Über Nuklearenergie nicht wertend zu sprechen ist ja leider unmöglich. Die Materie ist auch recht komplex, aber vor allem ist das ganze ideologisch so überdeckt mittlerweile dass man auch mit gutem Willen und Studium der Medien keine Meinung bilden kann. Leider verhindert die irrational übersteuerte Angst vor radioaktiver Strahlung jede ordentliche Bewertung der Endlagerungs-Problematik. Wo eine wissenschaftlich fundierte Bewertung essentiell wäre, wird stattdessen endlos überprüft und überwacht, leider auch gemauschelt, und währenddessen lagert der Müll viel unsicherer in Zwischenlagern. Und was ich ungeachtet jeder Ansicht die man haben kann schon immer völlig beknackt fand – wenn ein Transport stattfindet wird er blockiert.
Egal, auf den Zug will ich hier eigentlich gar nicht aufspringen, aber nur einmal darüber sprechen, dass es eigentlich einen Typ Kernreaktor gibt, der inhärent viel sicherer ist als existierende Typen – und dass dieser leider in Deutschland nicht realisiert wurde, obwohl die Idee hier ausgearbeitet wurde.

Das Design der Kugelhaufenreaktors wurde in den 50er Jahren von Rudolf Schulten an den (damaligen) Kernforschungsanlagen Karlsruhe und Jülich entwickelt. In Jülich stand auch der erste Testreaktor diesen Typs, der AVR. Das Prinzip ist wirklich deutlich besser als der klassische Reaktor.

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Im Kugelhaufenreaktor wird das Brennmaterial (Thorium, Uran oder Plutonium) in Graphitkugeln eingeschlossen. Etwas 5% der Masse einer tennisballgroßen Kugel besteht aus Körnern des radioaktiven Materials. Durch diesen Einschluss ergeben sich drei riesige Vorteile:

  • Man braucht keine regulierende, vom Menschen gesteuerte Moderation. Eine Kernreaktion läuft so ab: Bei einem Zerfall wird ein Neutron ausgesandt und kann weitere Kerne zerlegen, die ihrerseits wieder Neutronen ausschicken. Dadurch kann eine Kettenreaktion ausgelöst werden. Die Bedingung ist, dass ausreichend Kerne getroffen werden können. Wenn man jetzt Moderatoren hat, die Neutronen aufhalten, kann man die Reaktion am Laufen halten, ohne dass sie aber “durchbrennt”. Genau diese Aufgabe erledigt normalerweise ein vom Menschen regulierter Vorgang, z.B. Graphitstäbe die man zwischen die Brennstäbe fahren kann. Aber bei den kleinen Kugeln ist das Graphit schon direkt im richtigen Maß um die radioaktiven Materialien, und es muss keine Regulierung durch Menschen erfolgen – keine Chance für menschliches Versagen. Wenn man eine Kugel knacken würde, während die Kernreaktion läuft, würde die Reaktion dadurch automatisch stoppen!
  • Die Einschlüsse des Materials bedeuten auch, dass man weniger radioaktiven Austritt hat, dass man höhere Verbrennungseffizienz erreicht und der radioaktive Müll weniger stark strahlt und bereits eingeschlossen ist. Außerdem benötigt man kein Wasser, um die erzeugte Wärme abzutransportieren und in Strom zu verwandeln, sondern ein Gas (z.B. Helium) reicht. Helium wird nicht, wie das Wasser im klassischen Reaktor, radioaktiv verseucht. Wieder ein Gefahrenfaktor weniger, außerdem erlaubt das eine höhere Betriebstemperatur und somit einen höheren Wirkungsgrad.
  • Da so ein Reaktor einfach mit hunderttausenden Kugeln befüllt wird, ist es nicht nötig, ihn am Anfang voll zu beladen. Man kann verbrannte Kugeln entnehmen und neue nachfüllen. Dadurch reduziert sich die Menge an Material, das sich im Reaktor befindet.
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Von 1966 bis 1988 lief in Jülich der Versuchsreaktor AVR, und ein Testreaktor in Hamm-Uentrop lief ab 1983, aber nur 5 Jahre lang. Der Reaktor in Hamm hatte aber schwere Probleme mit dem Material und Kugelbrüchen, und 1986 kam es zu einem Unfall, bei dem eine Kugel sich in der Einlassschleuse verklemmte und es zu Gasaustritt kam, mutmaßlich auch in die Umwelt.
Auch beim AVR zog man einige Lehren, die zeigten dass das Prinzip nicht so rosig war wie oben beschrieben. Natürlich – dafür ist ein Versuchsreaktor ja da und nichts ist jemals leicht.
Die Sicherheitsbewertung des AVR beschreibt neuere Probleme, die in den Griff bekommen werden müssten: Es kann radioaktives Material in den Kühlkreislauf gelangen, was einen Einschluss des Reaktor in einem dicken Betonpanzer unbedingt notwendig macht. Die Temperaturen im Reaktor waren zu hoch, und das ist ein Problem weil das Graphit sich bei 600°C entzündet. Ein weiteres Problem kann sein, dass ohne ordentliche bauliche Maßnahmen bei einer Beschädigung des Reaktorkerns Wasser dort hineinlaufen kann.

Letztendlich war es aber das Unglück in Tschernobyl und das politische Wetter, dass dann den Todesstoß für die Forschung an diesem Reaktortyp in Deutschland gab. Und aus heutiger Sicht muss man das echt bedauern – wenn noch 20 Jahre daran geforscht worden wäre, könnte man heute nochmal für Kernenergie sein und solche neuen Reaktoren bauen statt neuen Kohlekraftwerken. Aber wie die Welt wirklich steht, kann man nicht darauf setzen (zumindest in Europa), und sollte voll in Sonnenenergie gehen.
Aber aus Ssicht der Wissenschaftspolitik muss man es bedauern – jetzt bauen andere Länder solche Reaktoren – Südafrika z.B, den PBMR. China will etliche davon bauen. Zwar sind deutsche Firmen beteiligt, aber ganz nüchtern muss man sagen, dass diese Technik zwar in Deutschland erfunden wurde, aber Deutschland fast nichts davon hat. Aber andererseits – nach Tschernobyl war mit Sicherheit auch keine andere Reaktion möglich. Trotzdem – schade.

(Bildquellen: Euronuclear)

Kommentare (40)

  1. #1 André
    07/05/2009

    Ich fand damals in der Vorlesung Reaktortechnik auch den Kugelhaufenreaktor ein ziemlich geniales Konzept. Allgemein finde ich Atomkraftwerke ziemlich faszinierend … wäre da nicht das Problem der Entsorgung und mittlerweile auch der Beschaffung des Brennstoffs.

  2. #2 Slammer
    07/05/2009

    Ketzerischer Artikel, das. Wo doch jedes Kind weiß, daß Atome diese unsichtbaren kleinen Dinger sind, die unter der Betonkuppel im KKW und in CASTOR-Behältern darauf warten, daß diese einen Riß bekommen, damit sie endlich die Weltherrschaft an sich reißen können.

    Atome gehören verboten! Weltweit!

  3. #3 Sentient6
    07/05/2009

    @Slammer: Ja stimmt. Die sind fast so schlimm wie diese Gene, die sich überall im Mais finden. Ich glaub die hängen da irgendwie zusammen. Die Gene greifen dann von innen an und die Atome von außen! Verbietet Gene und Atome! Schlimm ist auch diese ganze “Chemie”, die sich überall findet. Neulich hat son Typ gesagt, dass alles aus Chemie besteht. So weit ists also schon…

    Mal im ernst: Tolles Konzept, kannte ich noch nicht. Es ist echt eine Schande, dass die Chancen dieser Technik so im ideologischen Morast hängengeblieben sind…

  4. #4 Christian Weihs
    07/05/2009

    Immer diese Gene und Atome und erst recht diese Chemie! Was kommt als nächstes? Tun die bald überall Dihydrogenmonoxid rein?
    😉

    Das Konzept scheint wirklich gut zu sein. Schade, dass in unserer politischen Welt keiner mehr traut, sich für eine verhältnismäßig saubere und billige Energieform wie Kernkraft einzusetzen. Egal, welche Erkenntnisse dafür sprächen. Go green, hurra…

    Und das mit dem blockieren der Transporter finde ich auch ziemlich dämlich. Ja, wie nun? Zurück zum KKW und das Zeug vor die Tür stellen? Oder hier auf der Straße stehen lassen? Ich bin sicher, die Leute werfen ihren Müll auch in die Mülltonne (manche lassen den tatsächlich auf der Straße liegen). Atommüll ist ungleich gefährlicher, muss aber ebenfalls irgendwo entsorgt werden. Oder halt zwischengelagtert bis man weiss, was man damit tun kann.

    – Massenweise Energie für all die Fernseher, Klimaanlagen, etc.
    – Keine Verschmutzung, man will ja schließlich “was für die Umwelt tun”
    – Nix zahlen wollen, weil die Raten für den 100 Zoll LCD Fernseher laufen noch…

    Wow, gleich drei Wünsche auf einmal.

  5. #5 JörgR
    07/05/2009

    Hmm jetzt hab ich Lust ein T-Shirt zu entwerfen mit einem Spruch so ähnlich wie “Ich esse es nicht, wenn nicht Atome, Gene und Chemie drin sind!”

  6. #6 Christian Weihs
    07/05/2009

    @JörgR
    Auch haben will!!!
    Damit lockt man sicher jede Menge alternativer Mädels an 😉

  7. #7 Sentient6
    07/05/2009

    Das nehm ich auch, lasst uns einen Sammelauftrag starten und an ne Druckerei schicken. Bräuchten nur noch ein Design. 😉 Ich bin sicher, hier würden sich noch andere finden, die ein Exemplar wollen.

    Man könnte auch was in Richtung “die neuen Apokalyptischen Reiter machen”.. Gentechnik, Atomkraft, Chemie und Stammzellenforschung.. Oder so.

  8. #8 Ludmila
    07/05/2009

    @Jörg: Ich auch. Am besten die Warn-Logos für Radioaktivität, giftige Substanz und es gibt doch sicherlich auch was für “Gentechnik” irgendwie trendig herumdrappieren. Das ganze dann schön in orange. Das wäre es doch 😉

    Überhaupt, man könnte so einige T-Shirts entwickeln.

    Z.B. das T-Shirt hier auf deutsch:
    https://www.cafepress.com/scientificus

    Und ich hätte gerne ein Crankinator-T-Shirt.
    Vorsicht vor dem Crankinator! Verspeist kleine “Einsteins”, die Daten und Fakten mit Geschwafel ersetzen wollen, zum Frühstück!

    Oder wie wäre es mit dem Spruch:
    Im Notfall bitte nur echte Medizin an diesen schönen Körper lassen. Zugriff für Homöopathen, Chiropraktiker, Akkupunkteure etc. verboten.

  9. #9 JörgR
    07/05/2009

    Ja, wir können einen eigenen kleinen Shop machen bei Spreadshirt oder Cafepress und ein paar Designs entwerfen, dann kann jeder es sich bestellen wie oder wann er will.
    Hab grade bei Spreadshirt experimentiert, mit einem Bild von einem Ziegelstein und darunter “Ich esse nichts, was Chemie, Gene oder Atome enthält.”
    War aber noch nicht ganz zufrieden.

    Irgendetwas zu Einstein-Leugnern braucht es auch noch…

  10. #10 Sentient6
    07/05/2009

    @Ludmilla: Wie wärs mit einer Doppelhelix in nem Warnschild? 😉

  11. #11 Kai Möller
    07/05/2009

    Klasse Artikel!
    Das Thema lässt sich wirklich nicht rational diskutieren.
    Der WWF hat gerade erst bei einem internationalen Vergleich der CO2-Flüsse die durch KKWs verursachte Mange CO2 mal eben von 86 auf 350 gCO2/kWh erhöht, weil Kernkraft politisch keine Option sei. Da kommt dann Frankreich klimapolitisch auf einmal viel schlechter Weg als in der Realität, weil es ja nicht sein kann, dass die böse Kernenergie da womöglich einen positiven Effekt hat.

    “WWF does not consider nuclear power to be a viable policy option. The indicators “emissions per capita”, “emissions per GDP” and “CO2 per kWh electricity” for all countries
    have therefore been adjusted as if the generation of electricity from nuclear power had produced 350 gCO2/kWh (emission factor for natural gas). Without the adjustment, the
    original indicators for France would have been much lower, e.g. 86 gCO2/kWh”

    Das kann man gerade bei Georg Hoffmann lesen. Als irrationale Argumentation kaum noch zu toppen.

    Das gleiche gilt für die Blockade der Castor-Transporte. Immerhin ist das Deutscher Abfall, den wir da aus Frankreich zurücknehmen. Sollen die Franzosen das behalten und aus dem Auge aus dem Sinn? Unser Abfall ist immer noch unsere eigene Verantwortung. Eine Blockade von Brennelementtransporten in ein Kernkraftwerk ließe sich aus Sicht eines Kernkraftgegners ja noch nachvollziehen….

    Das bemerkenswerte ist ja auch, dass es jene Deutschen Experten sind, die mit dieser Technologie gearbeitet haben, die das gerade in Südafrika neu aufbauen. Südafrika will auf den Export solcher Reaktoren setzen. Vielleicht kaufen wir dann in 10 Jahren unsere eigene Technologie aus Südafrika zurück.

    Das T-Shirt will ich übrigens auch!

  12. #12 Sentient6
    07/05/2009

    Zu Einsteinleugnern:

    “Einstein Falsification Kit:

    Einstein was wrong, because..

    [ ] I don’t understand his theory
    [x] I don’t believe his theory
    [ ] I want him to be.”

  13. #13 Christian Weihs
    07/05/2009

    @Sentient6
    vielleicht auch noch

    [ ] Relativity is just a theory

  14. #14 Sentient6
    07/05/2009

    Super! Das gleiche geht dann auch mit “Darwin was wrong”.

  15. #15 Stefan
    07/05/2009

    Tut nichts zur Sache, aber ich musste gerade daran denken:
    Wir bauen uns ein Atomkraftwerk

  16. #16 Sentient6
    07/06/2009

    Ich bin gerade dabei, ein Shirt nach dem Muster oben zu designen… Gibt es eventuell die Möglichkeit, ein Scienceblog Logo zu verwenden?

    Ich wollte den Schriftzug auf den Rücken, vielleicht mit einem Atommodell von den Wiki Commons im Hintergrund und dazu eben vorne ein kleines Scienceblog-Logo, mit einem Link auf scienceblogs.de

  17. #17 Andreas Abendroth
    07/07/2009

    @ Christian Weihs: apropos “billige Energie” – Schonmal erkundigt, wieviel Geld der Wismut GmbH zur Verfügung stehen, um die Hinterlassenschaften des Uranbergbaus in Sachsen und Thüringen zu beseitigen?

    Andreas

  18. #18 Kai Möller
    07/07/2009

    @Andreas Abendroth: Ist alles relativ. Ein wesentlich von der Sowjetunion für Ihr Nuklearprogramm und unter Vernachlässigung aller Standards in der DDR vorangetriebenes Bergbauprojekt kann kaum eine Grundlage sein, um die Kosten einer weiteren Nutzung der Kernenergie abzuschätzen. Andere industrielle Altlasten der DDR sind da übrigens auch nicht ohne. Wesentlich sind immer die Kosten, die neu anfallen würden. Das gilt auch z.B für Kosten der Endlagerung. Da würde eine Laufzeitverlängerung den Steuerzahler kein Stück belasten.

  19. #19 Jörg
    07/08/2009

    Ich weiß noch nichts wegen dem Logo, aber ich denke ich fände das sowieso besser, die Shirts unabhängig von SB zu machen, einfach so als allgemeines Nerd-Shirt 🙂
    Was meint ihr?

  20. #20 Sentient6
    07/08/2009

    Gut, das würde uns zumindest die Möglichkeit lassen, das eine oder andere “launischere” Shirt zu basteln, ohne damit ScienceBlogs in Verruf zu bringen. Wollte das halt noch n bisschen ausschmücken, weil ich nicht genau wusste, was man zusätzlich zu dem Text, den ich mir (mit Idee von Christian) überlegt habe, noch drauf drucken könnte. Findet diese Shirtidee überhaupt Anklang?

  21. #21 andreas abendroth
    07/08/2009

    @ Kai Möller: Ich wollte nur darauf hinweisen, dass solche Folgekosten gern unter den Teppich gekehrt werden. Wieviel hat eigentlich der Rückbau von Greifswald und Rossendorf gekostet? Habt ihr mal das Riesenloch in Ronneburg (Tiefe ca. 1000m wenn ich mich richtig erinnere) gesehen (oder besser Bilder von vor der Renaturierung)? Ich denke, dass Uran heutzutage ähnlich abgebaut wird. Soviel zu sauberem Atomstrom. Außerdem glaube ich, dass bei erhöhtem Bedarf die Rohstoffpreise steigen werden. Auch ist der sog. Atomstrom hierzulande unter anderem so billig, weil die Kraftwerke schon abbezahlt sind. Die Kosten für neue Kraftwerke würden den Preis auch erhöhen.

    Andreas Abendroth

  22. #23 Albrecht Brenner
    08/16/2009

    Ich war 1986 als junger Ingenieur in dieser Branche tätig. Tatsache war, daß man während der Messungen nach Tchernobyl in der Nähe von Hamm zunächst erhöhte Werte fand. Genauere Analysen zeigten, daß diese nicht aus Tchernobyl stammen konnten. Erst durch die Indizien überführt hat der Betreiber eingeräumt, daß auch in Hamm radioaktives Inventar freigesetzt wurde.

    Das Problem des PBMR ist, daß Graphit brennt. D. h. der sichere Einschluß im Versagensfall aller aktiven System ist nur dann gegeben, wenn a) genug Wärme durch Naturumlauf des Kühlmittels abgeführt werden kann und b) Sauerstoffeinbruch sicher unterbunden werden kann.

    Diese Voraussetzungen schränken die sog. inhärente Sicherheit des Gesamtkonzepts ein. Auch der Einwand, daß die Graphitkugeln beschichtet sind, und deshalb nicht brennen können, gilt nur für unbeschädigte Kugeln. Beschädigungen der Kugeln waren aber im Betrieb des THTR unvermeidlich.

  23. #24 Jörg
    08/17/2009

    @Herr Brenner:

    Danke für den Einblick.
    Die Frage ist aber: Es ist ja jetzt nichts ungewöhnliches, wenn eine Anlage nicht zu heiß werden darf. Wie einfach ist es, die ausreichende Kühlung sicherzustellen, z.B. bei den neuen südafrikanischen und chinesischen Reaktoren?

  24. #25 Albrecht Brenner
    08/17/2009

    Guten Tag Herr Rings,

    die Idee mit der inhärenten Sicherheit beruht darauf, daß die Reaktion im Kugelhaufenreaktor mit steigender Temperatur abnimmt. D.h. man kann eine “Gleichgewichtstemperatur” erreichen, die von der abgeführten Wärmemenge abhängt. Die Wärmeabfuhr kann in diesem Konzept nur mit dem Kühlgas Helium sinnvoll erfolgen, da alle anderen Gase (außer Wasserstoff) eine viel geringere spez. Wärmekapazität aufweisen.

    Das Gas muß außerdem unter Druck stehen, da ansonsten auch nicht genug wärmeabführende Masse zusammenkommt.

    Betrachtet man nun den Kugelhaufen als Wärmequelle am Fuß eines Kamins, so steigt das erwärmte Helium nach oben auf. Ein vom Kopf des Kamins nach unten führendes Stück des Loops wird als Wärmetauscher zur Umgebung hin ausgestaltet.

    Das untere Ende wird mit dem Boden des Hochtemperaturreaktors verbunden. Damit entsteht, sofern richtig dimensioniert, tatsächlich ein Naturumlauf, der Wärme aus dem Kern an die Umgebung auskoppelt, ohne daß eine Pumpe aktiv nachhilft. Im Prinzip könnte man nach einem Störfall mit Ausfall aller aktiven System den Reaktor auf diese Weise einfach “ausbrennen” lassen. Funktioniert, solange der Loop dicht bleibt, dauert aber möglicherweise ein bißchen.

    Soweit ich mich erinnere, sind die dazu nötigen Systeme aber nicht so ausgeprägt ausgeführt worden, daß man ganz auf aktiven Eingriff hätte verzichten können.

    Nach Aufgabe der Technik hierzulande hat ESCOM (Südafrika) alles an Unterlagen aufgekauft, was es von den Entwicklungen von Interatom und deren Zulieferern noch gab. Sie wollten eine Kleinanlage von 100 MW entwickeln. Die Pläne wurden letztes Jahr auch dort endgültig aufgegeben. Meines Wissens wurde auch dort keine hunderprozent-fail-safe-Lösung angestrebt, weil dies das Konzept sehr viel teurer macht. Was die Chinesen vorhaben, weiß ich nicht, die sind erst lange nach meinem Wechsel aus dieser Technologie auf den Zug aufgesprungen.

    Interessant war die Technik allemal. Aber es gab und gibt gute Gründe, sie nicht mehr zu verfolgen.

    Übrigens, schön, daß man hier über Technik schreiben kann, ohne den ideologischen Überbau der fanatischen Gegner oder Befürworter um jeden Preis…

    Albrecht Brenner

    Welche Art

  25. #26 Jörg
    08/18/2009

    Hallo Herr Brenner,

    danke für den Kommentar, das macht einiges noch klarer.
    Die einzige Frage, die ich mir dazu aber noch stelle, ist wie sich denn ein solch anzunehmender Störfall (Zu hohe Temperatur, alle Graphitkugeln brennen und der Reaktorkern ist beschädigt und meinetwegen auch noch eine Ummantelung) im Verhältnis zum Beispiel zu einer Explosion in einer Chemieanlage bei der BASF verhält. Es gibt keine 100% Sicherheit, und das obige Extremszenario klingt ja schon sehr unwahrscheinlich.
    Ich denke auch, dass keine Chance mehr für Atomkraft besteht, aber das Thema ist doch zu interessant um sich nicht drüber zu informieren, ob es nun aus ideologischen oder auch aus technischen Gründen zu große Bedenken gibt.

  26. #27 Constantin
    08/21/2009

    Toller Artikel! Danke.
    Gibt es eigentlich das T-Shirt bereits online zu bestellen? Oder war das nur eine sehr gute Idee?

    lg, Constantin

  27. #28 Albrecht Brenner
    08/22/2009

    Moin Herr Rings,

    Sie haben Recht, 100% Sicherheit gibt es nicht. Weder in der chemischen Industrie, noch bei komplexen Anlagen, wie sie Kernkraftwerke nunmal sind.

    Ingenieure versuchen, zumindest in Ansätzen, die erforderlichen Auslegungssicherheiten mit der Einbeziehung der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Störfalls und den möglichen Schadensfolgen festzulegen. Mehr als eine qualitative Zuordnung bestimmter, miteinander zu multiplizierender, Teilsicherheitsbeiwerte kommt dabei aber meist nicht heraus.

    Meine persönliche Einschätzung hinsichtlich der Kerntechnik geht dahin, daß der Betrieb eines Kernkraftwerks bei verantwortungsvoller Handhabung (Wartung, Verfahrenshandbuch, redundante Systeme und Handlungsstränge bei Störfällen) wohl beherrschbar ist. Das zeigen einerseits die mehrere hundert Jahre Betriebserfahrung (zusammengezählte Parallel-Betriebsstunden aller laufenden Anlagen). Andererseits die Beherrschung der Störfallsituationen, auch wenn in der Presse diese gern zur Fast-Katastrophe stilisiert werden.

    Tchernobyl möchte ich da als Ausnahme werten. Was Betreiber da gemacht haben, hat mit verantwortungsbewußter Handhabung eines Kernkraftwerks nichts zu tun gehabt. Alle anderen Kraftwerke mit schweren Störungen haben dagegen gezeigt, daß zwar die Störung nicht auszuschließen ist, die Sicherheitskonzepte jedoch soweit tragfähig sind, daß die Störfallfolgen beherrschbar blieben.

    Auch in Harrisburg, wo es zum im Westen bislang schlimmsten Vorfall gekommen ist, haben die Sicherungssysteme letztlich gehalten. Was jetzt in Krümmel politisch ausgeschlachtet wird, ist letztlich ein normaler Vorgang, der eher für den Betrieb (vielleicht nicht für den Betreiber) spricht. Ein sekundäres System, der Haupttransformator fällt aus. Der Reaktor wird heruntergefahren und in einen sicheren Zustand gebracht.

    Genau dasselbe wäre eingetreten, wenn netzseitig die Abnahme der erzeugten Energie unterbrochen worden wäre, etwa durch ein Ereignis 50 km vom Kraftwerk entfernt. Kein Mensch hätte die dann ebenfalls notwendige Schnellabschaltung als Störfall des Kernkraftwerks bezeichnet…

    Meines Erachtens, aber das ist nur meine persönliche und gewiß nicht unfehlbare Meinung, liegen die Risiken nicht so sehr im Betrieb, sondern in der ungelösten Entsorgungsfrage. Die Zeiträume, für die sicherer Einschluß garantiert werden muß, sind einfach zu lang. Und die Folgekosten, allein um den sicheren Einschluß jahrundertelang zu überwachen, sind vermutlich viel zu teuer, um den kurzfristigen Vorteil (40 Jahre Betrieb einer Anlage) ernsthaft zu rechtfertigen.

    Freundliche Grüße

    Albrecht Brenner

  28. #29 AlteWeser
    08/24/2009

    @Albrecht Brenner
    Danke für Ihre Ausführungen, ich war und bin der gleichen Meinung:

    Ein sicherer Betrieb mit beherrschbaren Folgen ist gegeben.
    Die Entsorgungsfrage ist das eigentliche ungelöste Problem.

  29. #30 CAS
    08/27/2009

    Zunächst möchte ich bemerken, dass es “radioaktive Strahlung” nicht gibt, auch wenn leider mittlerweile sogar in Lehrbüchern von “radioaktiver Strahlung” zu lesen ist.
    Ich finde es ebenfalls bedauerlich, dass ein pragmatischer Umgang und eine sachliche Diskussion dieses Thema betreffend so gut wie unmöglich sind.
    Kohlekraftwerke emittieren eine viel höhere Dosis als AKW, das sollte man nicht unter den Tisch fallen lassen, auch wenn durch Filter der Großteil (zumindest in D) zurückgehalten werden kann. Außerdem ist Kernkraft ein “Naturprodukt”. In einer Höhle in Gabun, lief über viele Jahrtausende ein Naturreaktor. Soweit ich weiß, wurde dort jedoch nie ein “Atomkraftgegner” gesichtet 😉
    Was die Endlagerproblematik anbelangt, sehe ich hier auch Probleme aber was ist mit Verfahren wie Separation, Transmutation und Spallation sind die schon aus dem Rennen?

    Herzlich CAS

  30. #31 Jörg
    08/27/2009

    Zunächst möchte ich bemerken, dass es “radioaktive Strahlung” nicht gibt, auch wenn leider mittlerweile sogar in Lehrbüchern von “radioaktiver Strahlung” zu lesen ist.

    Sondern?

  31. #32 CAS
    08/28/2009

    Es gibt Radioaktivität/radioaktiven Zerfall, dabei wird ionisierende Strahlung (EM und/oder Korpuskular) emittiert aber die emittierte Strahlung selbst ist nicht radioaktiv. Sie ist ein Ergebnis der Radioaktivität. Daher gibt es keine radioaktive Strahlung.
    Vergl. Wikipedia: Radioaktivität, C. Grupen: Grundkurs Strahlenschutz, Dobrinski, Krakau, Vogel: Phys. f. Ing.

    Herzlich CAS

  32. #33 Jörg
    08/28/2009

    Uff, naja, es ist Strahlung aus Radioaktivität, das ist schon eher seltsam das so zu begründen.
    Was ist nach der Begründung dann kosmische Strahlung?

  33. #34 Hilmar Steinhauer
    08/28/2009

    Vereinfachung bringt halt meist Unschärfe mit sich. Warum das in diesem Fall ein Problem sein soll, erschliesst sich mir nicht. “Durch Radioaktivität entstandende Strahlung” ist eine Ecke sperriger als “radioaktive Strahlung”, und klingt m.E. nicht wirklich ungefährlicher.

  34. #35 CAS
    08/29/2009

    Selbstverständlich gibt es noch andere Entstehungsmöglichkeiten für ionisierende Strahlung z.B. durch entsprechendes Beschleunigen oder Abbremsen von Korpuskeln. Ebenso gehört m.W. Kosmische Strahlung zur ionisierenden Strahlung (besteht kosm. Strahlung nicht auch [primär] aus beschleunigten Teilchen?). Allerdings weiß ich nicht, wie kosm. Strahlung entsteht (ist das denn schon klar?). Nur, um diese geht es in diesem Zusammenhang = Kernkraft bzw. “radioaktive Strahlung” (=strahlende/Strahlung aussendende Strahlung) betreffend aber m.E. nicht.
    Was an der Begründung: beim radioaktiven Zerfall wird ionisierende Strahlung emittiert, diese ist aber nicht radioaktiv, seltsam sein soll, kann ich nicht nachvollziehen. Ich wollte lediglich auf den nicht korrekten Begriff hinweisen, obschon mir klar ist, dass er umgangssprachlich verwendet wird, wie auch z.B. “Stundenkilometer”.
    Der Blog soll doch aber auch Bildung vermitteln und aufklären oder liege ich damit daneben?
    Was ich aber noch zu Kernreaktoren anmerken wollte ist, wir können bisher auch aus med. Gründen (Radionuklide) nicht darauf verzichten.

  35. #36 Jörg
    08/29/2009

    Ich weiß nicht was Begriffskrittelei mit Bildung zu tun haben soll. Bezeichnend, dass das aus einem Buch für Ingenieure stammt. “Radioaktive Strahlung” ist kein umgangssprachlicher Begriff, jeder Gebildete(!) weiß eindeutig was damit verbunden ist, nämlich Phänomene aus schwacher Wechselwirkung, dem Tunneln über die Coulombbarriere oder elektromagnetische Abregung angeregter Kernzustände, die Elektronen, Heliumkerne oder Gammastrahlen aussenden. Das ist der interessante Teil, alles andere ist egal solange der Begriff klar ist. Dass jemand geglaubt hat, radioaktive Strahlung heiße so, weil dort im Flug radiaktive Zerfälle stattfinden, habe ich noch nie gehört.
    Ionisierende Strahlung ist dagegen ein unpassender Begriff, da es viel mehr sein kann als Strahlung aus radioaktiven Zerfällen.

    Zu kosmischer Strahlung habe ich z.B. hier etwas geschrieben.

    Was ich aber noch zu Kernreaktoren anmerken wollte ist, wir können bisher auch aus med. Gründen (Radionuklide) nicht darauf verzichten.

    Das ist richtig, da scheint es teilweise schon zu Engpässen zu kommen.

  36. #37 CAS
    08/29/2009

    Meinetwegen kann man es auch als “Begriffskrittelei” ansehen. Das angegebene Physikbuch f. Ing. ist aber nur eine Quelle dazu, die ich angegeben habe. C. Grupen z.B. ist Teilchenphysiker am CERN und Lehrstuhlinhaber Uni Siegen.
    Schönes WE und danke für den Link

  37. #38 Michel
    03/14/2011

    Ich bin grad über google auf den alten Artikel gestoßen und war etwas überrascht hier folgendes zu lesen :
    “… dass es eigentlich einen Typ Kernreaktor gibt, der inhärent viel sicherer ist als existierende Typen – und dass dieser leider in Deutschland nicht realisiert wurde, obwohl die Idee hier ausgearbeitet wurde.”
    Leider ist der Autor in seinem Pro Atom Eifer nicht vollständig informiert. In Deutschland war ein Kugelhaufenreaktor in Betrieb (Hamm-Üntrop). Dieser wurde aber wegen vieler technischer Probleme nach ein paar Jahren wieder abgeschaltet.
    Vorteile hat der Kugelhaufenreaktor nur bei fehlendem Kühlmedium. Bei Einbruch von Luft oder Wasser (zB in Jülich!) können genauso größere Menge radioaktiver Stoffe freigesetzt werden.

  38. #39 roel
    03/15/2011

    @Michel nein, dem Autor ist das bekannt gewesen (siehe unter dem 2. Bild). Aber richtig interessant finde ich die tolle Idee mit dem T-Shirt. Der Spruch der mir hierzu einfällt ist leider zu makaber, um ihn hier zu erwähnen.

    @Jörg und interessant finde ich folgenden Absatz: “Egal, auf den Zug will ich hier eigentlich gar nicht aufspringen, aber nur einmal darüber sprechen, dass es eigentlich einen Typ Kernreaktor gibt, der inhärent viel sicherer ist als existierende Typen – und dass dieser leider in Deutschland nicht realisiert wurde, obwohl die Idee hier ausgearbeitet wurde.”
    Also sind die existierenden Kernreaktoren viel unsicherer!?! Und dann regen Sie sich hier https://www.scienceblogs.de/diaxs-rake/2011/03/quellen-und-seriose-links-zum-fukushimakraftwerkstorfall.php über Leute auf, die eben diese Unsicherheit anprangern? Ist schon merkwürdig.

  39. #40 Jörg
    03/15/2011

    Ich werd weiterhin nicht auf unterstellte Motive und Suggestivfragen antworten, und die ‘Diskussion’ wird auch nicht hier weitergeführt werden.