Was passiert wenn Schallwellen durch eine Flüssigkeit wollen, die mit Überschallgeschwindigkeit fließt? Sie werden nicht gegen die Fließrichtung kommen. Es wird praktisch ein Ereignishorizont erzeugt – eine Schallwelle die hinter dem Übergangspunkt zur Schallgeschwindigkeit erzeugt wird, kann diesem “Ereignishorizont” nicht entkommen – so wie Licht einem Schwarzen Loch nicht entkommen kann.
Und so nennen die Forscher aus Haifa, die jetzt ein solches Phänomen erzeugt haben, die Situation passend ein “Schwarzes Loch des Schalls” – wobei es hier keine Singularität gibt, es geht um den Ereignishorizont.
Gastauftritt Stephen Hawking
Statt von Schallwellen sollten wir jetzt wieder von Phononen reden. Wie beim Licht das Photon eine gequantelte Lichtwelle ist, stellt das Phonon ein Schallquant dar – ein virtuelles Teilchen das beim Verstehen und Formulieren der Physik hilft. Jetzt fällt es leichter, zu sehen warum die Beobachtung eines solchen Ereignishorizont im Schall so attraktiv ist: Hawking-Strahlung.
Benannt nach Stephen Hawking, beschreibt sie eine Möglichkeit, wie doch Energie einem Schwarzen Loch entkommen kann – nämlich wenn sich ein virtuelles Photonenpaar aus dem Nichts bildet. Das erlaubt die Heisenbergsche Unschärfepolizei – solange das Paar schnell wieder verschwindet. Wenn jetzt aber eines der Photonen vor und eines hinter dem Ereignishorizont auftaucht, dann wird eines im Schwarzen Loch gefangen und das andere kann entkommen und Energie davontragen – so würde schließlich das Schwarze Loch verdampfen.
Genau dies müsste auch beim Ereignishorizont im Schall geschehen – ein Phononen-Paar entsteht auf den Seiten des Horizont. Ein Phonon wird davongetragen, eines kann sich entgegen der Fließrichtung der Flüssigkeit ausbreiten.
Einstein kommt auch vorbei
Nun ist es nicht einfach, eine Flüssigkeit auf Überschallgeschwindigkeit zu bringen. Ansätze dazu finden sich im Tieftemperaturbereich, wenn die Kondensation in einen bosonischen Grundzustand eintritt. Das war genau das, was Supraleitfähigkeit ausgemacht hat. Jetzt nehmen wir aber ein Atomgas, mit Atomen die eh schon Bosonen sind und kühlen sie tief ab – dann entsteht ein Bose-Einstein-Kondensat. Die kann man mittlerweile routinemäßig erzeugen und in Magnetfallen speichern.
Das spannende ist wieder die Wellenfunktion, die diesen besonderen Materiezustand definiert: Denn wenn alle Atome so weit abgekühlt sind, dass sie an einem energetischen Minimum angekommen sind, hat sich ihre Wellenfunktion weit ausgebreitet. Dann überlappen die Wellenfunktionen aller Atome so weit, dass man einen delokalisierten Zustand hat, in dem man ein Atom nicht mehr an einem Platz feststellen kann. Stattdessen hat man etwas, das man Quantenflüssigkeit nennt, und sich als Kollektiv verhält und z.B. gleichmäßig gemeinsam fließt. Auch spannend – wenn Materie kondensiert, erwartet man ja eigentlich einen Festkörper. Aber da quantenmechanisch der Grundzustand eine endliche Energie hat (Nullpunktsenergie), entsteht eine Flüssigkeit statt einem starren Gebilde.
Es gibt eigentlich ein Limit, die Landau-kritische Geschwindigkeit, die nicht überschritten werden kann. Aber laut dem Paper (das gibt es übrigens hier bei arXiv, und ich glaube nicht dass das schon reviewt ist, bei dem Schreibstil…) tritt das nur bei Störstellen in der Flüssigkeit oder am Gefäß auf. Diese seien in diesem Experiment vermieden worden.
Stell dir vor es gibt Graben und keiner fällt rein
Jetzt kommt der Trick!
Mit einem Laser schossen die Forscher durch das Bose-Einstein-Kondensat. Sie erzeugten dadurch ein attraktives Potential – ein Graben der einen energetisch niedrigeren Energiezustand anbietet. Normalerweise nimmt jedes Teilchen immer bereitwillig einen solchen Zustand an. Aber jetzt kommt das Paradoxe – jedes Atom im Kondensat IST ja schon in seinem niedrigsten Energiezustand – deswegen kann kein Teilchen hineinfallen. Stattdessen wirkt das attraktive Potential abstoßend und die Dichte der Flüssigkeit nimmt stark ab. Die Forscher nennen das “Dichteinversion”.
Und da ja das Kollektiv als ganzes fließt, kann der Fluss nicht abnehmen. Fluss ist Dichte mal Geschwindigkeit, also nimmt die Geschwindigkeit zu. Sagt die Kontinuitätsgleichung, und mit der Kontinuitätsgleichung legt sich nichtmal die Heisenbergsche Unschärfepolizei an!
Mach 1!
Und so haben die Forscher es geschafft, eine Stelle zu schaffen, an der sich die Quantenflüssigkeit mit Überschall bewegt. In ihrem Paper berichten sie dann über die Messungen der Komponenten, die auf Hawking-Strahlung hindeuten. Sie befinden, dass der Versuchsaufbau geeignet sei, diese Strahlung zu erzeugen, dass man aber noch eine Ordnung im Geschwindigkeitsunterschied zulegen müsse, um sie auch wirklich detektieren zu können. Wir bleiben gespannt! Wie cool wäre denn das, Hawking-Strahlung im Labor beobachten zu können!
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