Die stehen ja echt Schlange diesen Monat. Im politischen Feuilleton des Deutschlandradios (hier zum Lesen, hier zum Anhören). Es bewirbt sich: Die Frankfurter Publizistin und Buchautorin Cora Stephan, promovierte Politikwissenschaftlerin.

In unvergleichlicher Form schafft sie es, die grausamsten Scheinargumente wiederzugeben und mit flinken Einschübe nochmal zu unterbieten.

Ein paar Highlights? Ich schaffe es nicht den ganzen Artikel durchzugehen, sonst beiße ich in den Laptop vor Frust über soviel Tumbheit.

Wir sind Zeuge der Entstehung einer neuen Weltreligion. Sie verspricht uns das Jüngste Gericht schon heute – es sei denn, wir unternehmen eine letzte große, dramatische Anstrengung zur Rettung der Menschheit vor ihrem wohlverdienten Untergang.

Ich dachte immer, Religionen zeichnen sich durch Dogmen aus. Die katholische Kirche wenigstens gibt immer noch welche aus. Dogmen sind nicht belegt. Die Klimawissenschaftler publizieren nicht nur in den üblichen Journals der Wissenschaft, sondern erarbeiten einen großen zusammenfassenden Bericht, den IPCC-Bericht. Dort kann man, so man will und keine vorgefertigte, ziemlich primitive Meinung hat, alles nachlesen was man weiß, wie gut man es weiß, was noch unsicher ist, wie unsicher es ist.

Irgendwann, fürchten wir, präsentiert uns irgendeine Instanz die Rechnung für unser Wohlleben, sei’s Gott oder die Natur – mit biblischen Plagen wie Wirbelstürmen, Überschwemmungen, Feuer speienden Vulkanen, kurz: Tod und Teufel.

Abgesehen davon, dass weder Wirbelstürme noch Vulkane zu den biblischen Plagen zählen: VULKANE? Deutlicher kann man kaum zeigen, dass man absolut keine Ahnung von der Materie hat. Vulkane können beim besten Willen nicht durch das Klima ausgelöst werden.

Deshalb soll hier nur ganz am Rande Erwähnung finden, dass in der Tat in Klimadingen kaum präzise Auskünfte möglich sind. Kein Modell kann alle Faktoren berücksichtigen, die in diesem hochkomplexen Geschehen eine Rolle spielen, weshalb kein seriöser Forscher sich festzulegen wagt, ob es wirklich eine Klimaerwärmung gibt oder ob sich das Wetter gar, wie noch vor Jahren behauptet wurde, abkühlt. Für die vergangenen zehn Jahre kann übrigens keine Erwärmung nachgewiesen werden.

Jawohl, die ganze hassgeschwängerte Tirade, ein Feuilleton im eigentlich seriösen Deutschlandradio, basiert auf dem Argument: Klima ist schwierig, daher kann es nicht klappen. Irgendwie erinnert das mich an das Kreationisten-Argument von der unreduzierbaren Komplexität. Den Unterschied zwischen Klima und Wetter kennt Frau Stephan nicht, und den statistisch benötigten Rahmen für Klimatrends auch nicht.

Und so geht es weiter. Lalala…man braucht es gar nicht weiter kommentieren, es ist doch immer der gleiche Sermon. Traurig dass so ein kopfloses Geplapper es ins Deutschlandradio schafft.
Mehr könnt ihr noch bei der Verschlusssache lesen

Kommentare (21)

  1. #1 Gunnar Ries
    12/16/2009

    Auch Frau Stephan hätte sich an Bruder Dieter seinen Rat halten sollen.

    https://members.tripod.de/romkirchenmoenche/scriptorium.html/fatwa.MP3

  2. #2 Thilo Kuessner
    12/16/2009

    Vulkanausbrüche würden der Sonneneinwirkung und damit der Erderwärmuung doch entgegenwirken …

  3. #3 Karl Mistelberger
    12/16/2009

    Kein Modell kann alle Faktoren berücksichtigen, die in diesem hochkomplexen Geschehen eine Rolle spielen, weshalb kein seriöser Forscher sich festzulegen wagt, ob es wirklich eine Klimaerwärmung gibt oder ob sich das Wetter gar, wie noch vor Jahren behauptet wurde, abkühlt.

    Es ist keinesfalls notwendig alle Details zu kennen, um dennoch eine brauchbare Vorhersage zu machen. Als dieser Bericht entstand, gab es noch keine Laptops, in die man hinein beissen musste. Das Leben war damals viel einfacher, da die Leute nicht so viel herum laberten, sondern sich kurz fassten: “Carbon Dioxide and Climate, A Scientific Assessment”.

    Hier konnte man vor dreissig Jahren nachlesen, wie es heute mit dem Klima ausschauen würde.

  4. #4 ff
    12/16/2009

    Derjenige, der hier Hass erkennt, scheint selbst ungünstig aufgestellt zu sein.

  5. #5 Georg Hoffmann
    12/17/2009

    Die Bewerbung wird wohlwollend behandelt. Der Dezember wird ein grosser Monat.

  6. #6 Julius Cäsar
    12/17/2009

    @Jörg

    Abgesehen davon, dass weder Wirbelstürme noch Vulkane zu den biblischen Plagen zählen: VULKANE? Deutlicher kann man kaum zeigen, dass man absolut keine Ahnung von der Materie hat. Vulkane können beim besten Willen nicht durch das Klima ausgelöst werden.

    Spätestens dieser Satz zeigt, dass Sie überhaupt nicht verstanden haben, worum es der Autorin geht.

  7. #7 MrBaracuda
    12/17/2009

    @Caesar

    Ist der Jörg dir etwas zu pragmatisch wissenschaftlich? 😀

    @Jörg

    Wie wäre es noch mit dem hier (ich weiß nicht, wie ich Focus Money einzuschätzen habe, aber der Vogel ist mir da schonmal untergekommen und ist wie es aussieht Redakteur da, LoL)? Der Autor wird gerne in der Szene in der er sich rumtreibt – der Verschwörungsidiotenszene – gehandelt und preist sich dort auch mit diesem Artikel doll an). Siehe auch seinen äußerst intelligenten Blog, oder was das sein soll.

  8. #8 dema
    12/17/2009

    Fakt ist, es leben ein paar Milliarden Menschen auf der Erde, die heute zumeist Energie nutzen, welche vor langer Zeit gespeichert wurde.
    Der gesunde Menschenverstand sagt einem schon, dass
    1. ein paar Milliarden kein unerheblicher Faktor sind,
    2. das Tun derselben auf jeden Fall Spuren auf diesem Planeten hinterlässt,
    3. unsere Präsenz also grundsätzlich Auswirkungen auf das uns umgebende System hat.
    Natürlich kann man sich darüber unterhalten welche das sind.
    Aber diese gänzlich mit der oben durch die Dame (und ihre Mitstreiter) genannten Begründung des nicht zu berechnenden zu negieren, ist wahrlich ein ignorantes Meisterstück.
    Denken hilft !!!
    In diesem Sinne…

  9. #9 Ronny
    12/17/2009

    @julius
    Spätestens dieser Satz zeigt, dass Sie überhaupt nicht verstanden haben, worum es der Autorin geht.

    Wie wäre es mit der Begründung zur Beschimpfung.

  10. #10 Auch ein Physiker aus Jülich
    12/18/2009

    Lieber Herr Rings,

    vielleicht haben Sie es noch nicht gemerkt, aber seit der unsäglichen Hockeystick-Veröffentlichung haben die IPCC-Berichte in der wissenschaftlichen Öffentlichkeit in solcher Menge an Glaubwürdigkeit verloren, dass der Ruf der Naturwissenschaften nachhaltig beschädigt ist. Ein bisschen Demut Ihrerseits wäre angebracht, statt sich in wüsten Beschimpfungen zu verrennen. Jedenfalls kenne ich weder einen Physiker noch einen Meteorologen aus meinem Bekanntenkreis, der davon überzeugt ist, dass CO2 den großen Einfluss aufs Wettergeschehen UND aufs Klima haben kann, den der IPCC postuliert. (Den Unterschied zwischen Wetter und Klima weiß ich wohl zu schätzen…)

    Publizisten sind dafür u.a. dafür da, um einem weitverbreiteten Unbehagen Ausdruck zu verleihen. Cora Stephan ist das durchaus gelungen. Ich weiß nicht, was Sie mit Ihrer Tirade bezwecken…

  11. #11 Jörg
    12/19/2009

    Auch ein Physiker aus Jülich, klar, wer’s glaubt^^

  12. #12 MrBaracuda
    12/19/2009

    Jörg, wie kannst du es wagen aus deiner Tiradenecke so frühzeitig herauszukommen! Du hast noch nicht einmal Demut gezeigt, also wirklich! *auf den Boden stampf* 😀

  13. #13 Der Physiker aus Jülich
    12/19/2009

    Lieber Herr Rings,

    mein Name tut hier nicht zur Sache. Bevor Sie mir aber meinen Nick absprechen: Habe mich in meiner gesamten Zeit in der Wissenschaft mit Zeitreihenanalyse beschäftigt, am damaligen HLRZ über ein Thema aus dem Bereich der Hirnforschung promoviert (heute John von Neumann Center für Supercomputing) und hatte das Vergnügen, mit einigen der weltweit Besten im Bereich dynamischer Syteme zusammenzuarbeiten. Am Anfang des zu Ende gehenden Jahrzehnts habe ich für eine sehr bekannte Börsenorganisation geprüft, ob es für sie ein lohnenswertes Geschäftsfeld sein könnte, den Handel mit CO2-Emissionszertifikaten zu organisieren. (Kam zu einem negativen Ergebnis, ist aber hier nicht von Belang.) Bei der Gelegenheit habe ich den TAR komplett durchgelesen und in meiner Freizeit auch den AR4 nach Erscheinen.

    Was mich beim TAR sofort befremdet hat, war der Hockeystick von Mann et al. Es war mir auf den ersten Blick klar, dass es kein dynamisches System gibt, das eine solch geformte Signatur hinterlässt (kein quasiperiodisches System, kein nichtlinearer Oszillator, kein chaotisches System, für die Ausprägung als Phasenübergang fehlt jedwede physikalische Begründung). Da es mich wunderte, wie eine solch unphysikalische Grafik zur prominent gemachten TAR-Aussage vom wärmsten Jahrzehnt des Jahrtausends führen konnte, begann ich mich tiefer einzulesen. Im AR4 wird die Mann-Kurve ja auch folgerichtigerweise mit keinem Wort mehr erwähnt, sondern nur behauptet, dass die Jahre von 1950 bis 2000 wahrscheinlich die wärmsten 50 Jahre des letzten Halb-Jahrtausends sind, was angesicht der publizierten Zeitreihen sehr viel überzeugender klingt. Überhaupt liest sich der AR4 viel eher wie ein “normaler” Wissenschafts-Review, der TAR hatte etliche Qualitätslücken, die mir als Physiker geradezu peinlich waren. Die Glaubwürdigkeit der Naturwissenschaften an sich haben damals großen Schaden genommen, und das will ich gerne belegen.

    Doch ganz abgesehen von meinen persönlichen Beobachtungen, dem Wigman-Report und dem Aufkommen der “Klimaskeptiker” außerhalb des inneren Wissenschaftsbetriebs: Von all meinen Studienkollegen und neuen Bekanntschaften aus Meteorologie und Physik glaubt kein einziger (!), dass CO2 die große Rolle auf die Erderwärmung hat, wie sie im AR4 behauptet wird. Auf der anderen Seite kenne ich keinen Physiker, dem ich Fälschung von wissenschaftlichen Ergebnissen oder grob unredliches Verhalten unterstellen würde.

    Kann ich es letztlich beurteilen, was richtig ist? Natürlich nicht, auch kannte ich schon zu aktiven Zeiten nur sehr wenige Physiker, die etwas von Thermodynamik im Nicht-Gleichgewicht verstanden, was wohl unabdingbare Voraussetzung für das Studium des Klimageschehens ist. Ich störe mich selbst daran, dass mir eine große Skepsis geblieben ist, was die CO2-Thematik anbelangt. Offensichtlich ist nicht nur bei mir bei der Vermittlung der Erkenntnisse aus Ihrem Fachgebiet einiges schief gelaufen, sonst gäbe es diese Diskussionen nicht, denen Sie sich hier zu Unrecht ausgesetzt sehen.

    Ich rate Ihnen dringend, diese Diskussionen als Symptom für ein entstandenes Misstrauen gegenüber den Klima-Wissenschaften zu begreifen, das meiner Beobachtung nach aus ihrer Politisierung herrührt. Nutzen Sie dieses Format des Blogs (Sie können schreiben!), um mit diesem Misstrauen und der entstandenen Skepsis aufzuräumen. Es hilft Ihrer Sache nichts, wenn Sie sich nur mit Fachkollegen austauschen, Sie müssen die Naturwissenschaftler aus anderen Fächern überzeugen und diese zu Botschaftern Ihrer Ideen machen. Jede abfällige Bemerkung über die sog. “Klimaskeptiker” wertet Ihr Anliegen ab, Ihre einzige Chance ist Transparenz. Wer Recht hat, kann es sich leisten souverän zu bleiben.

  14. #14 Gluecypher
    12/21/2009

    @Der Physiker aus Jülich

    Was mich beim TAR sofort befremdet hat, war der Hockeystick von Mann et al. Es war mir auf den ersten Blick klar, dass es kein dynamisches System gibt, das eine solch geformte Signatur hinterlässt (kein quasiperiodisches System, kein nichtlinearer Oszillator, kein chaotisches System, für die Ausprägung als Phasenübergang fehlt jedwede physikalische Begründung).

    Gibt es dazu mehr als ein “Auf den ersten Blick” oder müssen wir das glauben?

  15. #15 Jörg
    12/22/2009

    @Physiker:
    Ok, jetzt glaube ich ja dass SIe Physiker sind.
    Und es dürfte auch wenige den kompletten IPCC-Bericht gelesen haben. Wenn ich aber etwas lese und es mir unbekannt vorkommt, schließe ich dass ich es nicht richtig verstanden habe und nicht dass die Hundertschaft Leute die ihre Arbeit da rein gesteckt haben falsch liegt. Wie man aus der Form einer Temperaturrekonstruktion auf die Dynaik des zugrunde liegenden Systems schließen kann und dann noch dass es kein soclhes System gibt, ist mir ein völliges Rätsel.

    Offensichtlich ist nicht nur bei mir bei der Vermittlung der Erkenntnisse aus Ihrem Fachgebiet einiges schief gelaufen, sonst gäbe es diese Diskussionen nicht, denen Sie sich hier zu Unrecht ausgesetzt sehen.

    Abgesehen davon, dass es nicht mein Fachgebiet ist, stimme ich da zu.

    Jede abfällige Bemerkung über die sog. “Klimaskeptiker” wertet Ihr Anliegen ab, Ihre einzige Chance ist Transparenz. Wer Recht hat, kann es sich leisten souverän zu bleiben.

    Weiterhin abgesehen davon dass ich kein Klimatologe bin, wenn die Achse des Blöden nichts besseres zu tun hat, die Zeitungen und Medien mit ihrem “Klima ist kompliziert, ich kapiere es nicht und Experten sind Faschisten”-Geschrei zu überziehen, dann bleibt einem nichts mehr übrig als abwertende Bemerkungen.

  16. #16 Ex-Jülicher
    12/22/2009

    @Gluecypher

    Ich frage mal andersrum: Wenn Sie eine Tochter hätten und würden drei Jahre lang jeden Morgen bei ihr Temperatur messen, das Ergebnis protokollieren und es käme exakt die Form des Hockeysticks von 2001 heraus, welche Fragen würden Sie dann auf Basis Ihrer wissenschaftlichen Grundausbildung stellen? (Ich beziehe mich auf die Grafiken in https://www.grida.no/publications/other/ipcc_tar/?src=/climate/ipcc_tar/wg1/index.htm)

    Ich hatte das Vergnügen, mich in meiner Zeit als Wissenschaftler viel mit Signaltheorie, Nichtlinearer Dynamik, Simulationstheorie und Phasenübergängen beschäftigen zu dürfen, die meisten gängigen Verfahren der Signalauswertung selbst anzuwenden und neue zu entwickeln. Wenn ich in der Zeit einen gewissen “Blick” für die Natur dynamischer Systeme entwickelt habe, mag Ihnen das wegen der mangelnden Falsifizierbarkeit befremdlich erscheinen und muss es auch. Allerdings stehen einige Jahre intensiver Beschäftigung mit der Mathematik und der Praxis dynamischer Systeme dahinter, die ich Ihnen nicht abnehmen kann. Ein paar statistische Tests auf Basis der 30jährigen Mittelwerte des Hockeysticks wird Ihnen genau so gut sagen können, wie wahrscheinlich der “erste Fieberschub” ist und wie sich der zweite vom ersten unterscheidet.

    Doch zur Sache: Während der ersten 900 Messpunkte / Jahre schwanken die Temperaturen nach dieser Kurve um einen bestimmten Messwert, in den letzten 100 Jahren zeigen sie steil nach oben. Als Wissenschaftler fände ich den Knick sehr interessant, denn dort spielt sich erfahrungsgemäß die meiste Physik ab. Etwas muss sich verändert haben, um von der relativ “langweiligen” schwankungsarmen Zeit in den “Fieberschub” von 1910 – 1940 überzuwechseln. Immerhin ist dies ein Anstieg, wie er in den 900 Jahren davor nicht gemessen wurde. Danach sinken die Temperaturen leicht für dreißig Jahre, um wieder mit ähnlicher Steigung und Amplitude von 1970 bis 2000 stark anzusteigen. Ginge es um Ihre Tochter, würden Sie sie wohl spätestens “im Jahr 1930” zum Arzt schicken, und sie “im Jahr 1990” gründlich durchchecken lassen, was sie denn genau hat.

    Da die Industrialisierung in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts ein lokal sehr begrenztes Phänomen war, sich auch der 1. Weltkrieg in den Messdaten nicht merklich niederschlägt und die CO2-Konzentration erst seit dem großtechnischen Einstieg ins Ölzeitalter ab 1950 merklich anstieg, scheidet der Mensch wohl als Ursache für den ersten Fieberschub aus. Dennoch wird der zweite Fieberschub, der in Amplitude und Steigung ähnlich ist wie der erste, in der wissenschaftlichen Community zum großen Teil auf anthropogene Faktoren zurückgeführt. Konkret hieß es im TAR: “Nevertheless the rate and duration of warming of the 20th century has been much greater than in any of the previous nine centuries. Similarly, it is likely that the 1990s have been the warmest decade and 1998 the warmest year of the millennium.”

    Diese Aussagen auf Basis der gezeigten Daten sind sehr mutig, um es freundlich auszudrücken. Wenn man nun noch weiß, dass man mit den von Mann verwendeten autoregressiven Modellen zur Übesetzung von Baumringdaten auf Temperaturen mit Glück intrapolieren kann, jede Extrapolation aber extrem instabil ist, sinkt das Vertrauen in die Temperatur-Rekonstruktion weiter ab.

    Was man mit den Koeffizienten aus autoregressiven Modellen eigentlich macht, ist ein Fourier-Spektrum anzunähern. Je höher die Ordnung des AR-Modells, desto genauer gelingt die Abbildung des Spektrums. Der Rauschterm im Signal verschwindet dann auf elegante Weise. Die Methode funktioniert am besten, wenn ein Signal aus einer periodischen Dynamik herrührt und nur durch Rauschen überlagert wird. Sie funktioniert immer noch gut bei quasiperiodischen Systemen, eliminiert aber langfristige Trends und die Aussage über den Durchschnittswert einer Zeitreihe.

    Zusammenfassend: Der Knick um 1900 herum und der “erste Fieberschub” danach sind durch kein externes Ereignis erklärt und daher höchstwahrscheinlich unphysikalisch. (Ich lasse mich gerne vom Gegenteil überzeugen.) Die Temperatur-Rekonstruktion mit autoregressiven Modellen ist blind gegenüber deutlich höheren und deutlich niedrigeren Temperaturen im Verhältnis zu Manns Eichintervall von 1900 – 1970 (wenn ich mich recht erinnere), daher wäre eine MWP, wenn es sie denn gegeben hat, strukturell mit der Methode nur mit Glück detektierbar. Dies meinte ich mit “auf den ersten Blick”, verzeihen Sie die verkürzte Darstellung.

  17. #17 Jörg
    12/22/2009

    Zusammenfassend: Der Knick um 1900 herum und der “erste Fieberschub” danach sind durch kein externes Ereignis erklärt und daher höchstwahrscheinlich unphysikalisch.

    https://www.skepticalscience.com/global-warming-early-20th-century.htm
    Solar Forcing of Global Climate Change Since The Mid-17th Century (Reid 1997) finds a link between solar variability and climate change, concluding that “solar forcing and anthropogenic greenhouse-gas forcing made roughly equal contributions to the rise in global temperature that took place between 1900 and 1955”.

    Die Temperatur-Rekonstruktion mit autoregressiven Modellen ist blind gegenüber deutlich höheren und deutlich niedrigeren Temperaturen im Verhältnis zu Manns Eichintervall von 1900 – 1970 (wenn ich mich recht erinnere), daher wäre eine MWP, wenn es sie denn gegeben hat, strukturell mit der Methode nur mit Glück detektierbar.

    https://www.skepticalscience.com/broken-hockey-stick.htm
    “Since the hockey stick paper in 1998, there have been a number of proxy studies analysing a variety of different sources including corals, stalagmites, tree rings, boreholes and ice cores. They all confirm the original hockey stick conclusion: the 20th century is the warmest in the last 1000 years and that warming was most dramatic after 1920.”

  18. #18 Ex-Jülicher
    12/22/2009

    @Jörg

    Ich kann Ihre Frustration sehr gut verstehen, wie viele Menschen ohne naturwissenschaftlichen Hintergrund meinen, sich zu den Klimawissenschaften äußern zu müssen. Besonders amüsant finde ich die These, dass CO2 ja schwerer als Luft ist und sich deshalb nur in Bodennähe ansammelt, auf die gesamte Atmosphäre aber keinen Einfluss haben kann… Auch kann einer, der den wissenschaftlichen Betrieb von innen kennt, nicht auf die Idee einer groß angelegten Verschwörung kommen.

    Dass man dabei aggressiv werden kann, verstehe ich gut. In der Öffentlichkeit darf man diese Aggression aber leider nicht zeigen. Hatte einmal die Gelegenheit, ein recht komplexes von mir entwickeltes Finanzprodukt in einem Forum gegen lärmendes Geschrei zu verteidigen. Unser Pressechef riet mir, die Kritikpunkte ernst zu nehmen und darauf vollständig, ehrlich und gewissenhaft zu antworten, dabei aber stets freundlich und sachlich zu bleiben. In der Tat konnte ich die Stimmung in dem Forum einigermaßen drehen, dem Rat sei also gedankt, und das Produkt verkauft sich mittlerweile sehr gut.

    Es dürfte in der Wissenschaftsgeschichte ein relativ neues Phänomen sein, dass sich Ex-Wissenschaftler und Laien zu einem speziellen Gebiet mit solcher Vehemenz äußern wie bei den Klimawissenschaften. (Vielleicht zuletzt bei der Kraniologie?) Auch gibt es meiner Beobachtung nach kein wissenschaftliches Gebiet, bei dem eine breite Masse der Bevölkerung und ein wesentlicher Teil der naturwissenschaftlich Vorbelasteten dem Mainstream einer Wissenschaft nicht folgen. Das muss seine Gründe haben, und diese würde ich an Ihrer Stelle sehr sehr ernst nehmen.

    Noch ein Wort zu meiner Person: Ich arbeite seit einiger Zeit im Bereich Erneuerbare Energien. Die Firma, für die ich arbeite, hat sich den Kampf gegen den Klimawandel auf die Fahnen geschrieben. Das ist nicht ein Umfeld, in dem ich durch kritische Fragen zur Wissenschaft dahinter auffallen will. (Sonst würde ich lieber unter eigenem Namen hier auftreten, aber Sie sehen ja meine eMail-Adresse und werden sie vertraulich halten.)

    Auf der anderen Seite gibt es hervorragende Gründe, auch ganz ohne das Thema Klimawandel sich um erneuerbare Energieträger zu kümmern: die Endlichkeit der Ressourcen, die Planbarkeit der Energie-Rohstoffversorgung und die politische Unabhängigkeit von unliebsamen Förderländern, die Preisstabilität usw. usf.

  19. #19 Jörg
    12/22/2009

    Ja in der Wissenschaftskommunikation sehe ich das ja ähnlich, ich habe ja auch schon darüber geschrieben, hier z.B.
    https://www.scienceblogs.de/diaxs-rake/2009/12/wwir-mussen-aus-dem-buhei.php

    Es muss aber einen Unterschied zwischen Blog und “offizieller” Wissenschaftskommunikation geben. Und da muss man halt saudumme Artikel auch mal saudumme Artikel nennen dürfen.

    Ich hab schließlich am gleichen Tag, an dem ich diesen Artikel geschrieben habe, ausführlich den Artikel von James Randi auseinandergenommen, da lag auch einiges im Argen aber da konnte man ordentlich drüber schreiben. Was für die Hetze der Achse des Blöden nicht gilt.

  20. #20 Ex-Jülicher
    12/22/2009

    @ Jörg

    Ich hatte gesehen, dass manche der Behauptungen von Mann mittlerweile von anderen Gruppen und mit anderen Methoden in der Tendenz bestätigt sind. Meine Aussage bezog sich auf den Wissensstand von 2001. Mir scheint es, dass Mann schlicht Glück hatte mit seinen Aussagen, seine Methoden aber damals ungeeignet waren. Nur hätte er das wissen und offen damit umgehen müssen. Die Kernaussage im TAR halte ich *aus damaligem Wissensstand* nach wie vor für äußerst mutig, wenn nicht übertrieben.

    Mir scheint im übrigen, dass die Frage nach der MWP bei weitem nicht geklärt ist. Auf Seite 469 des AR4 findet sich der Satz “The uncertainty associated with present palaeoclimate estimates of NH mean temperatures is significant, especially for the period prior to 1600 when data are scarce.” Die Signifikanz der Aussage, dass es in einer MWP nicht wärmer war als heute, ist laut AR4 nach wie vor schwach.

    Meiner Beobachtung sind viele Akademiker und noch mehr die Menschen mit “praktischen” Berufen sehr sensitiv gegenüber Overselling, auch wenn sie die Hintergründe nicht im Einzelnen verstehen. Das Problem, so scheint es mir, liegt darin, dass im TAR an einigen Stellen Overselling betrieben wurde. Dass die AR4-Aussagen wieder auf solider wissenschaftlicher Grundlage stehen, hilft dem verlorenen Vertrauen nicht hinreichend schnell auf die Beine.

  21. #21 Jörg
    12/22/2009

    Naja, wie gesagt, ich kann jetzt aus dem Stand die Mann-Veröffentlichung nicht bewerten, aber es ist ja auch fast 10 Jahre später und die Ergebnisse sind solide.
    Die MWP ist tatsächlich Stand der Forschung, Georg hat dazu auch eine Serie gestartet. Und vor 2-3 Wochen gab es eine neue Studie in Science (von Mann…) in der regionale Klimamodelle verknüpft wurden. Es war wohl regional beschränkt wärmer, aber lange nicht so verbreitet wie heute. Die MWP ist ja auch von sekundärer Bedeutung für die Reaktion auf der Erwärmung – die ist schließlich gut verstanden und der anthropogene Mechanismus klar. Aus der MWP können wir lernen, unsere Modellierung zu verbessern, vor allem regional – um dann in Zukunft regionaler modellieren zu können. Außerdem lässt sich eventuell für die Folgenabschätzung etwas gewinnen.

    Das Problem mit Overselling gibt es sicherlich, man denke nur daran, dass wir jetzt alle immer exzellent sind…aber ich sehe da grundsätzlich zwei Ebenen:
    1) die viel generelle Wissenschaftskommunikation, die als Aufgabe hat mehr zu sensibilisieren, dass komplexes, unsicheres Verstehen nichts schlimmes ist. Anders kann nicht gewährleistet werden, dass Punkt 2 richtig ankommt, nämlich
    2) die Darstellung in “Elevator Pitches” muss besser werden. Wenn 1) besser läuft kann man auch mal hoffen, dass Aussagen nicht immer völlig überzogen interpretiert werden. In drei Sätzen schafft man eben nicht alle Unsicherheiten aufzudröseln. Auf der anderen Seite sind kurze Botschaften in gutem Stil (also nicht “OH GOTT WIR MÜSSEN DEN PLANETEN RETTEN”) und mit viel Substanz immer wichtiger, wenn man Leute erreichen will. Ansonsten setzen sich die einfachen Botschaften (“Wissenschaftler sind alle Betrüger”) fest. Das mag nicht so schön stur wissenschaftlich sein, aber die Kommunikation muss sich anpassen an das, was noch ankommt. Da dabei die Substanz kein bißchen aufgegeben werden darf, ist das allerdings eine schwierige Aufgabe.