. #11 Christian A.
    06/10/2009

    Ja, und ich bin mitten in der Flachpampigsten Gegend, die es es gibt. Norddeutsche Tiefebene 🙂
    Ne Zeitlang hab ich in einem Labor gearbeitet, wo auch eine vernünftige Dusche drin war. Zu der Zeit hatte ich auch noch eine längere Strecke als heute, so 24 km, und da war ich über die Möglichkeit, mich mal eben abzubrausen, sehr erfreut. Ich komm bei Strecke auch ohne Bergwertung ins Schwitzen 😉

  12. #12 JörgR
    06/10/2009

    @Gregor: Sorry, aber das stimmt hinten und vorne nicht. Die Autos schneiden definitiv am schlechtesten ab, ganz weit hinten sind vor allem Dieselbusse, warum weiß ich nicht genau. Flugzeuge sind unter Umständen nicht so schlecht, aber generell hat der Zug die Nase vorne. Die Studie zeigt nur, dass man es eben nicht so einfach machen kann. Außerdem habe ich auch gesagt, dass die Daten US-spezifisch sind, und nicht weiß wie es bei der Bahn aussieht. Und die Bewertung der Kosten für Reparaturen ist in der Studie drin, also verlasse ich mich eher darauf als auf Bauchgefühl eines Kommentators, sorry.

  13. #13 Anhaltiner
    06/10/2009

    Das Problem mit mit fast leeren Zügen lässt sich am einfachsten lösen, indem man einen Wagon abkoppelt. Bei uns fährt die private Burgenlandbahn mit sowas wie einer breiteren Staßenbahn, und auf ähnlichen Strecken verkehrt die DB mit Lok und zwei bis vier Wagon. Auch wenn beide Strecken gleich gut besucht sind gähnt die Leere im DB-Zug doch ganz gewaltig.

    @Gregor musst aber aufpassen das es dann keine Wohlfühl-Studie pro ÖPVN wird, nach dem Motto: “das Ergebnis steht fest, lasst uns mit der Studie anfangen” Ob eine Studie gut oder schlecht ist, sollte m.M.n nicht vom Ergebnis abhängen. (Ich gugg gerade auf den Schornstein eines Kohlekraftwerkes mit Bahn-Strom-Generator – da kommt schon ganz schön viel Qualm raus)

  14. #14 Gregor E
    06/10/2009

    Hallo (und @) Jörg,

    ich wollte Dich nicht angreifen.

    Aus Deinen Beschreibungen hatte ich den Eindruck gewonnen, dass die fragliche Studie die Dinge so zurecht gebogen hat, dass Autos und Flugzeuge plötzlich besser sind als Züge. Inzwischen habe ich https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,629267,00.html gelesen und weiß es besser. Vergebung.

    Der Hut mit der Besetzungsstärke ist allerdings nicht wirklich neu ( https://blog.moveco.de/mitfahrzentralede/so-reisen-sie-umweltbewusst-der-co2-vergleich/ ).

    Und Lebenszyklusanalysen, die versuchen alle Phasen und möglichst alle Details der Herstellung, Nutzung und Entsorgung eines Gegenstands einzubeziehen (Thema Primärenergieverbrauch), sind heute auch keine Sensation mehr.

    In so fern zu meiner Verteidigung: die Annahme, dass da einer versucht hat, mit altem Wein in neuen Schläuchen Wirtschaftsprodukte krisenfreundlich zu rechnen, war nicht so weit hergeholt.

    Tatsache ist aber wohl viel mehr, dass diese Studie versucht, verschiedene Szenarien zu entwickeln und gegenüber zu stellen, so dass sich daraus Schlüsse ziehen lassen, wie sinnvolle Investitionen in die Zukunft des Personenverkehrs in den USA gemacht werden können.

    Die anscheinend durchaus seriösen Ergebnisse laden zwar durchaus zu reißerischen Bildzeitungsüberschriften à la “Bus und Flugzeug umweltfreundlicher als Bahn” ein … naja – das wird aber sicher nicht passieren.

    Wenn ICH es allerdings falsch verstanden habe, kann ich mir vorstellen, dass das auch anderen passieren könnte.

    Dann hätten wir das hier wenigstens mal klar gestellt 🙂

    Nichts für Ungut,

    Gregor

    @Anhaltiner:

    In der Tat ist das ein Problem, mit dem man bei Studien stets konfrontiert ist. Ein anderes ist aber, dass man Ergebnisse von Studien auch nicht kritiklos akzeptieren darf.

    Dass ich jedoch – als überzeugter ÖPNV-Nutzer und Radfahrer – Studienergebnisse bevorzuge, die mich in meiner Weltsicht bestärken, das kann ich wohl nicht von mir weisen.

    Ah – btw. – kommt der Qualm aus dem dünnen, langen oder dem kurzen, dicken Schornstein?

  15. #15 JörgR
    06/11/2009

    @Gregor: Gut dass wir uns doch einig sind, ich hasse diese Straßenpanzer ohne Geschützturm, meist mit einem überforderten Fahrer besetzt der zum Ausgleich aber viel Gas gibt, genau so passioniert.
    LCAs sind auch nichts Neues, klar, ich denke dass die Studie besonderlich ausführlich verschiedene bekannte Dinge zusammengepackt hat und das Rahmenwerk anbietet, das sich jetzt auch auf andere Länder übertragen ließe.
    Mir war aber wenigstens noch nicht die Zahl untergekommen, dass es der Bahn mitunter so die Bilanz verschlechtert.
    SPON Wissen lese ich normalerweise gar nicht mehr, aber in diesem Fall war der Artikel ja echt gut. Wenn ich den gesehen hätte, hätte ich es wahrscheinlich gar nicht mehr verbloggt 🙂