Eigentlich brüte ich ja immer noch über dem Artikel zum Phononenlaser, da rollt eine kleine Sensation durch die Wissenschaftspresse: Die Beobachtung magnetischer Monopole. Also, dann halt auf in die Festkörperphysik, und auch noch Magnetismus dazu…ich hoffe ihr schätzt, was ich hier für euch tue 😉
Die Meldungen (z.B. bei Wissenschaft online) beziehen sich auf zwei Paper, die in Science Express erschienen sind: “Magnetic Coulomb Phase in the Spin Ice Ho2Ti2O7” und “Dirac Strings and Magnetic Monopoles in Spin Ice Dy2Ti2O7” von Forschern aus Grenoble, Jülich, Oxford, London, Berlin, North Haugh, La Plata, Dresden und Edinburgh.
Monopole?
Zunächst wären magnetische Monopole ästhetisch sehr nett, weil dann werden die Maxwell-Gleichungen schön symmetrisch. Jetzt steht da so eine doofe 0 als Quellenterm in den Magnetgleichungen und außerdem hat der Dirac das gesagt, und wenn der Dirac das sagt! Der hat auch einfach mal so Antiteilchen vorhergesagt weil das aus der Gleichung so rausfiel, und bei seinen Berechnungen zu den magnetischen Monopolen fiel auch noch die Quantisierung der elektrischen Ladung raus, deswegen ist man schon sehr bemüht das genau anzusehen.
Elektrische Monopole sind die Quellen der elektrischen Feldlinien – ein einzelnes Elektron und Positron sind entgegengesetzt geladen. Man kann jedes davon unabhängig herumschieben, daher sind es Monopole. Beim Magnet geht das nicht – wenn man einen Stabmagnet hat ist ein Ende der Nordpol, das andere der Südpol. Die Feldlinien umschließen den Magneten. Wenn ich den Magneten durchschneide, erhalte ich nicht einen Nordpol und einen Südpol, sondern wiederum zwei Stabmagneten, also zwei Dipole. Ein magnetischer Monopol wäre ein Teilchen, das nur Nord- oder nur Südpol ist.
Dirac-Strings
Die jetzt gefundenen Monopole sind allerdings NICHT einfach echte Teilchen. Nach diesen sucht man auch, vermutet sie aber bei gewaltigen Energien. In seinen Berechnungen ist Dirac 1931 auf eine Methode gestoßen, wie Monopole realisiert werden könnten, durch sogenannte Dirac-Strings, die sie verbinden aber nicht messbar sind.
Zuerst habe ich gelesen: Moment, die Monopole sitzen am Ende von Spaghetti im Spin-Eis. Erstmal: hui, ich krieg Hunger. Dann: Moment, aber das ist doch Pfusch, oder? Wenn am Ende jeweils ein Pol sitzt, wie können das unabhängige Teilchen sein? Aufklärung bringt ein Blick in das Castelnovo-Paper in Nature, das 2007 dieses Phänomen vorgeschlagen hat.
Wollen wir doch mal einen naiven Monopol bauen nach dieser Idee: Wir nehmen einige Stabmagneten und bauen sie hintereinander. Dann ist ein Ende Nord und eines Süd. Aber sind das Monopole? Nein, denn entscheidend ist dafür: Wenn wir die Pole unendlich weit auseinander bringen wollen, müssten wir unendlich viel Energie in Form immer neuer Stabmagneten einbauen. Etwas physikalischer wäre die Vorstellung eines magnetischen Flussschlauchs durch einen Festkörper: Aber auch hier, wenn man diesen Schlauch unendlich lang machen wollte, bräuchte man unendlich Energie um die Wände des Schlauches aufrecht zu erhalten.
Und das ist die Lösung: Die jetzt entdeckten Monopol(-Paare) sind keine echten Teilchen, es sind Quasiteilchen, die aus einer alternativen Beschreibung einer Phänomens auftauchen und die verblüffende Eigenschaft haben, mit endlicher Energie unendlich weit trennbar zu sein. Das verdanken sie den ungewöhnlichen Eigenschaften des Spin-Eis
Spin-Eis
Der ungewöhnliche Name ergibt sich aus dem Vergleich zum Wassereis, das stammt daher dass die Spins in dieser Gitteranordnung einer besonderen Regel, der Eis-Regel, folgen. Das Gitter ist so angeordnet, dass in das Zentrum jedes dieser Tetraeder genau zwei Spins hineinzeigen und zwei heraus. Das ist vergleichbar wie beim Wassereis, wo zwei Protonen nahe und zwei weit vom Sauerstoff sitzen.
Ein thermodynamischer Grundzustand, man kann sagen das Vakuum, ist der maximal geordnete Zustand, den ein System beim absoluten Nullpunkt einnimmt. Und durch diese Eis-Regel ergibt sich die Konsequenz, dass dieser Zustand noch ein großes Maß an Unordnung aufweist.
Castelnovo ließ sich weiter von der Forschung am Wassereis inspirieren und ersetzte das Bild der vier Spins durch “Hanteln”, wir könnten auch einfach Stabmagneten annehmen, die jeweils einen Pol im Zentrum eines Tetraeder haben.
Das sieht man im Bild, jeweils oben das Spin-Bild und unten die Hanteldarstellung. Dann ist es einfach den Grundzustand (links) zu finden, denn der ist bemüht, zwei Pole jeder Art in einem Zentrum zu haben und so neutral zu sein. Das ist natürlich nur bei sehr niedrigen Temperaturen möglich, wo es wenig Anregung gibt.
Der spannende Moment kommt, wenn es eine Anregung gibt, die kommt hier zum Preis von 2 Kelvin und dreht einen Spin um. Dann sieht man – rechts unten – im Hantelbild, was passiert: Man hat quasi zwei Monopole erschaffen (die farbigen Kugeln um den Tetraeder).
Und jetzt kommt die Tatsache, dass der Energieaufwand um diese zu trennen mit zunehmendem Abstand gegen einen endlichen Wert konvergiert – daher sagt man diese (magnetischen!) Monopole sind frei. Eine Trennung kann man sich einfach vorstellen als Kette von solchen Spin-Flips. Diese Kette ist das Analog zu Diracs Faden: Dieser sollte eine unendlich dünne Verbindung zwischen den Monopolen sein, der magnetischen Fluss transportiert aber nicht beobachtbar ist. In Realität ist der Faden schon beobachtbar, durch die Trennung der Monopole über die Coulomb-Kraft über eine Kette von geflippten Spins.
Ich sollte noch einmal extra erwähnen, dass es vollkommen normal ist, die Anregung eines Grundzustandes wie ein Teilchen zu betrachten – ob es wie hier die Monopole sind, Phononen im Festkörper oder sogar Photonen in der Quantenelektrodynamik.
Beobachtung
Und jetzt ist das auch wirklich beobachtet worden. Das Mittel zur Beobachtung einer solchen Dipol-Kette ist das Neutron, denn es trägt keine elektrische Ladung aber ein magnetisches Moment. Also wurden Streuexperimente mit Neutronen durchgeführt an diesen Pyrochlor-Gittern des Dy2Ti2O7, bei sehr tiefen Temperaturen und mit einem äußeren Magnetfeld, dass für etwas Ordnung in den Spin-Ketten gesorgt hat.
Im Ergebnis des Streuexperimentes konnten tatsächlich die Spin-Röhren sichtbar gemacht werden, die Quasipartikeln verbinden und magnetische Monopole darstellen. Dies sei eine Folge des bemerkenswerten, stark korrelierten und degenerierten Grundzustandes im Spin-Eis, der eine solch einfache und effektive Beschreibung seiner Anregungen möglich mache.
Und gleich nochmal!
Nicht ein, gleich zweimal wurde dieser Effekt gefunden und gleichzeitig publiziert. Auch in Grenoble hat man, im Ho2Ti2O7-Gitter, diesen Effekt gefunden und die Coulomb-Interaktion zwischen den Monopolen perfekt gemessen. Es ist oft so, und schon bemerkenswert, wie Forschergruppen unabhängig (bzw. wohl schwach korreliert) gleichzeitig zum gleichen Ergebnis kommen. In diesem Fall muss man aber sagen, dass die Presse besser für das Berlin et al.-Paper ist, und daher hauptsächlich darüber berichtet wird. Also merke: Wer bei gleichzeitiger Veröffentlichung die schöneren Bilder extra auf seiner Homepage bereitstellt, gewinnt.
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