Da stehen wir also mit einem Signal, das nicht ausschließen lässt, dass das CDMS-Experiment mögliche Dunkle Materie-Teilchen, die WIMPs gemessen hat. Es ist noch nicht so weit dass man etwas sicher sagen kann, aber ich weigere mich auch, nicht aufgeregt zu sein. Sollen Ethan Siegel und Peter Woit doch rummeckern, ich finds spannend genug um mir auch noch das Paper dazu anzusehen. Eigentlich soll das bei arXiv stehen aber ich finde es dort noch nicht, aber auch der CDMS-Homepage steht es, und auch die Präsentationen.
Die große Frage vor allem, ist zu verstehen wie die ausgerechnet darauf kommen dass man 0,8 Ereignisse erwartete. 2 hat man gefunden und sagt, dass die Wahrscheinlichkeit dass das zufälliger Hintergrund ist nur 23% beträgt.
Hintergrund des Hintergrund
So also kurz nochmal das Experiment: WIMPs sind bislang nicht gemessene Teilchen, die äußerst ungerne reagieren, da sie nicht elektromagnetisch wechselwirken wie z.B. Elektronen oder Photonen. Aber sie können gelegentlich ein Atom anrempeln und es in Schwingung versetzen. Ist das Atom in einem Festkörper (hier: Germanium oder Siliziumkristalle) eingebunden, wird sich die Schwingung durch den Festkörper fortpflanzen (als Phonon) und wird am Rand detektierbar – wenn man den Kristall sehr stark abkühlt um Schwingungen durch Wärme weitgehend auszuschalten.
So – jetzt die große Aufgabe der Teilchenphysik: Man misst eine Menge Ereignisse und muss diejenigen aufspüren, die man eigentlich sucht. Denn in jedem Fall wird man nicht nur die WIMPs messen, sondern immer wieder – und sogar wesentlich häufiger – werden andere Teilchen den Detektor treffen und Signale verursachen die ähnlich aussehen – das nennt man den Hintergrund. Die Aufgabe ist, einen Steckbrief zu definieren, der die einzigartigen Merkmale festlegt die so ein WIMP-Signal abhebt.
Unsere erste Aufgabe ist, die üblichen Verdächtigen herauszufinden. Dazu versucht man, die Unschuldigen erst gar nicht in den Detektor zu lassen. Wo kommen die denn alle her, wieso kann man damit rechnen, so viele falsche Ereignisse zu haben? Hauptschuldig sind die kosmische Strahlung und Radioaktivität.
Aus der kosmischen Strahlung treffen regelmäßig Schauer von Teilchen hier auf, Elektronen, Neutronen, Photonen, auch Myonen die eigentlich sehr kurz leben. Man braucht einen gewaltigen Filter, um die meisten dieser Teilchen abzuhalten. Deswegen stellt man den Detektor kurzerhand in eine tiefe Mine und nimmt Kilometer Boden und Fels als Filter. Myonen kann man außerdem mit speziellen Art Detektoren feststellen, also schichtet man diese Detektoren um das Experiment und wirft alles weg, was nach Myon aussah. Neutronen kann man wenigstens mit einem Moderator (Polyethylen) abbremsen .
Die zweite Quelle ist natürliche Radioaktivität, aus dem umliegenden Gestein und sogar aus dem Detektormaterial selbst können Neutronen oder Gammastrahlen kommen, und den Detektor treffen.
(Fast) alles was so in den Detektor trifft, kann nicht nur Atome zum schwingen bringen, sondern auch entlang des Weges im Detektor Elektronen von den Atomen abtrennen – eine Ionisation. Das gilt für die Teilchen, die elektromagnetisch wechselwirken, also nicht für die gesuchte WIMPs. Die Idee liegt also darin, auch die Ionisation mitzumessen (indem man eine Spannung an den Detektor anlegt) und bei jedem Ereignis zu messen wie hoch Ionisation war und wie stark die Atom in Schwingung versetzt wurden.
Das testet man natürlich vorher. In Testläufen bringt man bewusst radioaktive Präparate nahe an die Detektoren. Manche davon erzeugen ionisierende Strahlung, ein anderes Präparat erzeugt Neutronen, die nicht ionisieren und daher den WIMP-Bereich anzeigen.
Es ist fast wie ein Werk abstrakte Kunst. Ein Haufen Kleckse, aber irgendwo darin sind vielleicht die zwei genialen Pinselstriche des Universums versteckt, die aus dem Gekleckse ein Kunstwerk machen:
Alles wird gut?
Also wird alles gut? Filtern wir so alles heraus was wir nicht brauchen? Leider ist es mal wieder nicht so einfach. Wegwerfen können wir die roten Punkte, die sind sicher keine WIMPs, da sie viel ionisieren. In unseren Bereich, in dem wir WIMPs erwarten, pfuschen uns aber leider zwei andere mögliche Ereignisse herein. Das bedeutet: Hier müssen wir uns klar werden, wieviele dieser Ereignisse wir erwarten. Und dann vergleichen wir die wirklichen späteren Messungen statistisch damit, und wenn wir mit guter Sicherheit zu viel zählen, können wir auf WIMPs schließen.
Zweierlei Quellen wurden dabei herausgefiltert: Neutronen haben sich ja schon gezeigt, und können nicht über die Ionisation gefiltert werden. Aber man hat eine ganz gute Vorstellung davon, wie kosmische Schauer Neutronen erzeugen und kann Monte-Carlo-Simulationen ablaufen lassen. Dabei würfelt man ganz oft Ereignisse aus und bestimmt so die möglichen Ausgänge. Daraus erhält man eine erwartete Anzahl an Neutronen. Für die gesamte “heiße Phase” der Messung erwartete man lediglich 0,03 Ereignisse. Die Anzahl an Neutronen aus radioaktiven Fällen hat man auch simuliert und für vernachlässigbar klein befunden.
Ein größeres Problem bereiten Ionisationen an der oberen Grenze des Detektors. Solche Grenzereignisse machen keine so schöne Ionisation und können daher irgendwo liegen – die schwarzen Kreuze im Bild.
Alles eine Frage des Timings
Aber die Grenzereignisse machen noch etwas anderes, durch das sie sich identifizieren lassen: das gemessene Photon hat einen anderen Verlauf über die Zeit mit einem schnellen Anstieg:
Man wirft also alle Ereignisse weg, die zu schnell anstiegen. Nicht weniger als drei Methoden wurden dann verwendet, um die Anzahl an Ereignissen dieser Art zu schätzen, die dann trotzdem noch übrigbleiben und wie ein WIMP aussehen. Das ist nur ein Absatz im Paper, aber es lässt sich vermuten, dass da viele Diplomanden und Doktoranden viel Schweiß reingesteckt haben. Und vertrauenserweckend ist aber, dass bei allen Methoden eine gleich große Zahl herauskam: 0,6 Ereignisse erwartet man. Also mit den Neutronen zusammen kann man mit weniger als 1 Ereignis während der Messzeit rechnen – das ist wichtig.
Die Wahl des Schnitts ist da leider nicht ganz eindeutig, und später wird sich auch noch zeigen dass nach der Entblindung die Zahl korrigiert werden musste. Das Bild oben ist wohl schon ein Fit, denn die Signale die man bearbeiten muss sehen eher so aus:
So eine Auswertung solcher Bilder ist das Tagesgeschäft in der Wissenschaft – und das vergisst man leicht wenn man nur das knappe Ergebnis sieht.
Ein blindes Huhn findet auch mal einen WIMP
Jetzt war es also soweit – die echten Daten waren aufgenommen und sollten analysiert werden. Alle diese Schritte mussten durchgeführt werden – falsche Ereignisse rausfiltern, und schauen ob Kandidaten übrig bleiben. Aber um zu verhindern, dass der Auswertende die Auswahl so trifft, dass bestimmte Ereignisse zurückbleiben, nur weil er sie interessant findet, wird erstmal die Kiste zugemacht in der Region, in der es interessant wird:
Das ist also eine Verblindung, wie man sie auch aus der medizinischen Forschung kennt. Und die nicht-verblindeten Bereiche verwendet man, um die ganzen Analysen durchzuführen, wie oben beschrieben. Dann öffnet man den Bereich, und schaut ob Ereignisse übrig bleiben. Spannung…
Tada! Zwei bleiben übrig. Im Vergleich mit den erwarteten 0,63 ist das dann ein Hinweis, dass da etwas sein könnte!
Doch halt, einige Fragen bleiben
Offene Fragen
Wenn ich das Paper reviewen müsste (ok, dazu würde es NIE kommen…), blieben noch ein paar Fragen:
– Die Autoren schreiben dass nach der Entblindung die Schätzung für die Grenzereignisse noch einmal korrigiert wurde, da man das Timing für niederenergetische Ereignisse nicht ganz richtig gewählt hatte. Daraus ergibt sich dann die verbesserte Schätzung von 0,83 Ereignissen und die Wahrscheinlichkeit von 23%, dass die gemessenen WIMP-Kandidaten nur übersehene Grenzereignisse oder Neutronen waren. Dann sagen die Autoren, dass mit einer Veränderung der Timing-Schranke experimentiert wurde. Stellt man die so streng ein, dass man nur 0,4 Ereignisse erwarten müsste, blieben keine WIMPs mehr übrig. Würde man sie großzügig auf 1,7 Ereignisse setzen, gäbe es mehr WIMP-Kandidaten. Da wäre meine Frage, ob das Versetzen des Timing-Schnitts gerechtfertigt wäre, also ob das eine zusätzliche Unsicherheit ist; oder aber ob es keine Auswirkung auf das Ergebnis hätte diesen anders zu wählen.
– Man sieht im obigen Bild zwei weitere Ereignisse ganz nahe bei den WIMP-Kandidaten. Ist das Zufall? Ist das Band richtig gewählt?
Wie gesagt, das sind jetzt keine toll wissenschaftlichen Einwände, nur Fragen die ich mir nicht beantworten konnte, und für die man wohl das Review abwarten sollte, vielleicht sind die im späteren Originalartikel auch angesprochen.
Zu sagen ist auch noch, dass die beiden Ereignisse bei exzellenten Messbedingungen und 3 Monate voneinander gelegen in verschiedenen Detektoren auftraten.
Ist mein Vertrauen in die Messungen jetzt gestiegen oder gefallen? Ich würde sagen, eher neutral jetzt. Weiterhin kann man nicht sagen, ob es Ereignisse durch WIMPs waren oder nicht, darf aber keines ausschließen. Man muss auf andere Experiment oder den größeren SuperCDMS warten. Ich drücke aber die Daumen!
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