Über Nuklearenergie nicht wertend zu sprechen ist ja leider unmöglich. Die Materie ist auch recht komplex, aber vor allem ist das ganze ideologisch so überdeckt mittlerweile dass man auch mit gutem Willen und Studium der Medien keine Meinung bilden kann. Leider verhindert die irrational übersteuerte Angst vor radioaktiver Strahlung jede ordentliche Bewertung der Endlagerungs-Problematik. Wo eine wissenschaftlich fundierte Bewertung essentiell wäre, wird stattdessen endlos überprüft und überwacht, leider auch gemauschelt, und währenddessen lagert der Müll viel unsicherer in Zwischenlagern. Und was ich ungeachtet jeder Ansicht die man haben kann schon immer völlig beknackt fand – wenn ein Transport stattfindet wird er blockiert.
Egal, auf den Zug will ich hier eigentlich gar nicht aufspringen, aber nur einmal darüber sprechen, dass es eigentlich einen Typ Kernreaktor gibt, der inhärent viel sicherer ist als existierende Typen – und dass dieser leider in Deutschland nicht realisiert wurde, obwohl die Idee hier ausgearbeitet wurde.
Das Design der Kugelhaufenreaktors wurde in den 50er Jahren von Rudolf Schulten an den (damaligen) Kernforschungsanlagen Karlsruhe und Jülich entwickelt. In Jülich stand auch der erste Testreaktor diesen Typs, der AVR. Das Prinzip ist wirklich deutlich besser als der klassische Reaktor.
Im Kugelhaufenreaktor wird das Brennmaterial (Thorium, Uran oder Plutonium) in Graphitkugeln eingeschlossen. Etwas 5% der Masse einer tennisballgroßen Kugel besteht aus Körnern des radioaktiven Materials. Durch diesen Einschluss ergeben sich drei riesige Vorteile:
- Man braucht keine regulierende, vom Menschen gesteuerte Moderation. Eine Kernreaktion läuft so ab: Bei einem Zerfall wird ein Neutron ausgesandt und kann weitere Kerne zerlegen, die ihrerseits wieder Neutronen ausschicken. Dadurch kann eine Kettenreaktion ausgelöst werden. Die Bedingung ist, dass ausreichend Kerne getroffen werden können. Wenn man jetzt Moderatoren hat, die Neutronen aufhalten, kann man die Reaktion am Laufen halten, ohne dass sie aber “durchbrennt”. Genau diese Aufgabe erledigt normalerweise ein vom Menschen regulierter Vorgang, z.B. Graphitstäbe die man zwischen die Brennstäbe fahren kann. Aber bei den kleinen Kugeln ist das Graphit schon direkt im richtigen Maß um die radioaktiven Materialien, und es muss keine Regulierung durch Menschen erfolgen – keine Chance für menschliches Versagen. Wenn man eine Kugel knacken würde, während die Kernreaktion läuft, würde die Reaktion dadurch automatisch stoppen!
- Die Einschlüsse des Materials bedeuten auch, dass man weniger radioaktiven Austritt hat, dass man höhere Verbrennungseffizienz erreicht und der radioaktive Müll weniger stark strahlt und bereits eingeschlossen ist. Außerdem benötigt man kein Wasser, um die erzeugte Wärme abzutransportieren und in Strom zu verwandeln, sondern ein Gas (z.B. Helium) reicht. Helium wird nicht, wie das Wasser im klassischen Reaktor, radioaktiv verseucht. Wieder ein Gefahrenfaktor weniger, außerdem erlaubt das eine höhere Betriebstemperatur und somit einen höheren Wirkungsgrad.
- Da so ein Reaktor einfach mit hunderttausenden Kugeln befüllt wird, ist es nicht nötig, ihn am Anfang voll zu beladen. Man kann verbrannte Kugeln entnehmen und neue nachfüllen. Dadurch reduziert sich die Menge an Material, das sich im Reaktor befindet.
Von 1966 bis 1988 lief in Jülich der Versuchsreaktor AVR, und ein Testreaktor in Hamm-Uentrop lief ab 1983, aber nur 5 Jahre lang. Der Reaktor in Hamm hatte aber schwere Probleme mit dem Material und Kugelbrüchen, und 1986 kam es zu einem Unfall, bei dem eine Kugel sich in der Einlassschleuse verklemmte und es zu Gasaustritt kam, mutmaßlich auch in die Umwelt.
Auch beim AVR zog man einige Lehren, die zeigten dass das Prinzip nicht so rosig war wie oben beschrieben. Natürlich – dafür ist ein Versuchsreaktor ja da und nichts ist jemals leicht.
Die Sicherheitsbewertung des AVR beschreibt neuere Probleme, die in den Griff bekommen werden müssten: Es kann radioaktives Material in den Kühlkreislauf gelangen, was einen Einschluss des Reaktor in einem dicken Betonpanzer unbedingt notwendig macht. Die Temperaturen im Reaktor waren zu hoch, und das ist ein Problem weil das Graphit sich bei 600°C entzündet. Ein weiteres Problem kann sein, dass ohne ordentliche bauliche Maßnahmen bei einer Beschädigung des Reaktorkerns Wasser dort hineinlaufen kann.
Letztendlich war es aber das Unglück in Tschernobyl und das politische Wetter, dass dann den Todesstoß für die Forschung an diesem Reaktortyp in Deutschland gab. Und aus heutiger Sicht muss man das echt bedauern – wenn noch 20 Jahre daran geforscht worden wäre, könnte man heute nochmal für Kernenergie sein und solche neuen Reaktoren bauen statt neuen Kohlekraftwerken. Aber wie die Welt wirklich steht, kann man nicht darauf setzen (zumindest in Europa), und sollte voll in Sonnenenergie gehen.
Aber aus Ssicht der Wissenschaftspolitik muss man es bedauern – jetzt bauen andere Länder solche Reaktoren – Südafrika z.B, den PBMR. China will etliche davon bauen. Zwar sind deutsche Firmen beteiligt, aber ganz nüchtern muss man sagen, dass diese Technik zwar in Deutschland erfunden wurde, aber Deutschland fast nichts davon hat. Aber andererseits – nach Tschernobyl war mit Sicherheit auch keine andere Reaktion möglich. Trotzdem – schade.
(Bildquellen: Euronuclear)
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