Radioaktivität ist ein statistischer Prozess. Der Zerfall eines einzelnen Kerns ist zufällig, aber mit exponentiell zunehmender Wahrscheinlichkeit. Makroskopisch ergibt sich daraus aber eine Verteilung, nach der man die Uhr stellen kann: Nach einem gewissen Zeitraum, den man die Halbwertszeit nennt, ist zwangsläufig – alleine statistisch aus der unheimlich großen Anzahl an Atomen begründet – die Hälfte der Kerne zerfallen.
Beim Alphastrahler ergibt sich eine äußerst starke Abhängigkeit der Halbwertszeit von der Höhe der Potentialbarriere, die das Alphateilchen (der Heliumkern) überwinden muss. Das kann von Trillionstelsekunden bis hin zu Milliarden von Jahren gehen. Die natürlich vorkommenden radioaktiven Elemente sind langlebige Alphastrahler – logisch, sonst wären sie uns ja nicht über geologische Zeiträume nicht erhalten geblieben. Uran-238 hat eine Halbwertszeit von 4,5 Milliarden Jahren, Thorium-232 sogar 14 Milliarden Jahre.
Betastrahler
Bei der Betastrahlung ist es das gleiche Prinzip – durch einen Prozess im Kern kann der Kern einen energetisch günstigeren Zustand einnehmen. In diesem Fall müssen wir uns erst einmal kurz über das Schalenmodell des Kerns hermachen.
Ähnlich wie im Atom selbst kann man ein Modell mit mehreren Schalen bilden, die durch die Nukleonen besetzt und gefüllt werden. Eine gefüllte Schale ist für den Kern energetisch erstrebenswert. Der Unterschied und die Motivation zum Betazerfall ergibt sich daraus, dass man getrennte Schalen für Protonen und Neutronen betrachten muss, da es ja zwei unterschiedliche Teilchen sind. Die Nukleonenzahl, bei der eine Schale voll besetzt ist, nennt man die magischen Zahlen. Entsprechend bezeichnet man einen Kern, bei dem sowohl Protonen- wie auch Neutronenschalen voll sind, als doppelt magisch. Jetzt kann man sich natürlich vorstellen, dass man z.B. gerade ein Neutron zu viel und ein Proton zu wenig hat zu vollen Schalen (bzw zu Schalen die einem energetisch günstigerem Kernustand entsprechen). Dann kann das Neutron sagen: Hey, Moment, ich kann doch zerfallen. Wenn es das tut, zerfällt es in ein Proton, das dem Kern hilft energetisch günstiger zu liegen, und ein Elektron (und ein Antineutrino). Das Elektron verlässt als Betastrahlung den Kern.
Während das Neutron auch in freier Wildbahn zerfällt (mit Halbwertszeit 1840 s), ist ein freies Proton in der Regel stabil. Nicht so aber im Kern, dort kann ggf. auch der umgekehrte Betazerfall auftreten – ein Proton verwandelt sich in ein Neutron, ein Positron und ein Neutrino. Das Positron ist der Antimaterie-Partner des Elektrons (wieder so ein nur scheinbar mysteriöser Begriff – Antimaterie. Dabei ist da gar nichts weiter dran – es ist einfach das gleiche wie ein Elektron, außer dass die Ladung umgekehrt ist. Bemerkenswerter ist es da schon, dass Antimaterie zuerst theoretisch von Dirac vorhergesagt wurde – aus keinem anderen Grund als dass es aus der Schönheit der Formeln erforderlich wurde.)
Betastrahler haben höhere Energie im Bereich von MeV. Würde man mit ihnen in Kontakt kommen, würden sie zwar auch noch von der Haut gestoppt werden, könnten aber zu Verbrennungen, Schädigungen des Auges etc. führen. Richtig gefährlich können sie auch wiederum nur bei Aufnahme in den Körper werden – wie z.B. Iod-131, das sich dann in der Schilddrüse sammeln kann. Und dort kann es dann zerfallen, DNA schädigen und Krebs auslösen.
Ein typischer Betastrahler ist Cobalt-60 mit 5,26 Jahren Halbwertszeit, das zur Sterilisierung eingesetzt wird und in berühmten Experimenten zur Schwachen Wechselwirkung zum Einsatz kam (das ist die vierte der Kräfte, die den Betazerfall möglich macht).
Gammastrahler
Gammastrahler sind keine eigene Klasse an Atomkernen mehr. Stattdessen befindet sich ein Teilchen, das gerade einen Zerfall hinter sich hat, unter Umständen in einem angeregte Zustand. Und wie bei einem Atom, bei dem ein Elektron angeregt wurde, wird bei der Abregung der Energieunterschied als elektromagnetische Welle in Form eines Photons abgestrahlt. Und daher kommt die Gefährlichkeit der Gammastrahler: Die Abregungen eines Kerns geschehen mit sehr kleiner Wellenlänge im Vergleich zum Photon aus einer Elektronanregung (man kann es sehr krude damit in Verbindung bringen, dass der Atomkern ja auch 5 Größenordnungen kleiner ist). Kleine Wellenlänge bedeutet hohe Frequenz bedeutet hochenergetische Photonen.
Und genau das ist der Grund für die Gefährlichkeit – denn ein Photon trägt genug Energie, um zu Schädigungen an der DNA zu führen. Die Schädigung sieht so aus: Ein Atom in der DNA wird durch die radioaktive Strahlung ionisiert. Dabei nimmt ein Elektron des Atoms genug Energie auf, um das Atom zu verlassen. Und das klappt nur, weil Licht als Teilchen ein Paket Energie auf einmal trägt – und Gammastrahlung hat viel Energie auf einmal und schafft es, Elektronen auszulösen. Sichtbares Licht dagegen hat viel weniger Energie. Und wenn die Energie eines Photons nicht ausreicht, um ein Elektron herauszulösen, bleibt es ganz ohne Wirkung, denn gleichzeitig zwei Photonen aufzunehmen ist nicht möglich.
Zusätzlich lässt sich Gammastrahlung nur schwer aufhalten, und ohne Abschirmung wird ein Gammastrahler seine Photonen weit genug in den Körper bringen können, um Schäden anzurichten. Natürlich macht auch hier die Dosis das Gift – aber bei eine zu langen Aussetzung gegenüber einem Gammastrahler besteht das Potential einer Schädigung, im Gegensatz zum Alphastrahler, den man sich prinzipiell gefahrlos unters Kopfkissen legen könnte.
Da es sich bei Gammastrahlen um Abregung eines Zustandes über dem Grundzustand handelt, sind die Halbwertszeiten des Zerfalls sehr viel kleiner, oft im Bereich von Femtosekunden. Aus Sicht der Kernprozesse ist das aber oft immer noch lang. Das liegt daran, dass nicht ein einzelnes Nukleon die Anregungsenergie erhält wie ein Elektron im Atom, sondern dass die Energie auch in kollektive Schwingungszustände des gesamten Kerns stecken kann, die wesentlich länger leben.
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