Kaum ein Buch dürfte in Physiker-Buchregalen so fot zu finden sein wie “Sie belieben wohl zu scherzen, Mister Feynman”, die autobiographische Anekdotensammlung von Richard Feynman. Feynman ist ein Held unter Physikern – wegen seiner umfangreichen Leistungen für die Physik, aber vor allem wegen seines einzigartigen Charakters.

Die Biographie “Genius” von James Gleick bietet jedoch ein viel umfassenderes Bild von Feynman, seinem Umfeld, seinen Zeitgenossen und der Geburt der modernen Physik. Die Autobiographie enthält vor allem viele Anekdoten, aus der Biographie von Gleick erfährt man aber auch, dass Feynman sich durch diese Anekdoten eine Schale gebaut hat. Gleichwohl wie es Teil seiner Natur war, alles auszuprobieren was ihm Spaß gemacht hat, hat er die Erzählungen darüber auch bewusst forciert, vielleicht um sich ein wenig abzuschotten.
Ich habe stark den Eindruck bekommen, dass Feynman eher wenig Interesse an anderen Menschen hatte. Er war zufrieden damit, Probleme durch Nachdenken zu lösen. Das Staunen vor dem, was man über die Natur wissen konnte, nichts hat so sehr für ihn gezählt. Vor allem auch nach dem Tod seiner ersten Frau hat sich der Abstand zu anderen Menschen nur noch vergrößert – also abgesehen davon dass er ein unfassbarer Frauenaufreißer war.

i-2aaf835abf03a27a1138035801cfa1bf-gleick-genius-thumb-195x284.jpg

James Gleick versucht erst gar nicht, den Menschen Feynman komplett zu verstehen oder zu präsentieren. Er will nicht sein Leben Tag für Tag nacherzählen. Vielmehr macht er das Richtige: Er präsentiert die besonderen Zeiten in Feynmans Leben aus Sicht der Physik. Er präsentiert Feynman im Licht der Höhepunkte seines Schaffens, der wichtigen Stationen: dem Studium und dem Anfang als Doktorand, dann dem Atombomben-Projekt in Los Alamos, das erst die moderne Physik begründet hat, dann die Zeit nach dem Tod seiner ersten Frau und die Entwicklung der Quantenelektrodynamik. Sein weiteres Schaffen, die Beschäftigung mit Superfluidität, dann wieder die theoretische Teilchenphysik und das Quarkmodell. Schließlich die Aufklärung der Challenger-Katastrophe, kurz bevor er mit nur 69 an Krebs verstarb (er hatte gleich zwei seltene Krebsarten).
Gleick stellt vor allem das Umfeld dar und wie Feynman mit diesem interagiert hat. Seine Hauptmotive sind zu verstehen, wie Feynman arbeitete, was ihn unterschied und wie er zu seiner Welt passte. Man erlebt ausführlich die Entwicklung der modernen Physik mit, man lernt die großen Physiker kennen und wie sie mit Feynman umgingen und er mit ihnen. Und ganz besonders gut gelingt es Gleick, darzustellen wie groß das Genie Feynmans wirklich war, wie er durch Nachdenken über Nacht physikalische Probleme lösen konnte, die andere gute Physiker seit Jahren plagten. Aber auch, wie desinteressiert Feynman an der ganzen Entwicklung war, er war zufrieden ein Problem zu finden und es selbst zu lösen. Er hielt sich nicht auf dem Laufenden über die aktuellen Entwicklungen und wollte nie etwas mit Politik oder anderen menschlichen Verwicklungen zu tun haben. Nichts anderes als Probleme der Natur im Kopf zu lösen interessierte ihn.

Wer schon die Feynman-Bücher hat, braucht dieses Buch. Man lernt Feynman lieben, man lernt ihn hassen, aber vor allem lernt man Respekt, Respekt, Respekt vor einem der Größten.

Noch mehr Buchrezensionen auf ScienceBlogs:
02_Sciencebooks_550.jpg