“Jeder Mitarbeiter wird solange befördert, bis der Level seiner Inkompetenz maximal ist” – so lautet ein bekannter Spruch, der in deutschen Großkonzernen aktiv umgesetzt und sehr dazu beiträgt, jegliches Großprojekt in Deutschland (Gesundheitskarte, Transrapid, Digitalfunk der Polizei etc.) mit Schmackes in den Sand zu setzen.
Na, Spaß beseite, es gibt tatsächlich diesen Ausspruch. Er wurde 1969 vom kanadischen Psychologen Laurence J. Peter getan, und er warnte vor der vernünftig erscheinenden Annahme, dass ein Mitarbeiter der auf einem Level Kompetenz zeigt, nach der Beförderung ebenso gut sei. Er wies darauf hin, dass auf dem neuen Level u.U. völlig andere Aufgaben zu bewältigen seien – und dass daher wohl jeder Mitarbeiter solange befördert würde, bis er eine Position erreicht hat auf der er Inkompetenz beweist und daher nicht weiter aufsteigt.

Dieses Prinzip ist jetzt von italienischen Forschern in einer einfachen Computersimulation auf den Prüfstand gestellt worden. Sie modellieren darin mit einem Agentensystem die Hierarchie-Ebenen einer Firma, und die Auswirkungen verschiedener Strategien zur Selektion von Beförderungen und zweier Hypothesen darüber, wie ein Mitarbeiter nach der Beförderung arbeitet.
Was so ein Agenten-Modell ist, wird mit dem Bild der Startsituation eines Laufes deutlicher (aus dem Artikel im arXiv):

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Jedes Männchen im Bild ist so ein “Agent”. Das ist gar nicht so aufregend wie es klingt – es ist einfach ein Baustein der Simulation, der eine handelnde Person andeutet. In dieser Simulation muss er nicht mal selbst handeln, sondern wird willenlos herumgeschoben, und darf lediglich seine Kompetenz “beweisen”. Diese wird durch die Farbe angedeutet, je roter, je kompetenter. Gelbe Positionen geben Leerstellen an, die in jedem Zeitschritt der Simulation besetzt werden, und die entstehen, wenn ein Agent eine Kompetenz unter einem gewissen Level beweist, oder wenn er altersbedingt ausscheidet. Die Simulation läuft solange, bis sich ein Gleichgewicht in der Effizienz der Firma eingerichtet hat. Die Effizienz wird berechnet, in dem man für die Kompetenz jeden Mitarbeiters mit der Maßzahl seines Levels (steht links unter den Leveln, von 0.2 bis 1.0) multipliziert und dann für alle Agenten aufsummiert.

Es gibt zwei Regeln, die je nach gewählter Strategie oder angesetzter Hypothese beim Beförderungsvorgang zum Tragen kommen:
Einmal gibt es da die Strategien zur Auswahl, wie eine leere Stelle besetzt wird. Dazu wird jeweils ein Agent der Stufe darunter hochgeholt, und zwar entweder

  • der beste Agent
  • der schlechteste Agent
  • ein zufälliger Agent

Wichtiger noch ist dann die Hypothese, wie sich ein Agent auf der neuen Stufe bewährt. Einmal gibt es da die “Vernunft-Regel”, die sagt: Er wird sich in seiner Kompetenz im Großen gleich zeigen, also höchstens um +- 10% verändern. Die “Peter-Hypothese” dagegen sagt, dass man es nicht weiß, daher wird hier die Kompetenz zufällig neu gezogen (aus einer Normalverteilung um 7 mit Standardabweichung 2, die mögliche Kompetenz geht von 1 bis 10).
Die Ergebnisse sind verblüffend. Die folgende Tabelle zeigt, wie sehr sich die durchschnittliche Effizienz des Startmodells je nach Strategie und Hypothese verändert:

Vernunft-Regel Peter-Hypothese
Bester +9% -10%
Schlechtester -5% +12%
Zufall +2% +1%

Zunächst die Beförderung des besten Mitarbeiters, wie es wohl üblich ist. Wenn tatsächlich ein Mitarbeiter seine Kompetenz bewahrt, ist das eine gute Strategie: +9%. Aber falls doch die Peter-Hypothese gilt, ist das katastrophal: -10% Effizienz! Dann befördert man sich wirklich die fähigen Leute weg. Andersherum, wenn man immer den schlechtesten nimmt: -5% wenn die Leute dann so inkompetent bleiben, +12% wenn nach der Peter-Hypothese die Karten neu gemischt werden und der Mitarbeiter eine Chance bekommt, doch noch zu glänzen.
Schließlich ist die Zufallswahl zur Beförderung, die einen kleine Verbesserung bietet, egal welche Hypothese jetzt stimmt.

Die Autoren argumentieren jetzt, dass man ja nicht weiß welche der beiden Hypothesen jetzt wirklich gilt, und rechnen daher eine neue Strategie aus, die darauf aus ist, den Zuwachs an Effizienz bei beiden Strategien genau gleich zu setzen (das ist das glaube ich das spieltheoretische Optimum, wenn ich es richtig verstanden habe. Ulrich?)
Dabei kommt heraus, dass diese vermutlich optimale Strategie darin besteht, mit fast gleicher Wahrscheinlichkeit den schlechtesten oder den besten Mitarbeiter zu befördern. Verdammtes Mittelmaß!

Kommentare (6)

  1. #1 Ulrich Berger
    07/08/2009

    Also wenn du mich schon fragst:

    Erstens ist der “game theory-like approach”, von dem die Autoren schreiben, Unsinn. Das ganze Modell ist ein Optimierungsproblem und hat absolut nichts mit Spieltheorie zu tun.

    Zweitens ist die Erkenntnis auch weder “unexpected” noch “counter-intuitive”, wie die Autoren behaupten, sondern eigentlich recht trivial. Wenn die Peter-Hypothese zutrifft, dann wird ja die Kompetenz bei jeder Neueinstellung erneut zufällig gewählt. Bei der Best-Strategie entfernt man den besten Agenten aus seinem level und setzt einen im Mittel durchschnittlichen Agenten im nächsten level neu ein. Da der beste Agent eines levels im allgemeinen eine überdurchschnittliche Kompetenz hat, senkt dieses Verfahren natürlich die Gesamtkompetenz. Das nennt sich Regression zum Mittelwert, ist altbekannt und wahrlich nicht überraschend.

    Drittens ist die “optimale” Strategie, wo man zwischen best und worst hin- und herwechselt, offenbar nicht besser als die random-Methode. Das dürfte daran liegen, dass unter der Peter-Hypothese beide Methoden in Wahrheit im Mittel einen Nullzuwachs bringen (was auch nicht überrascht). Der angebliche Anstieg um 1-2% ist ja offenbar ein Modellierungsartefakt, wie die Autoren selbst zugeben.

    Das Hauptproblem ist m.E., dass die Peter-Hypothese (in dieser strikten Form) völlig unrealistisch ist, weil die Kompetenzen auf verschiedenen levels sicher positiv korreliert sind. Außerdem: Das ganze lässt sich m.E. auch analytisch rechnen, es gibt keinen Grund, da mit Computersimulationen drüberzufahren.

    PS: In deinem Anfangszitat sollte es “Inkompetenz” heißen.

  2. #2 Jörg
    07/08/2009

    Verdammt und es sah so spannend aus 😐

  3. #3 adenosine
    07/09/2009

    Das Peterprinzip mag in Einzelfälle zutreffen, z.B. wenn ein Experte mit fachlichem Schwerpunkt in eine Führungsposition befördert wird. Ab da sind aber oft ähnliche Kompetenzen gefragt, u..a. die Fähigkeiten zu Selbstdarstellung, Netzwerkbildung und zur Bekämpfung des Konkurrenten.

  4. #4 Christian W
    07/09/2009

    Der ganze Simulationsmodellsansatz wie auch die Petersche Hypothese basieren meiner Ansicht nach auf der kuriosen Annahme, dass Beförderungen regelmäßig erfolgen (müssen) und die einzig interessante Frage dabei sei, welchen Mitarbeiter man befördern müsse. Na klar, wenn man so beginnt, erhält man natürlich dubiose Resultate. Doch die Realität funktioniert ja überhaupt nicht so.
    Tatsächlich gibt es einen solchen Beförderungsdruck doch nur, wenn eine Stelle (in einer höheren Ebene oder einem fachlich verschiedenen Bereich) frei wird. Und dann steht auch nicht die Frage an erster Stelle, welchen Mitarbeiter der nächsttieferen Ebene man nach welchen Kriterium befördert, sondern zunächst einmal wird geklärt, ob überhaupt jemand befördert wird oder ob die Stelle anders besetzt wird (Neueinstellung, ebeneninterne Umbesetzung, “Aufgabenintegration” – sprich irgendwer einer höheren oder derselben Ebene muss von nun an die Aufgaben mitübernehmen) oder überhaupt noch notwendig ist. Wenn man sich dann für eine Beförderung entscheidet, ist doch im vorherigen Schritt bereits untersucht worden, ob es einen Mitarbeiter gibt, der besser für diese Stelle qualifiziert ist als ein Neueinsteiger, der extra dafür eingestellt wird oder aus einer anderen Ebene oder einem anderen Unternehmensbereich kommt. Es ist dann doch ziemlich ausgeschlossen, dass jemand befördert wird, der in seiner bisherigen Aufgabe Kompetenz bewies, nun aber zusehends überfordert ist.
    Aber das Kriterium “kompetentester Mitarbeiter” wird jedenfalls jetzt erst herangezogen, um den zu Befördernden zu bestimmen und hat dadurch eben nicht oder nur selten den Effekt, den Peter vorschlug und den die Italiener simuliert haben. Weil es kein hinreichendes Kriterium für eine Beförderung ist, sondern nur ein notwendiges, um überhaupt irgendwann einmal für eine höhere Ebene in Betracht gezogen zu werden, falls zugunsten einer Beförderung gegen o.g. Alternativen entschieden wird.

  5. #5 radicchio
    07/09/2009

    das peterprinzip besteht ja nicht nur aus dieser einen these von der beförderung bis zur stufe der unfähigkeit.

    es enthält eine große anzahl an zutreffende beobachtungen über hierarchien.

    »Wenn man sich dann für eine Beförderung entscheidet, ist doch im vorherigen Schritt bereits untersucht worden, ob es einen Mitarbeiter gibt, der besser für diese Stelle qualifiziert ist …«

    dazu gehört das »seitwärts versetzen« genauso wie das wegloben. man kann oft beobachten, dass gerade inkompetente minderleister wider erwarten befördert werden. das stützt die these von der fachkompetenz als größtem karrierehindernis. der inkompetente mitarbeiter muss von der stelle entfernt werden, an der er nichts leistet, also wird er auf einen posten gehievt, wo weniger fachkompetenzt gefragt ist und er keine konkurrenz für den nächsthöheren darstellt. und das ist oftmals eine stelle mit administrativen aufgaben. die dort entstehenden fehler können immer noch von den leistungsträgern auf der stufe darunter abgefedert werden und der minderleister fällt als solcher nicht auf. außerdem wird minderleistung oft durch inadäquate eigenwerbung kompensiert. der leistungserbringer hingegegen unterliegt oft dem irrtum, er würde durch seine leistung auffallen. leider ist er aber nur der nützliche idiot, der für den minderleister auf der nächsthöheren stufe die kastanien aus dem feuer holt. derjenige, der den minderleister befördert, ist selbst auf diese art zu seinem posten gekommen und darf sich keine ernsthafte konkurrenz heranzüchten, die seine eigene inkompetenz entlarven würde. auf diese schöne weise kommt es immer wieder dazu, dass oben schwimmt, was hohl ist.

    https://www.stupidedia.org/stupi/Leistungsprinzip

  6. #6 Christian W
    07/10/2009

    Es mag ja zutreffen, dass das “Peter-Prinzip” die von dir beschriebenen Phänomene bis zu einem bestimmten Grad zutreffend beschreibt und erklärt. Doch das war überhaupt nicht mein Kritikpunkt.
    Mir ist durchaus klar, dass man für ein handhabbares Beschreibungsmodell des Beförderungsvorganges vereinfachen und generalisieren muss. Doch so wie das Peter-Prinzip hier vorgestellt wurde, bestehen Vereinfachung und Generalisierung anscheinend aus den Annahmen

    – in jedem(!) Zeitpunkt (oder -raum) t gibt es einen Beförderungsdruck aufgrund freier Stellen in höheren Ebenen
    – dieser Druck wird stets(!) durch Beförderungen von Mitarbeitern aus unteren Ebenen abgebaut (bzw. dadurch eigentlich in die jeweils nächsttiefere Ebene verlagert)
    – das Auswahlkriterium für Beförderungen ist an erster Stelle oder als überhaupt einziges die ebenenintern bewiesene Kompetenz
    – das Bewertungskriterium des “Beförderungserfolgs” ist einzig und allein die offenbarte Kompetenz in der neuen Ebene

    Ich will ja gar nicht abstreiten, dass es durchaus solche Konstellationen geben kann. Die Regel sind sie jedoch nicht, zumindest nicht nach meinen Erfahrungen (danach wird eher selten befördert und wenn, dann wird genau geprüft, welcher mögliche Kandidat sich aufgrund welcher Qualifikationen – unabhängig ob bisher vonnöten und nachgewiesen oder nicht – dazu eignet). Schon wenn man anstatt eindimensional die Kompetenz des Beförderten zu messen den “relativen erwarteten Kompetenzverlust bei Beförderung eines noch weniger qualifizierten Mitarbeiters” (Wirtschaftswissenschaftler meiner Universität würden das vermutlich Kompetenzopportunitätskosten nennen 😉 ) miteinrechnen würde, dürften ceteris paribus die Auswirkungen des Kompetenzverlustes beim “Ebenentransit” bereits nicht mehr so schwerwiegend ausfallen. Es ist dann eine vollkommen alltägliche betriebswirtschaftliche Entscheidung, ob es schlimmer wäre, Lagerhelfer X zum neuen Lageristen zu machen oder ob Lagerhelfer Y mehr Schaden verursachen könnte. Der “Beförderungserfolg” würde sich danach aus der Minderung des Verlustes (Kompetenzvakuum des Vorgänger-Lageristen) durch exakt das Delta der Kompetenzen von X und Y ergeben und wäre in jedem Fall positiv.
    Auch kann man zusätzlich der bestehenden Annahmen durchaus nicht ausschließen, dass der Beförderte auf seiner neuen Stelle kompetenter ist als sein Vorgänger und dieser Kompetenzgewinn auf höherer Ebene vielleicht wertvoller ist als der Kompetenzverlust auf der unteren durch die Beförderung.

    Mit anderen Worten: Das “Peter-Prinzip” in der hier beschriebenen Form stellt einen worst case (es muss eine Stelle besetzt werden; es muss aus unteren Ebenen befördert werden; es wird einen Kompetenzverlust geben und die einzige Messgröße von Interesse ist dabei das Kompetenzdelta zwischen alter ung neuer Stelle des Beförderten) dar und erklärt ihn zum Regelfall. Die Computersimulation übernimmt diese Annahmen, berechnet viele worst-case-Iterationen und erhält folgerichtig ein Resultat, nach dem eine zufällige Auswahl der Beförderungsklandidaten mit denselben Grundannahmen und Messgrößen sich anders (und unter bestimmten Zusatzannahmen sogar besser) verhält. Wahnsinn. Das ist ungefähr so, als wenn man himmelsmechanische Spezialfälle untersucht, dazu annimmt, dass alle 6 Monate ein mehrere Kilometer durchmessender Asteroid durch das Sonnensystem fliegt, jeder dieser Asteroiden stets einen der Planeten trifft, die zu untersuchende Messgröße ist, ob der getroffene Planet die Erde ist oder nicht und dann dazu eine Computersimulation laufen lässt, bei der sich zeigt, dass die Erde weniger häufig getroffen wird, wenn nicht jeder Asteroid auch wirklich immer einen der Planeten trifft.

    (Ich weiß, dass meine Analogie an vielen Stellen hinkt. Das zeigt jedoch nur noch besser, wie absurd die Ausgangsannahmen des Referenz-Prinzips eigentlich sind.)

    Ich möchte übrigens nicht ausschließen, dass ich das “Peter-Prinzip” noch immer nicht verstanden habe. In dem Fall wäre ich dankbar, wenn mir jemand zeigen könnte, an welchen Stellen meiner Überlegungen (beide Kommentare) ich irre.