Das Atom ist ein Bausteinchen. Ganz einfach zusammensetzt, aus zwei Teilen und drei Teilchen, ist es der Baustein für alles das, was wir greifen und begreifen können. Zwei Teile – Elektron und Kern, zusammengehalten durch zwei fundamentale Wechselwirkungen – elektromagnetische und Starke Kraft, möglich gemacht durch die Eigenheiten der Quantenphysik.

Die Größenverhältnisse sind das wundersame am Atom: Schon das Atom selbst ist sehr klein, nur um 10-10 m groß, aber der Kern ist nochmal 5 Größenordnungen kleiner. Um den Kern kreisen die Elektronen auf ihren Bahnen. ziemlich weit kommt man mit der Vorstellung von Kreisbahnen um den Kern, aber da stellt sich die große Frage: Warum gibt es nur bestimmte Bahnen, warum sitzen die meisten Elektronen auf energetisch ungünstigeren, weiter vom Kern entfernten Bahnen und warum strahlen die Elektronen keine Energie ab, wie es beschleunigte geladene Teilchen normal tun (eine Kreisbewegung ist eine beschleunigte Bewegung – Richtungsänderung ist auch Beschleunigung).
Die Lösung liegt in der Quantenphysik: Das elektrisch negativ geladene Elektron kreist nicht wie ein Planet um die Sonne. Vielmehr lebt es in der erstaunlichen Zwischenwelt, zwischen Welle und Teilchen. Die Welle, kann man sich vorstellen, bestimmt die Aufenthaltswahrscheinlichkeit. Und nur bestimmte Wellen sind erlaubt. Vielleicht kennt ihr noch die Orbitalmodelle aus dem Chemiesaal in der Schule – das sind die Formen der Wahrscheinlichkeitsverteilungen. Klingt schwierig? Lasst euch nicht verwirren, merkt euch aber das: Jede dieser Formen gibt eine mögliche Form für ein Elektron. Die Form wird durch Zahlen markiert, vier verschiedene gibt es, man nennt sie Quantenzahlen. Drei bestimmen die Form des Orbitals und eine weitere ist eine Eigenschaft, die dem Elektron innewohnt, der Spin. Und darin liegt die Lösung, warum die Elektronen verschiedene Bahnen einnehmen: Niemals dürfen zwei Elektronen in allen Quantenzahlen übereinstimmen. Das legt fest, dass das innerste Orbital, bei der alle Bahn-Quantenzahlen 0 sind, nur von zwei Elektronen besetzt werden kann – denn der Spin kann zwei verschiedene Werte einnehmen.

Die Elektronen hält die elektromagnetische Anziehung auf der Bahn – die positive Ladung des Kern zieht die negativen Elektronen an. Aber die Quantenphysik verbietet dem Elektron näher an den Kern zu kommen als der Grundzustand erlaubt – daher und nur daher stürzt es nicht in den Kern, denn schließlich würde es das ja gerne, weil der Kern es anzieht.

Der Kern besteht aus zwei verwandten Teilchen. Neutronen sind ein wenig schwerer als Protonen, aber nicht elektrisch geladen. Also finden sich im Kern nur positiv geladene Teilchen und elektrisch neutrale – wie hält der Kern zusammen? Eigentlich stoßen sich doch gleichnamige Ladungen ab? Ja, aber es gibt noch eine weitere Kraft als die elektromagnetische Kraft, und das ist die Starke Kraft. Die ist, wie der Name sagt, stark genug um den Kern zusammenzuhalten auch gegen den Willen der elektromagnetischen Abstoßung (denn stark ziehen sich auch die Neutronen an). Aber sie ist sehr kurzreichweitig – etwa nur so weit wie der Kern groß ist.
Jetzt schluckt noch eine letzte Kröte: Kräfte werden durch den Austausch von Teilchen vermittelt. Elektromagnetische Wechselwirkung bedeutet: Austausch von Photonen (ja, den Lichtteilchen). Photonen haben keine Ruhemasse, daher kann die Kraft unendlich weit wirken. Die starke Kraft die den Kern zusammenhält, wird durch den Austausch von Teilchen mit Ruhemasse vermittelt. Da gibt es einen Deal: Ok, Kern, du darfst aus dem Nichts Teilchen erzeugen, um damit Kräfte austauschen zu können. Photonen sind ok, die haben keine Ruhemasse. Teilchen der Kernkraft – die dürfen nur kurz leben weil sie Masse haben – in dieser Zeit kommen sie aber nicht weit. Weit genug um den Kern zusammenzuhalten – aber nur eine begrenzte Anzahl Protonen und Neutronen. Das ist auch der Grund, warum Kerne irgendwann, spätestens ab Uran, nicht mehr für immer zusammenhalten können. Es finden sich dann energetisch günstigere Fälle, die Kerne zerfallen in leichtere – Radioaktivität.

“Fundamentales” versucht in kurzen Beiträgen, einen wichtigen Begriff aus der Physik in wesentlichen Zügen zu erklären.
Mehr Fundamentales findet ihr hier.

Kommentare (34)

  1. #1 Anhaltiner
    12/11/2009

    “Teilchen der Kernkraft”, sind das die s.g. Gluonen (die Kleber)?

  2. #2 Marcus Anhäuser
    12/11/2009

    @Jörg
    stellst Du dir eigentlich ein Atom vor deinem inneren Auge vor und wenn ja wie?

  3. #3 Jörg
    12/11/2009

    @Anhaltiner: Naja, eigentlich übertragen Gluonen die Kraft, aber dazu muss man in den Protonen und Neutronen hineinschauen, und so genau verstanden hat man das noch gar nicht (daher auch ALICE). Auf Nukleonenebene kann man sich Pionen als Überträger der Starken Kraft zwischen den Nukleonen vorstellen.

    @Marcus: Naja, mehr Vorstellung als von kleinen Kügelchen hab ich auch nicht…Quantenphysik kann man sich halt leider nicht mehr vorstellen.

  4. #4 schlappohr
    12/11/2009

    Endlich mal wieder Fundamentals *freu* 🙂

    Kannst Du mit einfachen Worten erklären, warum die Elektronen nicht in den Kern fallen? Bezogen auf ein H-Atom z.B. bedeutet das ja, dass sich Elektronen und Protonen nicht beliebig annähern können, obwohl sie es gerne würden. Protonen hingegen können wegen der starken Kraft im Kern direkt aneinanderkleben, obwohl sie sich eigentlich abstoßen. Aber was hält das Elektron auf Distanz?

  5. #5 Adromir
    12/11/2009

    Hi Jörg,
    sehr schöner Artikel! Da in dem Artikel der begriff der Kraft und ihre unterschiedliche Größe erwähnt wird, kam mir in den Sinn, daß ein Artikel über Kräfte im Universum im Vergleich sehr interessant wäre.

    Letztens hatten wir mal ausgerechnet, wie groß ein Proton sein müsste (bzw. welche Masse es haben müsste), damit die Anziehungskraft die Abstoßung durch die elektrische Ladung überwindet.

    Ich denke, viele Menschen haben ein falsches Verständnis davon, wie es um die Kräfte in unserem Universum bestellt ist. Anziehung, daß muss ja was großes sein, dessen Auswirkung sieht man ja jeden Tag. Aber elektrische Ladung?

  6. #6 Ronny
    12/11/2009

    @schlappohr
    Kannst Du mit einfachen Worten erklären, warum die Elektronen nicht in den Kern fallen?

    Mir hat man das mal so erklärt:
    Das Elektron kann man als Welle sehen die um den Atomkern schwingt. Stabile Zustände sind diese, wo der Anfang und das Ende genau zusammenpassen (stehende Welle). Alle anderen Abstände sind unmöglich, da sich dort keine stehenden Wellen bilden können.

    Ganz folgen kann ich diesen Gedanken aber nicht, denn Elektronen die eine hohe Energie haben liegen eher weiter außen, jedoch müsste eine stehende Welle dieser hohen Energie (= hohen Frequenz) eigentlich auf der niedrigsten Bahn sein.

    @Marcus
    Obwohl ich kein Esoteriker bin stelle ich mir Teilchen als Schwingungszustände der Raumzeit vor.

  7. #7 Jörg
    12/11/2009

    @schlappohr: Ronny hat es schon erklärt, aber stell dir folgendes vor:
    Das Elektron kommt ins Hotel Hydrogen und sucht ein Zimmer.
    Der Portier, Herr Quantenphysik, fragt: Welches Zimmer möchten Sie denn?
    Das Elektron: Ach, ich bin so müde, geben Sie mir einfach das nächste.
    Der Portier: Kein Problem, wir haben ein schönes Zimmer im ersten Stock, grade frei geworden.
    Das Elektron: ERSTER Stock? Ich will aber keine Treppe laufen!
    Der Portier: Tut mir leid, das sind die nahesten Zimmer für Elektronen! Im Erdgeschoss lebt nur der Herr Proton, und dem kommen sie nicht nahe, das werde ich verbieten.

    Ähm…ja…

    @Ronny

    Obwohl ich kein Esoteriker bin stelle ich mir Teilchen als Schwingungszustände der Raumzeit vor.

    Nicht der Raumzeit, sondern von Feldern. Und nicht irgendwelche Schwingungen, sondern Resonanzen. Kann ich mir aber irgendwie nicht vorstellen :/

    @Adromir: Ja ein Fundamentales zu den vier Kräften kommt auch bald mal. Wobei – ist das Higgsfeld die fünfte Kraft? *grübel*

  8. #8 franzerl
    12/11/2009

    Aha, interessant. Das Hotel als Atommodell. Damit dürfte wohl nun jeder Depp die Quantentheorie “verstehen” 😉

  9. #9 schlappohr
    12/11/2009

    @Jörg:

    Das… war doch jetzt gleich *sehr* anschaulich…

    Aber um einmal bei dem Modell zu bleiben: Was sind die Beweggründe des Portiers, so und nicht anders zu entscheiden?

  10. #10 cimddwc
    12/11/2009

    Dann will ich mal hoffen, dass der Portier der Nachtschicht nicht Hilbert oder Cantor heißt. 😛

    Jedenfalls danke für einen weiteren fundamentalen Artikel. Auf einen über die Kräfte und insbesondere eine anschauliche Erklärung, was genau die Schwache Kraft ist, würd ich mich auch freuen. 🙂

  11. #11 Jörg
    12/11/2009

    Was sind die Beweggründe des Portiers, so und nicht anders zu entscheiden?

    Das ist leider eine schwierige Frage, dieser Portier Quantenphysik ist äußerst grantig und wie will man da herausbekommen warum er das tut? Leider ist es aber das einzige Hotel am Platz, und da müssen wir mal unsere normalen Vorstellungen von einem Hotel aufgeben, immerhin werden wir immer besser darin zu studieren was im Hotel Hydrogen so abgeht.

    insbesondere eine anschauliche Erklärung, was genau die Schwache Kraft ist

    Aye caramba 😐

  12. #12 q123
    12/11/2009

    In der Tat waren hier haufenweise Kröten zu schlucken. Mein Abendessen hat sich damit bereits erledigt. Wo lernt man eigentlich das Glauben an solche Kröten?
    Nebenbei: Es gibt nur eine einzige Kraft! Alle anderen Kräfte sind nur Resultate der inneren Dynamik.

  13. #13 MartinB
    12/11/2009

    Eigentlich kann man das mit dem Elektron relativ simpel (leicht vereinfacht) so verstehen:
    Ein Orbital hat eine um so höhere Energie, je stärker es sich mit dem Ort ändert. Energetisch am günstigsten wäre ein konstantes Orbital (das Elektron kann überall sein), je stärker ich das Orbital auf einen kleinen Raum zusammenpresse, um so größer wird die Energie (genau genommen ist das die kinetische Energie).

    Das grundzustandsorbital ist ein kompromiss aus dieser Energie und der elektrischen Anziehung: Würde man es kleiner machen, würde man zwar elektrische Energie gewinnen, aber die Energiesteigerung durch’s weitere Verkleinern des Orbitals wäre größer als der Gewinn. Würde man es größer machen, dann würde man zwar Energie gewinnen, weil das Orbital größer wird, aber auf Kosten der elektrischen Energie.

  14. #14 Jörg
    12/11/2009

    q123: Lol, yeah, Kräfteleugner, auch mal was neues, coole Idee^^

  15. #15 H.M.Voynich
    12/11/2009

    @Schlappohr:
    “Was sind die Beweggründe des Portiers, so und nicht anders zu entscheiden?”

    In seiner Hausordnung steht unter Datenschutz, daß man niemals die exakte Position und den Impuls der Gäste ermitteln können darf – um ihre Privatsphäre zu schützen. Kämen die Gäste dem Herrn Proton zu nahe, wüßte man mehr über ihren jetzigen und ihren zukünftigen Aufenthaltsort, als die Datenschutzrichtlinien es zulassen.

  16. #16 q123
    12/12/2009

    @Jörg
    Klar habe ich die restlichen Kräfte “geleugnet”. Allerdings habe ich auch eine Begründung dafür gegeben. Gabs da nicht einmal einen Wunsch nach der “Vereinheitlichung der Kräfte”? Na ja, wenn das nicht mehr aktuell ist, brauche ich nichts weiter zu sagen.
    Zudem schon alles mit Pförtnern, Gesetzen, Verbotsschildern und internem atomarem Willen geregelt ist.

  17. #17 Thomas J
    12/12/2009

    @q123

    hör ich da ein leises “Dogma! Dogma!” brummeln?

  18. #18 Jörg
    12/12/2009

    @q123:
    Sofern in deinem Wohnzimmer nicht 10 hoch 85 K herrschen sind die Kräfte nicht vereinigt – und wenn kommt da eine tierische Nebenkostenabrechnung auf dich zu. Nur weil sie das bei hohen Temperaturen tun, wo weder Atome noch Protonen existieren, heißt nicht dass die Aufteilung der Kräfte zur Beschreibung der Atome nicht relevant sei. Und Atome sind offensichtlich wichtig für uns. Es ist eben eine Beschreibung der verschiedenen Phasen der Materie.
    Abgesehen davon ob man gar nicht weiß ob eine Vereinigung mit der Gravitation möglich ist, ist dein Argument ist etwa so stichhaltig, wie zu behaupten wir müssen und keine Gedanken um Eis auf der Straße machen weil der bei 10°C sowieso verdampft.

    Zudem schon alles mit Pförtnern, Gesetzen, Verbotsschildern und internem atomarem Willen geregelt ist.

    Wenn dir Vehikel zum Verständnis der Natur nichts bringen, wie schaffst du es dann? Ich kenne keinen anderen Weg.

  19. #19 Ludmila
    12/12/2009

    @Voynich @Jörg: Hey, das mit dem Hotel, dem Pförtner, der Hausordnung und den Datenschutzbestimmung ist wirklich eine coole Umschreibung des Heisenberg-Prinzips, der Quantenzahlen und des Pauli-Prinzips. Das leih ich mir mal aus, falls ich in die Verlegenheit kommen sollte, das zu erklären.

  20. #20 q123
    12/12/2009

    @Jörg
    Dein Denken ist blockiert von einer Vielzahl von Verboten und “Prinzipien”. Weder das eine noch das andere gibt es. Leider ist die heutige Physik nicht mehr ursächlich forschend sondern nur noch “feststellend”. Das Naturgeschehen wird von Kräften bestimmt und nicht von Prinzipien! Es müssen auch nicht Kräfte “vereinigt” werden sondern es verhält sich so, wie ich in meinem ersten Posting bereits nebenbei sagte. Auch die Gravitation ist nur ein Resultat ein und derselben Ursache.
    Physik zu betreiben bedeutet, sich ein Modell zu überlegen, welches die experimentellen Befunde richtig wiedergibt. Ohne “Prinzipien” Pförtner, Hausordnungen, Kostenrechnungen, Vereinbarungen usw. erfinden zu müssen.
    Oder arbeitet die angewandte Makrophysik mit derartigen Regeln, etwa bei der Berechnung von Himmelskörperbahnen? Oder bei der Berechnung eines Dieselmotors oder eines Raketentriebwerks? Jeder Ingenieur würde aus seiner Firma hinausfliegen, wenn er mit einem derartigen esoterischen Unsinn argumentieren würde!

  21. #21 Jörg
    12/12/2009

    @q123: Ach daher weht der Wind, der Ingenieur will mal wieder die Welt erklären. Leider scheitert dein Narrativ wieder an den zwei Hürden a) dass man nicht eine ganze höchst erfolgreiche Wissenschaftsdisziplin mit ein paar Behauptungen wiederlegen kann und dass ich b) keine Ahnung hab was du mir mitteilen willst.
    Bis du eine Lösung dafür anbieten kann gefällt mir meine Art der Wissenskommunikation besser, und sie funktioniert wenigstens im Rahmen der Kommentare hier deutlich besser.

  22. #22 MartinB
    12/12/2009

    @Ludmilla, Jörg, Voynich
    Ich finde die Analogie mit dem Hotel zwar irgendwie nett, aber sie macht die Sache in meinen Augen geheimnisvoller, als sie ist: Solange man einen stationären Zustand (also einen mit konstanter Energie) ohne Magnetfelder (sonst wird’s komplex) betrachtet, ist die Wellenmechanik des Elektrons keinen Deut komplizierter als die einer schwingenden Seilwelle oder Membran.

    Klar sind solche Analogien nett, aber ich habe immer Angst dass sie bei Nicht-Physikern das Gefühl des “Kann-man-sowieso-nicht-verstehens” noch verstärken.
    In meinem Post oben habe ich versucht, den H-Atom-Grundzustand simpel zu erklären – die Erklärung hat in meinen Augen den Vorteil, dass sie in Worten genau die zugrunde liegende Mathematik wiedergibt, sie ist keine Analogie.

    Unanschaulich wird die Quantenmechanik erst, wenn man das Messproblem (Interpretation der Wellenfunktion als Wahrscheinlichkeit) oder das Pauli-Prinzip ins Spiel bringt – beides braucht man für’s H-Atom aber nicht.

  23. #23 MartinB
    12/12/2009

    @q123
    “Leider ist die heutige Physik nicht mehr ursächlich forschend sondern nur noch “feststellend”. ”
    Das war schon immer sie. Die Physik beantwortet “Wie”-Fragen, nicht “Warum”-Fragen.

    “Oder arbeitet die angewandte Makrophysik mit derartigen Regeln, etwa bei der Berechnung von Himmelskörperbahnen? ”
    Klar: Prinzip der kleinsten Wirkung bzw. der Maximalen Eigenzeit – beides ziemlich praktisch in der Makrophysik und Allg. RT. Und ohne Prinzipien wie Impuls- und Energieerhaltung wird auch die Makrophysik ziemlich schwierig…

    “Oder bei der Berechnung eines Dieselmotors oder eines Raketentriebwerks?”
    Ja, da guckt man auch oft nicht so direkt auf Kräfte sondern auf sowas wie den 2. Hauptsatz der Thermodynamik. (Iiihhh, noch ein böses Prinzip.)

    “Jeder Ingenieur würde aus seiner Firma hinausfliegen, wenn er mit einem derartigen esoterischen Unsinn argumentieren würde!”
    ich hoffe, dass jeder Ingenieur aus seiner Firma herausfliegt, der mit solchen Prinzipien nichts anzufangen weiß.

  24. #24 Jörg
    12/13/2009

    Ich finde die Analogie mit dem Hotel zwar irgendwie nett, aber sie macht die Sache in meinen Augen geheimnisvoller, als sie ist: Solange man einen stationären Zustand (also einen mit konstanter Energie) ohne Magnetfelder (sonst wird’s komplex) betrachtet, ist die Wellenmechanik des Elektrons keinen Deut komplizierter als die einer schwingenden Seilwelle oder Membran.

    “irgendwie nett” ist doch genau das was wir wollen: Leuten etwas in die Hand geben mit dem sie dem Konzept näher kommen und an das sie sich erinnern. Case in point: Da ich an Hilberts Hotel denken musste ist mir in den 5 Minuten Denkarbeit die ich in dieses Bild gesteckt habe die Analogie zu den “diskreten” Räumen gekommen. Schwingende Seilwellen sind zwar einigermaßen anschaulich, aber leider auch einigermaßen langweilig. Da würde ich eher die Gefahr sehen, dass wieder nur das bekannte esoterische “Alles schwingt” übrig bleibt.

    Klar sind solche Analogien nett, aber ich habe immer Angst dass sie bei Nicht-Physikern das Gefühl des “Kann-man-sowieso-nicht-verstehens” noch verstärken.

    Naja, dann müssen wir deine Angst angehen und untersuchen ob es funktioniert so oder nicht. Meine Intuition wäre dass Nichtphysiker so Interesse und einen Weg hin zum Problem finden.

    In meinem Post oben habe ich versucht, den H-Atom-Grundzustand simpel zu erklären – die Erklärung hat in meinen Augen den Vorteil, dass sie in Worten genau die zugrunde liegende Mathematik wiedergibt, sie ist keine Analogie.

    Ja und das war auch eine schöne Erklärung, aber sie hat dass Problem dass sie keine Analogie ist. Perfekt ist die Verbindung aus beiden – mit der Analogie angelst du dir die Aufmerksamkeit und sorgst dafür, dass in Erinnerung bleibt was du erklärst und mit der technischeren aber verständlichen Erklärung schaffst du einen Wert.

  25. #25 MartinB
    12/13/2009

    “Meine Intuition wäre dass Nichtphysiker so Interesse und einen Weg hin zum Problem finden.”

    Ja, ich sehe aber die Gefahr, dass die leute anschauliche analogien für die Physik selbst halten – hab mich gerade einige Tage lang bei Arte-Fakten mit so jemandem gestritten.
    Man erweckt den Eindruck, als dürfe man sich in der Physik mal eben schnell ne Analogie ausdenken, und das wäre dann schon Physik. Finde ich eher noch gefährlicher als das “alles schwingt” (die gefahr sehe ich auch, aber im Kern ist die Schrödingergleichung nun mal ne Schwingungsgleichung).

    Und manchmal habe ich das Gefühl, wir Physiker machen es uns einfach zu leicht, wenn wir sagen “Ach, das ist jetzt Quantenmechanik, das kann man sowieso nicht anschaulich verstehen.” – das war mein Eindruck bei dem Satz
    “dieser Portier Quantenphysik ist äußerst grantig und wie will man da herausbekommen warum er das tut”

    “Perfekt ist die Verbindung aus beiden”
    Ja, dem stimme ich vorbehaltlos zu.

  26. #26 schlappohr
    12/14/2009

    Ich muss gestehen, dass mich die Hotelgeschichte auch erst ein wenig verwirrt hat. Nicht weil es ein Modell “aus dem täglichen Leben ist” – solche Vergleiche können sehr hilfreich sein, siehe “Partygastmodell des Higgsbosons”. Sondern weil es den Sachverhalt (Elektron fällt nicht in den Kern) mit anderen Worten wiedergibt, aber nicht wirklich die Gründe nennt (Frage nach der Handlungsweise des Portiers).
    Aber ich glaube, mitterweile habe ich es zumindest ansatzweise verstanden 🙂

  27. #27 Ronny
    12/14/2009

    @MartinB
    Ich verstehs immer noch nicht. Wenn ein Gleichgewicht zwischen elektrischer Anziehung und quasi der ‘kinetischen’ Energie des Elektrons herrscht, warum gibt es dann konkrete Bahnen ? Das müsste dann doch linear sein ?
    Das seltsame ist doch, dass die Energie (und der Abstand) diskret ist.

    Die Erklärung mit den stehenden Wellen habe ich noch verstanden (abgesehen von dem Dilemma mit der hohen Energie), aber irgendwie fehlen mir bei deiner Definition die diskreten Abstände.

    Sonst fällt mir zur Quantenmechanik immer nur das Lied von ‘Kraftwerk’ ein:
    Sie ist ein Model und sie sieht gut aus !

    oder wie unser Mathematikprofessor zu sagen pflegte:
    Wir haben keine Ahnung wie es aussieht, aber wir könnens berechnen.

  28. #28 schlappohr
    12/14/2009

    Ist vielleicht etwas bildhaft, aber ich stelle es mir mittlerweile so vor: Angenommen, das Elektron klebt direkt am Proton im H-Kern. Dann hat es einen festen Ort und einen festen Impuls, die beide gleichzeitig messbar wären, und das verbietet die QM. Also muss es ein Stück entfernt sein. Jede Entfernung bzw. jedes Orbital steht für ein Energieniveau. Da laut QM auch wieder nur bestimmte diskrete Niveaus (Stockwerke im Hotel) erlaubt sind, ergibt sich ein diskretes Muster aus Orbitalen, in denen das Elektron existieren kann.

  29. #29 MartinB
    12/14/2009

    @Ronny

    Ja, jetzt wird’s etwas kniffliger. Meine Erklärung gilt zunächst mal für den grundzustand, und für den stimmt sie so auch. Die gefürchtete Schrödingergleichung (kurz SGL), die hinter der Erklärung steckt, sagt, dass die kinetische Energie der Elektronenwelle umso größer wird, je stärker die Welle sich räumlich ändert, und das ist das, was ich für meine Erklärung gebraucht habe. Damit sieht man zunächst mal qualitativ, warum das Elektron nicht in den Kern stürzt.

    Die SGL sagt aber mehr, als nur einen Energiewert anzugeben: Sie macht eine genaue Aussage darüber, wie die Welle an jedem Punkt aussehen muss – es muss nämlich die krümmung der Welle zusammenhängen mit dem Wert der Welle selbst.
    Klingt kompliziert – ist es aber nicht wirklich, jede handelsübliche Welle (Seilwelle, Wasserwelle) verhält sich ganz ähnlich.
    In dem Sinne ist das mit der in sich zurücklaufenden Welle schon eine ganz gute Erklärung. Leider fällt mir gerade kein gutes Alltagsbeispiel ein, wo man eine Welle laufen lässt, die auch noch ein anziehendes Potential spürt – wenn mir noch was einfällt, dann schreib ich’s hin.

    Dass das “weiter außen” laufende Elektron eine höhere Energie hat, liegt an zwei dingen: Zum einen ist dort die elektrostatische Energie kleiner (weil das Elektron im Mittel vom Kern weiter weg ist), zum anderen ist es so, dass die Elektronenwelle, obwohl größer, sich trotzdem räumlich relativ stark ändert, weil es mehr “Wellenberge und Täler” gibt. Auf die schnelle hab ich dieses Bild hier gefunden (Link ist leider ziemlich lang):
    https://www.chemgapedia.de/vsengine/vlu/vsc/de/ch/2/vlu/atombau/orbitalgestaltung.vlu/Page/vsc/de/ch/2/oc/physikalische_grundlagen/atombau/gestalt_orbitale/s_orbitale/zusammenfassung.vscml.html

    Dort sieht man das 1s Orbital (Grundzustand) und das 2s Orbital (nächst höhere Energie)
    im Vergleich.
    Hilft das ein bisschen weiter? (Mit ner Tafel wär’s einfacher…)

    @schlappohr: Ja, die Unschärferelation verbietet das auch, mit der kann man es auch erklären. Hat nur den Nachteil, dass sie selbst so absolut unanschaulich ist, während man das Energieargument direkt verstehen kann. (Und beide hängen über die SGL zusammen, denn aus der kann man die Unschärferelation herleiten.)

  30. #30 Ronny
    12/15/2009

    @MArtinB
    Also hatte meine Matheprofessor doch recht.
    Keiner weiß was ein Elektron ist, geschweige denn ein Atomkern und warum die sich so verhalten, aber weil die Schrödingergleichung Lösungen hat die die theoretischen und experimentellen Vorgaben erfüllen, muss es wohl so sein 😀

    Ich habe immer Schwierigkeiten mich ganz auf die Mathematik zu ‘stützen’. Als ich damals die Fourieranalyse lernte konnte ich mir nicht so wirklich was drunter vorstellen. Der oben erwähnt Matheprofessor meinte dann aber, dass es ganz einfach ist. Man rechnet sich einfach alle möglichen Sinii aus, legt sie über das Signal und schaut wie gut sie passen. Dann noch die Cosinii und schon ist man fertig.
    Danach hab ichs kapiert (und benutze sie derzeit heftigsts).

    Sowas in der Art fehlt MIR noch bei der Quantenphysik (oder vielleicht doch allen :D).
    Feynmann sagte ja mal: Wer glaubt die Quantenphysik verstanden zu haben hat sie mit Sicherheit nicht verstanden.

  31. #31 MartinB
    12/15/2009

    “Wer glaubt die Quantenphysik verstanden zu haben hat sie mit Sicherheit nicht verstanden.”
    Ja, da ist schon was dran. Aber wie ich oben schon geschrieben habe, das Problem bekommt man eigentlich erst bei solchen Sachen wie Kollaps der Wellenfunktion, Messproblem etc.
    Die Schrödingergleichung selbst ist nicht sooo schlimm, und für die kann man auch ne gute Intuition gewinnen, was an Lösungen geht und was nicht. (Und laut Dirac hat man ja ne Gleichung verstanden, wenn man raten kann, wie die Lösung aussieht, ohne dass man rechnen muss.) Band III der Feynman Lectures hat da ein nettes Kapitel, wo er die SGL graphisch löst (16-6).

  32. #32 schlappohr
    12/15/2009

    @Ronny
    “Keiner weiß was ein Elektron ist, geschweige denn ein Atomkern und warum die sich so verhalten, …”
    Ok, aber nimm z.B. mal einen Würfel. Was ist ein Würfel? Man kann ihn vollständig beschreiben, indem man seine Kantenlänge angibt. Wenn es sich um einen realen, materiellen Würfel handelt, kann man noch seine Masse, Dichte und Temperatur angeben. Aber viel mehr gibt es über einen Würfel nicht zu sagen. Mit einer handvoll mathematischen Begriffen können wir ihn vollständig beschreiben. Dass man einen Würfel anfassen und sehen kann, ist zwar angenehm, spielt aber eigentlich keine Rolle. Dank des Modells kann man einen Würfel auch verstehen, ohne ihn zu sehen.
    Unter der Annahme, dass die QM vollständig und korrekt ist, liefert sie uns ein exaktes Modell eines Atoms. Solche Dinge wie die Unbestimmtheitsrelation sind zwar nicht so einfach zu verstehen wie eine Kantenlänge, aber sie sind eben Bestandteil des Modells. Insofern meine ich schon, dass wir sehr genau wissen, was ein Atom ist (bzw. irgendwann wissen werden).

  33. #33 Ronny
    12/16/2009

    @MartinB, Jörg
    Übrigens, danke für die Erklärungen

    @schlappohr
    Nach längerem Nachdenken muss ich dir recht geben (verdammt). Ich habe wieder mal zuviel am ‘Augenchauvinismus’ geleidet.

    Aber wie ich schon oben beschrieben habe muss ich mir, um etwas wirklich verstanden zu haben, auch vorstellen können WIE das abläuft. Mit Mathematik kann man etwas gut beschreiben, aber irgendwie bleibt so ein schaler Beigeschmack. Frei nach dem Motto: Ja, was der beuhauptet klingt plausibel aber so ganz überzeugt bin ich nicht.

    Das ist so wie bei der ART. Gravitation war immer so irgendwie seltsam. Man konnte es beschreiben mit Formeln aber irgendwie bliebs ungreifbar. Mit dem Modell der verzerrten Raumzeit bekommt das Ganze für mich plötzlich eine Klarheit die kein mathematisches Model hinbringt.

  34. #34 schlappohr
    12/17/2009

    @Ronny

    ‘Augenchauvinismus’ cool, das muss ich mir merken 🙂

    Am Anfang meines Studiums hat ein Prof mal zu uns gesagt: “Wenn Sie gelernt haben, die Mathematik als ein Werkzeug der Erkenntnis zu nutzen, dann können Sie damit mehr begreifen, als mit ihren fünf Sinnen zusammen. Aber denken Sie nicht, dass das leicht wird.”

    Nach 14 Semestern Plackerei und 10 Jahren Beruf muss ich gestehen: Der Mann hatte absolut recht.