Wie funktioniert eigentlich ein Teilchenbeschleuniger? Dem Linearbeschleuniger liegt ein wirklich ganz einfaches Prinzip zugrunde.

Beschleunigen kann man geladene Teilchen, z.B. ein Elektron oder ein Atom dem man ein paar Elektronen stiebitzt hat.

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Und dann braucht man eigentlich nur noch ein elektrisches Feld – z.B. würde in einem Plattenkondensator, wie hier rechts im Bild, ein Elektron, das man links an der Platte loslässt, zur linken Platte beschleunigt werden. Man braucht also einfach nur ein elektrisches Feld, das sich durch eine Ladungsdifferenz erzeugen lässt.

Und noch schöner ist, dass es total einfach ist zu berechnen, wieviel Energie das Teilchen gewinnt. Die Formel dazu ist einfach

E = qU

mit der Ladung des Teilchens q und der Spannung U die das Teilchen durchlaufen hat.

Sagen wir, die Spannung (Potentialdifferenz) zwischen den Platten wäre 220 V. Und die Ladung eines Elektrons ist einfach, nämlich die kleinste mögliche Ladung, die Elementarladung e. Und weil das so einfach ist, rechnet man das gar nicht um, sondern führt einfach eine passende Einheit für die Energie ein, die man Elektronenvolt (eV) nennt, und die man überall findet wo es um Energie und Masse von Teilchen geht. In diesem Beispiel würde das Elektron also einfach 220 eV gewinnen.
Dank Einstein wissen wir, dass Masse und Energie äquivalent sind, also E=mc². Und als Teilchenphysiker setzt man einfach c=1. Hey, keine Beschwerde, es ist eh konstant wie nur was! Ja, ich habe auch zuerst gedacht das ist ja bescheuert, aber es passt einfach. Dann ist wirklich Energie gleich Masse. Zum Vergleich mit der obigen Zahl von 220 eV, die Ruhemasse des Elektrons beträgt 511 keV, bei so einem einfachen Kondensator ist also die Energie durch die Ruhemasse dominiert.

Der einfachste Teilchenbeschleuniger, der mit etwas Liebe als solcher bezeichnet werden kann, ist übrigens die Braun’sche Röhre, die jeden nichtflachen Fernseher oder Bildschirm antreibt. Hier ist die Spannung im Bereich von 10-30 kV, also noch nicht dominierend, aber die Energie, die das Elektron haben wird wenn es auf den Bildschirm trifft, ist merklich höher als die Ruhemasse. Das bedeutet gleichwertig, dass das Elektron mit einer Masse von mehr als 511 keV auf den Bildschirm trifft, z.B. mit 530 keV. Das ist relevant, denn wenn man das beim Bau des Fernsehers nicht berücksichtigen würde, wäre das Bild unscharf, weil man die Bewegung des Strahls falsch berechnet!

Van de Graaff-Beschleuniger

Jetzt wollen wir aber doch mal Experimente machen und brauchen – MEHR POWER! Also, wir wollen ein richtig kräftiges elektrisches Feld, und aus der Schule kennt ihr vielleicht den Bandgenerator, der einem die Haare zu Berge stehen lässt:

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Ein laufendes Band transportiert positive Ladungen zur oberen Ebene und erzeugt so ein zunehmend starkes elektrisches Feld. So ein Gerät heißt Van-de-Graaff-Generator nach Robert Van de Graaff, und hat sogar die Namensfindung obskurer Prog-Rock-Bands beeinflusst (auch wenn die ein ‘f’ im Namen vergaßen)…

Auf Basis dieses Generators wurde dann der Van-de-Graaff-Beschleuniger gebaut. Man nutzte das starke elektrische Feld, um elektrisch negative Teilchen zu beschleunigen, mit bis zu 10 MV, hey damit bringt man ein Elektron schon auf das 20fache seiner Ruhemasse!

Begrenzt wurde die Feldstärke dadurch, dass es bei stärkerer Aufladung zu Durchschlägen kommt. Die Geräte sahen dann oft aus wie Gegner von Doctor Who, wie dieses Gerät von 1937:

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Notre Dame Beschleuniger 1937, Notre Dame Department of Physics

Aber clever war die Erweiterung zum Tandembeschleuniger: Man hat eine weitere Ebene oben aufgesetzt, hatte also von unten zur Mitte ein Feld und ein umgepoltes Feld ab der Mitte bis zur Abschlussebene. Man beschleunigte zunächst elektrisch negative Ionen – also ein Atom das noch zusätzliche Elektronen huckepack dabei hatte. Dann schoss das Ion bei der Mitte durch eine Folie oder eine Gas, das es aller seiner Elektronen beraubte. Dann konnte das Ion jetzt als Atomkern, durch die Protonen also plötzlich positiv geladen, im umgekehrten Feld ab der Mitte noch weiter beschleunigt werden. Tandembeschleuniger sind deswegen manchmal noch immer in Betrieb, weil man eine Vielfalt an Atom(kern)en damit beschleunigen und untersuchen kann.

Linearbeschleuniger

Aber durch das gleichmäßige Feld war man einfach in der maximalen Spannung begrenzt. Die Lösung: Der Einsatz von wechselnder Frequenz, um dem beschleunigten Teilchen den Eindruck eines stetigen, gleichförmigen, langen elektrischen Feldes zu geben.

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Linearbeschleuniger nach Ising und Wideroe, Quelle: Wikimedia Commons

Auf der Beschleunigerstrecke sind an eine Röhre Elektroden angeschlossen, die mit einer festen Frequenz umgepolt werden. Man wählt die Frequenz so geschickt, dass die Umpolung immer erfolgt wenn das Teilchen gerade an einem solchen Pol ankommt. Dadurch sieht das Teilchen immer ein gleichmäßiges Feld, während man nur die Spannung zwischen zwei Polen bereitstellen muss, statt wie in Van-de-Graaff-Beschleunigern die Spannung für die gesamte Strecke. Da das Teilchen schneller wird, legt es in gleicher Zeit immer weitere Wege zurück. Daher muss man die Abstände zwischen den Polen vergrößern.

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Linearbeschleuniger am Oak Ridge National Laboratory, Quelle: Ben Shepherd bei flickr

Der größte Linearbeschleuniger der Welt ist der SLAC an der Stanford University, an dem z.B. die ersten Quarks gefunden wurden. Der Hauptbeschleuniger ist über 3 km lang und bringt Elektronen und Positronen auf bis zu 50 GeV. Da ist plötzlich die Ruhemasse vernachlässigbar…wollen wir doch noch sehen wie schnell so ein Elektron ist. Die relativistische Masse verknüpft sich mit der Ruhemasse durch den Gammafaktor

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als m = γ m_0

Wir kennen die Ruhemasse m_0 = 511 keV und die relativistische Masse m = 50 GeV. Also ist γ=97 847, sagen wir knapp 100000.

Also beträgt die Geschwindigkeit des Elektrons v = 99,999999995% der Lichtgeschwindigkeit c…

Was macht man jetzt mit einem solchen Teilchen? Nun, die hohe relativistische Masse kann man bei Kollisionen ausnutzen, um Teilchen großer Ruhemasse zu erzeugen. Aber das ist wohl ein Thema für einen anderen Tag.

Jetzt geht bald der Ringbeschleuniger LHC an den Start, und danach wird es wohl noch einen riesigen großtechnischen Linearbeschleuniger geben, den International Linear Collider, der gerade in Planung ist und wohl 50 km lang werden soll.

Kommentare (8)

  1. #1 Andreas
    08/04/2009

    Lieber Jörg

    Beim Lorentzfaktor fehlt ein entscheidendes Minus vor 1/2 (Gamma = 1 durch Wurzel etc.).

    Außerdem lautet meine Empfehlung auf den Begriff “relativistische Masse” zu verzichten. Man liest das zwar in vielen Lehrbüchern, aber eigentlich ist es irreführend eine Gleichung für eine bewegte Masse abzuseparieren.
    Es gibt nur eine Masse, nämlich die Ruhemasse. Klar, die Trägheit einer schnell bewegten Masse nimmt zu, aber das ist ein rein dynamischer Effekt und man sollte vielmehr die Impulse im Ruhesystem vs. Laborsystem vergleichen und somit von Impulsen sprechen.

    Beste Grüße,
    Andreas

  2. #2 Jörg
    08/05/2009

    @Andreas: Danke, ich hab die Formel danngleich geTeXed, damit man was erkennt.

    Aber ich glaube nicht, dass der Leser sich in einem solchen Artikel auch noch mit Impulse, Labor- und Schwerpunktsystem herumschlagen will.

  3. #3 Ronny
    08/05/2009

    Danke, gute Zusammenfassung.

    Nur noch eine Frage: Wie entsteht eigentlich die Bremsstrahlung in gekrümmten Beschleunigern ? oder tritt die auch bei linearen auf ?

    Als techniker interessiert mich auch wie man diese ‘Antriebss-Welle’ erzeugt. Die Steuerung dafür müsste ja eigentlich schneller als das Signal sein, kanns aber nicht weil alles schon knapp bei c liegt. Ich vermute mal, dass die Steuerung irgendwie in Gegenrichtung läuft.

  4. #4 Jörg
    08/05/2009

    Da ist ein bißchen was zur Bremsstrahlung: https://www.scienceblogs.de/diaxs-rake/2009/06/synchrotronstrahlung-der-neuesten-generation.php

    Als techniker interessiert mich auch wie man diese ‘Antriebss-Welle’ erzeugt. Die Steuerung dafür müsste ja eigentlich schneller als das Signal sein, kanns aber nicht weil alles schon knapp bei c liegt. Ich vermute mal, dass die Steuerung irgendwie in Gegenrichtung läuft.

    Also eigentlich muss man ja nur eine Wechselspannung anlegen und dann die Abstände zwischen den Polen so anordnen, dass das Elektron in gleicher Frequenz an den Polen vorbeikommt.

  5. #5 Ronny
    08/05/2009

    @Jörg
    Stimmt schon, man muss nur eine Wechselspannung anlegen, aber irgendwie muss die genau synchronisert werden. Je höher die Geschwindigkeit der Elektronen wird, desto genauer muss diese sein. Ich vermute mal es gibt da auch eine Rückmeldung vom Strahl.
    Danke für den Link.

  6. #6 Jörg
    08/05/2009

    Ah, diese Driftröhren sind wahrscheinlich deswegen. Das sind Strecken, auf denen die Elektronen nicht beschleunigt werden und an deren Enden die Pole sitzen.

  7. #7 LeSpocky
    08/07/2009

    Stichwort Fernseher:

    Hier ist die Spannung im Bereich von 10-30 keV

    Ich denk, eV ist die Einheit für Energie und nicht für Spannung? Hast Du doch zwei Absätze vorher toll eingeführt. *verwirrt*

    /edit Joerg: Sorry, das sollte natürlich nur kV sein!

  8. #8 Karen
    09/15/2010

    Vielen Dank,

    das ist wirklich super erklärt. Ich habe mich schon durch ein paar andere Seiten gequält und einfach nicht verstanden, wie ein Linearbeschleuniger funktioniert.

    Kompliment