Letzte Woche habe ich gezeigt, wie eine Studie, die eigentlich zeigt dass nur 17% der Anwender von Homöopathie wissen was sie da eigentlich nehmen; erfolgreich als Marketing-Vehikel benutzt wurde. dpa hat eine Pressemeldung verfasst dazu und etliche Zeitungen haben den meist ungeändert in ihr Onlineprogramm übernommen.
Meine Frage an den Pressesprecher, die Antwort habe ich im Artikel noch ergänzt, war wenig ergiebig. Was will man von Marketing-Sprech zu Homöopathie erwarten…
Dann hab ich mir gedacht: Wie kommen so viele Zeitungen dazu, das einfach abzudrucken? Also habe ich an 8 Zeitungen, an BR 5 und an dpa geschrieben. Hier ist der Brief an die Zeitungen, der an dpa war natürlich etwas abgewandelt:
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe in Ihrem Onlineangebot den Artikel zu einer aktuellen Umfrage zur Homöopathie gefunden, der mehr oder weniger unverändert von dpa übernommen wurde.
…link…
Sieht man sich jedoch das bereitstehende Material an, das hier zu finden ist:
https://www.bah-bonn.de/index.php?id=178
sieht man, dass in der Präsentation der Daten eine wichtige Frage zu finden ist, die in Mitteilung, Artikel und Zusammenfassung “vergessen” wurde, nämlich ob die Leute auch wissen, WAS Homöopathie ist. Das wissen nur 17%: Irgendetwas mit starker Verdünnung.
Homöopathie ist KEIN Naturpräparat und schon gar keine Wissenschaft. Stattdessen werden dort Präparate so stark verdünnt, dass physikalisch kein Molekül eines Wirkstoffes mehr vorhanden ist. Pures Wasser also wird dort für 400 Millionen Umsatz pro Jahr verkauft. Wissenschaftlich nachweisbar (sofern die Studie qualitativ hochwertig durchgeführt ist), wirkt Homöopathie nur durch den Placebo-Effekt. Und natürlich hilft Homöopathie vor allem bei Erkältungen etc.: Denn die gehen ohne Behandlung eben auch von selbst weg. Und das weiß offensichtlich nur ein geringer Teil der Anwender – wäre das nicht Ihre Aufgabe darüber kritisch zu berichten?
Daher meine Frage:
Warum übernehmen Sie derart unkritisch Pressemeldungen, wo sich doch mit nicht viel Aufwand zeigen ließe, dass hier entscheidende Teile verschwiegen wurden, und das ganze nur ein Marketing der Homöopathie-Hersteller ist? Würden Sie so unkritisch auch über nachweisbar unwirksame Präparate beispielsweise von Bayer oder Novartis berichten?
Ich habe meine Sicht zu dieser Meldung in meinem Blog dargestellt
https://www.scienceblogs.de/diaxs-rake/2009/08/nur-17-der-deutschen-wissen-was-homoopathie-ist.php
Ich würde mich über Ihre Antwort freuen, und über die Erlaubnis, Ihre Antwort in einem Blogbeitrag wiederzugeben.
Der Brief ging an
n-tv
Kölnische Rundschau
BR 5
Ärzteblatt
Lausitzer Rundschau
Schwäbische Zeitung
Ärztezeitung
Trierischer Volksfreund
Frankfurter Rundschau
Es ist jeweils der Artikel verlinkt.
Ich habe drei Antworten von Zeitungen erhalten.
Von der Kölnischen Rundschau kam die Antwort
Lieber Herr Rings,
der von Ihnen erwähnte Artikel stammt von der dpa und ist einer von vielen Artikeln, die wir täglich online auf unserer Ratgeber-Seite veröffentlichen. Es ist eine Studie zum Thema Homöopathie und sicherlich keine allumfassende Betrachtung des Themas. Dieses Thema anzugehen kann ich gerne bei meinen Kollegen aus der Print-Redaktion anregen – denn in der Tat ist die Homöopathie sicher auch kritisch zu betrachten. Der von Ihnen erwähnte Artikel jedenfalls ist Teil einer täglich erscheinenden Auswahl von Servicethemen, die einzelne Aspekte aufgreifen. Veröffentlichen Sie doch gerne ihre Meinung unter unserem Artikel mit der Funktion “Artikel kommentieren”.
Mit freundlichen Grüßen aus der Online-Redaktion
Hat jemand die Print-Ausgabe der Rundschau? Wäre interessant zu sehen ob tatsächlich jemand dort sich des Themas annimmt.
Schnippisch war die Antwort von n-tv bzw. der Nachrichtenmanufaktur:
Sehr geehrter Herr Rings,
vielen Dank für Ihre Email und Ihr Interesse an n-tv.de. Sie haben Recht,
der Artikel ist von der Deutschen Presse Agentur übernommen. Aus diesem
Grund steht das Kürzel dpa auch unter dem Artikel. Der Inhalt der Meldung
ist journalistisch korrekt durch die dpa aufgearbeitet worden. Kritische
Leser wie sie, können sich also ihre eigene Meinung zur Meldung bilden.
Haha, soll ich lachen? Kritische Leser können selbst recherchieren, oder wie? Da hab ich nochmal zurückgeschrieben:
inwiefern ist das Umformulieren einer Pressemitteilung
“journalistische Aufarbeitung”? Und wie soll ein kritischer Leser sich
seine Meinung bilden, wenn entscheidende Fragen verschwiegen werden?
Ist es die Aufgabe des Lesers, das Originalmaterial zu sichten?
Und wie steht es mit meiner weiteren Frage: Würden Sie derartige
Pressemitteilungen auch zu nachweisbar unwirksamen Medikamenten eines
großen Pharmakonzerns durchwinken?
Die Antwort war nicht besser:
leider kann ich Ihnen diese Fragen nicht beantworten, da ich diese Meldung
nicht veröffentlicht habe. Wir sind natürlich stets bemüht, alle Meldungen
nach allen journalisten Kriterien einwandfrei auszuwählen. Ich denke auch,
dass es für viele Menschen egal ist, ob es Ihnen durch einen Placebo-Effekt
oder durch chemischen Einfluss auf ihren Körper besser geht und aus diesem
Grund öfter zu homöopathischen Arzneimitteln greifen. Die Schwierigkeiten
von repräsentativen Umfragen, Studien, deren Ergebnisse und Auftraggeber
können nicht in jeder Meldung neu formuliert werden. Ihre Vorbehalte sind
für mich persönlich natürlich nachvollziehbar.
Tja, dann halt nicht.
Schließlich, von der Schwäbischen Zeitung war folgendes die Antwort:
Hallo Herr Rings,
im Journalismus spricht man von sogenannten “sicheren Quellen”, d.h. der
Redakteur darf ohne Gegenrecherche davon ausgehen, dass der Inhalt der
Wahrheit entspricht. Dazu gehören unter anderem Polizeiberichte,
Mitteilungen der Staatsanwaltschaft und eben auch Agenturtexte wie die von
dpa. Wenn dpa uns einen Text liefert gehen wir also davon aus, dass der
Inhalt korrekt ist. Aufgrund der Masse der täglich zu verarbeitenden
Artikel (mehrere 1000) wäre eine Gegenrecherche auch nicht leistbar.
Sollten sich tatsächlich einmal inhaltliche Fehler in einen Agenturtext
eingeschlichen haben, so liegt die Verantwortung bei den Redakteuren der
jeweiligen Agentur.Ich hoffe, ich habe Ihnen weiterhelfen können.
dpa ist es also Schuld. Und ich freue mich, dass dpa auch ehrlich geantwortet hat. Die Frage habe ich natürlich so geändert, dass ich mich auf die Übernahme sondern auf das Verfassen der Meldung bezogen habe.
danke für die Mail und das Interesse an unserer Arbeit. Sie haben Recht: Das ist keine gute Meldung gewesen, es fehlte rein handwerklich ein einordnender Hinweis, was Homöopathie tatsächlich ist bzw. kann. Ihren Vorwurf, wir hätten “entscheidende Teile verschwiegen”, der gleichbedeutend mit dem der bewussten Irreführung der Öffentlichkeit durch unsere Autoren ist, weise ich allerdings in aller Deutlichkeit zurück. Das war sicher nicht der Fall. Trotzdem werden wir das demnächst hoffentlich besser machen.
Das ist doch eine erfreuliche Antwort. Und ich wollte nicht den Eindruck erwecken, dass dpa absichtlich etwas weggelassen hat. Das wäre ja auch absurd, warum sollten sie das tun, das hab ich auch zurückgeschrieben.
Fazit: Wenig Antworten (nach einer Woche denke ich dass nichts mehr kommt, sonst veröffentliche ich es noch hier). Die Antworten, außer der von n-tv waren ok. Vor allem die von dpa hat mich gefreut, auch wenn ich nicht weiß ob es etwas bringt.
Und so ist der Weg, wie Marketing der homöopathischen Arzneimittelhersteller es in der erwünschten Form in die Presse schafft.
PS: Die Frage, ob Artikel über wirkungslose Pharmaprodukte genauso veröffentlicht würden, hat niemand beantwortet.
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