Jedenfalls ist es das, was ICH aus der Studie lese: Nur 17% der Deutschen wissen, was Homöopathie ist. Die Studie wurde innerhalb des Bundesverbands der Arzneimittelhersteller von einer Arbeitsgemeinschaft von Herstellern homöopathischer Arzneimittel an das Allensbach-Institut vergeben, um herauszufinden, wie es um Bekanntheit, Verbreitung und Image homöopathischer Arzneimittel in Deutschland bestellt ist.
Die Studie als Zusammenfassung und Präsentation, eine Pressemeldung und ein Informationsblatt zu Homöopathie finden sich bei den Pressemitteilungen des Bundesverbands.
Die Pressemitteilung und leider auch das, was dpa draus gemacht und viele abgeschrieben haben klingt leider anders als mein Fazit.
Meist sogar unverändert oder nur umgestellt geben alle die dpa-Meldung wieder, z.B. mit der Überschrift “Vertrauen in Homöopathie wächst”. Ich habe etwas nach “Homöopathie Allensbach” gesucht und (noch?) keine kritische Auseinandersetzung gefunden. Unter anderem findet sich die Meldung bei n-tv, der Kölnischen Rundschau, Krankenkassen Deutschland, oder im Radioprogamm von BR5.
Da heißt es:
Fast alle Deutschen (92 Prozent) kennen heute die auf pflanzlicher Herkunft basierenden Arzneimittel.
Das heißt, sie kennen den Namen. Erst einmal hat mich die Bezeichnung “Arzneimittel” gewundert. Aber tatsächlich werden nach Europäischem Recht homöopathische Arzneimittel definiert als solche, die nach einem Homöopathischen Arzneibuch hergestellt werden. Homöopathische Arzneimittel sind in Deutschland grundsätzlich apothekenpflichtig.
Sehr viel mehr verwundert dann aber noch der Beisatz “auf pflanzlicher Herkunft basierend”. Das lässt direkt Zweifel aufkommen. Was wurde denn gefragt? “Kennen Sie homöopathische Arzneimittel?”. Im Artikel, in der Pressemeldung (PDF) und auch in der Zusammenfassung der Studie (PDF) findet sich keine Information darüber, ob auch geprüft wurde ob die Leute denn auch wissen WAS ein Homöopathikum ist. Aber in der Präsentation bzw. den dort verfügbaren Grafiken bin ich doch fündig geworden. Tatsächlich, auch wenn es dann in den Texten unerwähnt bleibt, wurde noch gebeten doch anzugeben, was homöopathische Arzneimittel denn seien:
Diese Ergebnisse sind wohl als nicht so öffentlichkeitswirksam erachtet worden. Erschütternderweise wissen nur 17%, was Homöopathie ist. Es ist kein Naturpräparat, es ist ein wirkstofffreies Zuckerkügelchen oder Wasser. Es war schon oft Thema hier auf den Scienceblogs, daher sei für weitere Erläuterungen, warum wir Homöpathie für Unfug halten auf diese Artikel verwiesen, z.B. hier bei mir, bei Christian oder Ulrich.
Generell handelt es sich bei Homöopathie um eine Therapie, die auf frei assoziierte Gedanken von Samuel Hahnemann zurückgeht. Um ein Präparat zu finden, gibt man gesunden Menschen einen Stoff. Dann muss dieser alles beschreiben, wie es ihm geht, was er fühlt etc. Die Vermutung ist, dass der Stoff Krankheitssymptome auslöst, und dass er bei einem Kranken der diese Ssymptome zeigt die Krankheit heilt. Damit das Präparat noch viel wirksamer wird, wird es verdünnt. So stark verdünnt, dass man (ohne Übertreibung) das Sonnensystem mit der Arznei füllen müsste, um statistisch wahrscheinlich ein (!) Molekül des Wirkstoffes darin zu finden.
Die Wirkung der Homöopathika beruht, wie man durch die bestmöglichen Studien herausfinden kann, lediglich auf dem Placebo-Effekt. Leider gibt es viele schlechte Studien, die nicht mit Kontrollgruppe und doppelter Verblindung arbeiten, daher zu positiven Ergebnissen kommen und als Marketing-Vehikel verwendet werden.
Tja, und das kommt dabei heraus. Es ist bekannt, es wird verwendet, aber nur 17% wissen was es ist. Und wieviele davon kennen die Dimension dessen, wie stark die Verdünnung ist und was das für die Wirksamkeit bedeutet? Immerhin – die Zahl derer die es im Grundsatz wissen hat von 1% im Jahr 1970 doch deutlich zugenommen.
Die Zahl deren, die Homöopathie für nicht wirksam halten, liegt bei lediglich 2%. Umso Grund, weiter darüber zu schreiben, und die Medien zu kritisieren, unkritisch zu berichten. Denn das Marketing klappt:
“Der häufigste Weg zu Homöopathika führt über persönliche Empfehlungen von Bekannten, Ärzten oder Apothekern”, sagte de Sombre. (…)
Der Anteil homöopathischer Mittel an rezeptfreien Arzneien lag im vergangenen Jahr bei rund 7 Prozent, dies entspricht einem Wert von etwa 399 Millionen Euro, hieß es weiter.
400 Millionen Tacken in Deutschland, na wenn das sich nicht lohnt.
Die Pressemeldung verkündet dann noch stolz:
Auch durch die positiven Umfrage-Ergebnisse bestätigt, werden am 13. September 2009 mehrere Unternehmen unter dem gemeinsamen Motto „Homöopathie
entdecken” verschiedene Veranstaltungen zur homöopathischen Therapierichtung
anbieten. Das Angebot an Journalisten, interessiertes Laienpublikum und Fachleute
umfasst beispielsweise Führungen durch die Produktionsanlagen und Kräutergärten
wie auch Fachvorträge zur Homöopathie.
Ach herrje. Aber die Pressemeldung findet ja auch, dass die homöopathischen Aarzneimittel durch die Bevölkerung “richtig” charakterisiert werden! Fragt sich zunächst, was richtig ist, und dann wieso es richtig charakterisiert ist, wenn nur 17% der 92 % der Befragten, die es kennen, auch wissen was es ist.
Ganz besonders erschütternd ist die beiliegende Hintergrundinformation zur Homöopathie. Abgesehen von der “Evil Schriftartwahl of Death” findet sich hier die pure Beliebigkeit wieder.
Da wird zunächst die Geschichte ab Hahnemann erklärt. Lest das mal, und schaut wie aber trotzdem immer wieder von “Erforschung” gesprochen wird. Dann werden deutsche Vertreter genannt, mit Schwurbelattacken wie dieser:
Ein weiterer Pionier in der Entwicklung homöopathischer Kombinationsarzneimittel ist Dr. Hans-Heinrich Reckeweg (1905 – 1985). Er entwickelte ein spezielles „homöotherapeutisches” Prinzip („Homotoxikologie”), das mit homöopathischen Kombinationspräparaten bedienbar ist. Der heutige, forschungsgestütze Ansatz geht davon aus, das drei Wirkmechanismen zum Tragen kommen: „Entgiftung” und Ausleitung, Immunmodulation und Stärkung der Zell- und Organfunktionen. Ziel ist, dass im Sinne einer „Multi-Target-Regulation” (Ansatz an mehreren Stellen), das biologische Gleichgewicht im Körper wieder hergestellt wird.
Der forschungsgestützte Ansatz, ahja. Klingt fast wie Wissenschaft, ist es aber sicherlich nicht, im Gegenteil. Pures Gelaber ist es.
Dann kommt der Hammer
Homöopathische Arzneimittel müssen durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) behördlich überprüft werden, bevor sie in den Markt gebracht und in der Apotheke abgegeben werden dürfen. Dabei sind in jedem Fall Nachweise über die Herstellung und die qualitative Beschaffenheit des jeweiligen Arzneimittels zu führen. Sicherheit und Wirksamkeit müssen durch Literaturdaten oder eigene Untersuchungen belegt werden.
Literaturdaten oder eigene Untersuchungen! Woher kommt dieses “Special Pleading”? Warum muss für diese “Arzneien” nicht der Nachweis durch klinische Studien geführt werden, der für echte Medizin notwendig ist?
Eine Ausnahme hinsichtlich der Vorlage der Belege zur Wirksamkeit stellen die “registrierten” Homöopathika dar, die nach einem vereinfachten Verfahren überprüft werden, aber aus diesem Grunde auch keine Angaben zu Anwendungsgebieten enthalten dürfen. Hierbei kommt dem Therapeuten die wichtige Aufgabe zu, nach dem Studium der homöopathischen Literatur und der Untersuchung des Patienten zu entscheiden, welches Mittel im individuellen Fall zur Anwendung kommen soll.
Achja, Literatur und “eigene Studien” sind auch noch zu viel?
Zum Nachweis der Wirksamkeit ist die so genannte klinische Studie nicht unbedingt das Mittel der Wahl. Da die klassische Homöopathie eine auf die Situation des jeweiligen Patienten ausgerichtete individuelle Therapieform ist, müssen hier das Vorliegen der Krankheit und die Anwendung des Arzneimittels differenziert betrachtet werden. Der Krankheitsbegriff in der Homöopathie betrifft nicht nur ein einzelnes, genau definiertes Lokalsymptom. Eine gut durchgeführte Einzelfallanalyse ist deshalb die der Methodik der Homöopathie am besten angepasste Form der Bewertung eines Therapieerfolges.
Jawohl, das ist “Special Pleading” in Reinkultur. Ich weiß nicht, wie der deutsche Begriff dafür ist, aber man versteht darunter, sich den Anstrich eines Sonderfalls zu geben und sich dadurch Sonderrechte einzuräumen. Wie schon oft erwähnt, ist Homöopathie selbstverständlich in klinischen Studien leicht testbar. Diese ganze Rumargumentiererei hier ist schlicht Blödsinn.
Gleichwohl gibt es nach modernen Prinzipien durchgeführte Doppelblindstudien, die positive Ergebnisse bei ausgewählten Krankheiten gezeigt haben.
Ja? Welche? Gab es eine Kontrollgruppe mit Placebo?
Auch die basierend auf dem Arzneimittelgesetz behördlich publizierten Monografien der Expertenkommission D stellen ein wichtiges Instrument zur Bewertung von in der Homöopathie verwendeten Präparaten dar. Sie spiegeln die wissenschaftlichen Erkenntnisse von über 1.100 homöopathisch genutzten Zubereitungen aus pflanzlichen, tierischen und mineralischen Stoffen wider und enthalten Aussagen über deren Anwendungsmöglichkeiten.
Wissenschaftliche Erkenntnisse zu homöopathisch genutzten Stoffen? Das ist völlig egal, die werden doch eh wegverdünnt.
Aber anscheinend will man sich doch modern erforscht geben durch ein bißchen Einstreuen von “Wissenschaft” und “Forschung”.
Mir bleiben immer noch Fragen zu dieser Studie. Nicht nur zu der Copy&Paste-Mentalität der Medien, auch zum Verband. Daher habe ich dem Vertreter eine Mail geschrieben.
Sehr geehrter Herr Kuepper,
(…)
Aus einer Folie geht hervor, dass noch genauer gefragt wurde, und
lediglich 17% wussten, dass es sich um verdünnte Präparate handelte.
Aber viele gaben eine Herkunft als “Naturpräparat” an. Warum kommt
dies weder in der Pressemitteilung noch in der Zusammenfassung vor?
Offenbar ist das Wissen, dass das Präparat physikalisch nur Wasser
oder Zucker ist, nicht verbreitet.
Weiter habe ich zwei Fragen zur Formulierung
“Eine repräsentative Bevölkerungsstudie zur Bekanntheit, Verwendung und Image
homöopathischer Arzneimittel durch das Institut für Demoskopie Allensbach, hat
zudem ergeben, dass ein Großteil der deutschen Bevölkerung Homöopathika richtig
charakterisiert.”
in der Pressemitteilung:
a) Warum ist die Charakterisierung “richtig”? Wer hat festgelegt, was
richtig ist? Der Geldbeutel der Hersteller?
b) Aus der Präsentation geht hervor, dass nur 17% richtig wissen, dass
ein homöopathisches Mittel durch Verdünnung entsteht. Wie kommt da die
Aussage zustande, Homöopathika seien richtig charakterisiert?
Schließlich würde mich noch interessieren, woher das Dokument
“Hintergrundinformationen zur Homöopathie” stammt.
(…)
Mal sehen, ob und welche Antwort ich erhalte.
Nachtrag 21.08.: Jetzt habe ich eine Antwort erhalten.
Sehr geehrter Herr Rings,
gerne nehme ich zu Ihren Fragen wie auch zu Ihren Veröffentlichungen unter “www.scienceblogs.de” Stellung. Es ist richtig, dass 17 % der über 1600 befragten Personen Homöopathie mit Verdünnungsprinzip und/oder
Ähnlichkeitsprinzip richtigerweise und eindeutig in Verbindung bringen konnten. Und es ist auch richtig, dass dieses Ergebnis positiv gewertet wurde. Warum? Zuerst einmal hat sich die Zahl derer, die Homöopathika eindeutig klassifizieren können von 1975 bis heute von gerade mal einen Prozent auf 17 % erhöht. Zudem ist der Antwortkontext “es handelt sich um natürliche Medikamente” in diesem Zusammenhang ebenfalls positiv zu werten, weil diese Antwort im weiteren Sinne ebenfalls richtig ist, da es sich bei Homöopathika nicht um synthetisch-chemische Verbindungen (Arzneimittelmittel) handelt. In der Pressekonferenz wurde auch der Hinweis darauf gegeben, dass es sich um eine offen gestellte Frage (keine Antwortmöglichkeiten vorgegeben) gehandelt hat. Zudem wurde die Allensbach-Studie als sogenannte Omnibus-Befragung durchgeführt. Die Befragten wurden zu verschiedenen Bereichen des wirtschaftliches Lebens etc. befragt und unter anderem auch zu Homöopathika – auch deshalb muss man davon ausgehen, dass eine solche, offen gestellte Frage, als schwer einzustufen ist und das Ergebnis, anders als von Ihnen dargestellt, positiv ausfällt. Könnten Sie sich vorstellen, wie eine Umfrage zur Wirkungsweise von Antibiotika spontan ausfallen würde? Dass nicht 90 % der Bevölkerung ad hoc eine genaue Beschreibung einer Therapierichtung geben können, heißt doch noch lange nicht, dass sie im Alltag und der allgemeinen Wahrnehmung damit nichts anfangen können.Auch zu Ihrer Frage, wer festgelegt hat, was richtig ist in dieser Umfrage, möchte ich kurz eingehen. Die Studienergenisse liegen klar und offen, für jedermann einsehbar, auf der Homepage des BAH – abrufbar bereit. Für die Durchführung der Studie hat man sich bewußt für eines der großen, traditionellen und über jeden Manipulationsverdacht erhabenen demoskopischen Institute entschieden. Zuletzt gestatten Sie mir noch den unemotionalen Hinweis, dass es sich bei der Allensbach-Befragung um eine Bevölkerungstudie handelt – es geht, wie auch publiziert, um Bekanntheit, Verwendung und Image von Homöopathika, nicht um den Nachweis von Wirkung oder den Diskurs darum. Diese Differenzierung muss gestattet sein.
Mit freundlichen Grüßen
Stephan David Küpper
AU! Die bösen bösen synthetisch-chemischen Substanzen…helfen nichtmal gegen Augenwischerei…
Dieser Artikel ist auf Anregung und mit Hilfe von Christian Reinboth entstanden.
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