Zwei Aspekte bestimmen die Zukunft der Teilchenbeschleuiger: Zum einen wird es vielleicht keine größere Maschine als den LHC mehr geben, denn die nächste Runde nach “herkömmlicher” Beschleunigertechnik müsste einfach so riesig sein, dass die Kosten nicht mehr zu bewältigen wären. Zwar ist noch ein Riesen-Linearbeschleuniger geplant, der International Linear Collider (ILC). Nachdem aber im vorletzten und letzten Jahr die Finanzierung, vor allem durch USA und UK, zusammengestrichen wurde, ist der Bau des 30-50 km langen Elektronenbeschleunigers unsicher geworden.
Zum anderen aber verlangen neue Applikationen – z.B. die Bestrahlungstherapie nach zusätzlicher Beschleunigerkapazität in niedrigeren Energieregionen, aber vor allem kompakter und billiger.
Bei der herkömmlichen Methode der Beschleunigung in einem elektrischen Feld ist eine klare Grenze gesetzt. Wenn ein zu hohes elektrisches Feld auf kurzer Strecke zwischen den Elektroden angelegt wird, schlägt der Strom als Funke durch.. Das Limit bei aktuell geplanten Beschleunigern wie dem ILC liegt bei 25 MeV pro Meter. Plasmabeschleuniger bieten eine Chance, wesentlich höhere elektrische Felder auf kurzen Strecken zu erreichen – und damit die Möglichkeit, der Grundstein für die nächsten Beschleunigergenerationen zu sein.
Wellenreiten im Plasma
Unter einem Plasma versteht man einen Materiezustand jenseits der im Alltag sichtbaren Aggregatzustände fest, flüssig und gasförmig. In einem Plasma herrscht eine so hohe Energiedichte, dass die Atome nicht mehr zusammenhalten. Stattdessen liegt ein Gas von Atomkernen (meistens Wasserstoff-Atomkernen, also Protonen) und Elektronen vor, im Prinzip sind also die Ladungsträger trennbar – und eine kleine räumliche Trennung einer solchen Plasmawolke würde riesige elektrische Felder bedeuten.
Ok, sagen wir, wir haben ein Plasma. Dann kommt das entscheidende Moment: Man schießt einen Laser- oder Teilchenstrahl in das Plasma. Der Effekt wird jeweils eine Trennung von Elektronen und Protonen sein, und ein starkes elektrisches Feld als Folge. Die Elektronen dürfen wellenreiten:
Die “Bugwelle” des Lasers erzeugt Störungen, die manche der Elektronen des Plasma hinterherziehen und mitreißen. Man kann sich leicht denken, je weiter der Laser in das Plasma hineinkommt, desto mehr Beschleunigung kann erzielt werden. Der Durchbruch kam 2004 beim L’OASIS-Experiment am Lawrence Berkeley National Laboratory (LBNL). Vorige Versuche, einfach mit stärkeren Lasern zu ballern, nur leichte Verbesserungen in der Beschleunigung erzielt hatten, denn die Laser verlieren recht schnell ihre Fokussierung.
L’OASIS und BELLA
Das Team unter der Leitung von Wim Leemans in Berkeley hatte eine neue Methode entwickelt, die erst einen Kanal ins Plasma legt. Grundsätzlich braucht man ein Röhrchen mit Wasserstoff-Gas, muss dann darin ein Plasma erzeugen und dann einenLeitung für die starke Laserwelle legen – man nennt das dann beispielsweise einen “gas-filled capillary discharge waveguide”. Diese Idee wurd in Oxford entwickelt: Das dünne, Wasserstoff-gefüllte Röhrchen ist mit Elektroden an jedem Ende ausgestattet. Man lässt es zu einer Entladung kommen, die durch das Röhrchen schlägt und Plasma und Kanal für den Laser erzeugt. Basierend auf diesen Entwicklungen wurde das Konzept für L’OASIS (Laser Optics and Accelerator Systems Integrated Studies) erstellt:
Hier ist was passiert: Man schießt drei Laserpulse, von denen der erste (der “igniter pulse”) ein Plasma erzeugt, das sich wie eine Draht durch das Gas zieht. Das soll der Kanal für den treibenden Laser (den “drive pulse”) sein. Die Forscher vergleichen das mit einem Glasfaserkabel, und um das zu bilden folgt senkrecht zum “igniter pulse” ein “heater pulse”, der die Plasmadichte im Kanal ändert: dichter am Rand, weniger dicht in der Mitte, als Führung für den “driver pulse”, der so über eine lange Strecke kohärent bleiben und mehr Elektronen mitreißen kann.
Der Eerfolg war … durchschlagend … und hat es sogar in den Economist geschafft. Der treibende Laser mit 40 Terawatt Leistung (natürlich nur ein einem ultrakurzen Puls), trieb Elektronen zu einem GeV! Die dazu benötigte Beschleunigerstrecke: 3 ZENTIMETER!
Das nächste Ziel: Das erweiterte Experiment, nennt sich jetzt BELLA, will die 10 GeV erreichen. Dank großer Fortschritte in der Lasertechnik (getrieben von Industrie und Militär…), will man jetzt mit einem Femtosekunden-Petawatt-Laser schießen. Das Fernziel: Eine ganze Kette solcher 10 GeV-Module hin zum TeV…doppelt so viel wie ein 30 km Elektronen-Linearbeschleuniger erreichen könnte.
Vom Laser zum Teilchenstrahl
Es gibt noch eine weitere Möglichkeit: Statt mit einem Laserstrahl schießt man gleich einen Elektronenstrahl in das Plasma. Hier ist das Ziel nicht, einen “frischen” Elektronenstrahl zu erzeugen, sondern einen bereits vorbeschleunigten Strahl weiter zu beschleunigen.
Während beim Laser der Strahlungsdruck die Elektronen im Plasma von den Protonen trennt, ist es beim Elektronenstrahl die elektrische Abstoßung zwischen Plasma- und Strahlelektronen. Die verdrängten Elektronen hinterlassen eine positiv geladene Blase, die dann die Elektronen wieder anziehen wird. Da diese dann beschleunigt werden, bis sie auf die Blase treffen, haben sie Schwung und werden über die Blase hinausschießen, eventuell von der nächsten Blase angezogen usw.
Am längsten Linearbeschleuniger der Welt, dem SLAC, wurde das versucht. Man schaffte die bemerkenswerte Leistung, auf einer Strecke von 1 Meter die Energie des Strahls zu verdoppeln. 42 GeV, die über 3 km Strecke herkömmlich erzielt worden war.
Und jetzt?
Man sieht die Möglichkeiten: Auf der einen Seite “tabletop-sized” Beschleuniger für Anwendungen in Materialforschung, Industrie und Medizin. Auf der anderen Seite die Zukunft der Hochenergie-Beschleuniger. Aber natürlich braucht es noch etwas bis dahin.
Das entscheidende ist nicht, dass man die Energie verdoppelt hat. Vielmehr geht es dann auch darum, wieviele Elektronen man tatsächlich auf diese Energie bekommt, und wie kompakt der Strahl ist – räumlich und in der Energieverteilung. Das SLAC-Experiment hatte beispielsweise noch eine Verschmierung von 100% in der Energieverteilung. Das ist mit Lasern einfacher, daher sind diese vermutlich eher fertig. Bereits jetzt wird über Anwendungen in der Krebstherapie nachgedacht, das Fox Chase Cancer Center will in einigen Jahren eine Prototyp-Einrichtung mit Laser-Plasmabeschleuniger sein. Und in der Industrie wird man sich vermutlich auch schon die Finger nach solchen Beschleunigern lecken.
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