Endlich hab ich mir mal das Buch von Randy Olson vorgenommen, in dem er beschreibt, worunter seiner Ansicht nach die Wissenschaftskommunikation leidet, und wie sie es besser machen kann. “Talking Substance in an age of Style” ist der Untertitel – und so lässt sich das Buch auch zusammenfassen: Wir leben leider in einer Zeit des überreichen Angebots von verschiedenen Medien. Wer hier seine Botschaft loswerden will, der kann nicht nur Fakten präsentieren. Er braucht die richtige Art und Weise zur Vermittlung, er braucht eine knackige Zusammenfassung, er braucht eine gute Geschichte, er braucht positive Ausstrahlung und er darf keine Angst haben, von den anderen Wissenschaftlern belächelt zu werden. Denn die sind es Schuld, denn sie sind sooolche Wissenschaftler.
Welche Wissenschaftler sind sie? Das zeigt Olson in vier Kapiteln.
1) Don’t be so cerebral: Wissenschaft teilt sich in Forschen und in Kommunizieren der Tätigkeit auf. Es gibt zwei Zutaten zur Kommunikation: Substanz und Stil. In der Substanz sind Wissenschaftler unschlagbar – aber der Stil fällt oft unter den Tisch. Man kann vier “Organe” der Kommunikation sehen: Der Kopf ist wo der Wissenschaftler seine Arbeit leistet. Aber in der Kommunikation trifft er dort die wenigstens Leute – er muss tiefer ansetzen, beim Herz und beim Bauch (Intuition) – die Sexorgane kann er außen vor lassen 😉
Wissenschaftliche Arbeit fängt im Bauch an – und die wissenschaftliche Forschungsmethode hebt dann die Intuition auf die Ebene des Hirns, wo sie genau überprüft wird. Pseudowissenschaftler bleiben auf der Ebene der Intuition hängen. Aber für die Kommunikation liefern diese Organe die essentiellen Zutaten: Passion, Energie, Freude.
Olson führt das Beispiel eines Ratgeber für Interviews an, der nichts anderes will als dem Wissenschaftler unnachgiebige Kontrolle einzudrillen. Stattdessen schlägt er eine Lektion aus dem Improvisationstheater vor – man geht immer auf den Partner ein und setzt positiv fort, was der begonnen hat. So könnte eine Verbindung zum Interviewer entstehen und “magische” Momente entstehen.
2) Don’t Be So Literal Minded – Die kürzeste Distanz zwischen zwei Punkten ist nicht der beste Weg zur Kommunikation. Solche Wissenschaftler denken, dass sie nur die Fakten nennen müssen und die Welt hält den Atem an. So ist es nicht. Man kann das bedauern, aber das ändert nichts dran dass effektive Kommunikation das beachten muss. Warum scheitert die Botschaft über die Erderwärmung so oft? Kennt ihr einen einfachen, passenden aber nicht negativen Slogan den ihr damit verbindet? Auch nicht? Seht ihr? Und die “andere Seite”? “Climategate”. “Smoking Gun”. Die haben keine Fakten, aber sie gewinnen in der Kommunikation, denn sie kommunizieren effektiv und mit Mitteleinsatz. Manche Filme setzen 96% ihres Budgets für Werbung ein. Große wissenschaftliche Studien mit gewichtigen Endreports haben kaum Geld für Kaffee bei der Pressekonferenz. Die meisten Menschen bevorzugen Stil über Substanz. Und deswegen muss die Grundregel für Kommunikation lauten: Errege und erfülle!
3) Don’t Be Such A Poor Storyteller: Frag einen Wissenschaftler was er macht und er wird erzählen. Und erzählen. Und erzählen, bis alle eingeschlafen sind. Was ist deine Arbeit? Du hast zwei Stockwerke Aufzugfahrt Zeit. Go!
Es gibt nur wenige Grundtypen Story, die die Menschen immer wieder gerne sehen, die sie kennen und mögen. Und wenn – nur rein formal vom Aufbau – deine Wissenschaftsgeschichte typischen Skripten folgt, mögen die Menschen ihr folgen.
Hier ist die feine Linie: Wie akkurat kannst du sein ohne zu langweilen? Natürlich muss alles 100% stimmen, aber muss denn jedes Detail sein? Wie schnappst du dir dein Publikum, was kannst du ihm zumuten, und wie hältst du sie bei Laune?
4) Don’t Be So Unlikeable: Ohje, hier bekommen auch die ScienceBlogs auf die Mütze. So viel Hass, so viel Schimpf. Fast alle Blogger finden den Zugang zur Bühne der Kommunikation über Ärger – die einfachste Emotion. Nur wenige kommen darüber hinaus und werden “Schauspieler” auf der Bühne der Kommunikation. Wissenschaftler sehen oft sehr arrogant aus, weil sie sich vom Ärger über ihr “einfaches” Publikum verführen lassen. Der bessere Weg zur Kommunikation: Sorg dafür dass man dich mag. So einfach und doch so schierig – denn leider sind Wissenschaftler die “party pooper”, die sagen müssen: Nein, das stimmt nicht.
Ja aber was soll man denn sein?
5) Be The Voice of Science: Im besten Falle wärst du Carl Sagan…aber sei bereit, dass dich ein Drittel aller Wissenschaftler dafür hassen wird. Letztendlich musst du aber deine Stimme finden, deinen Komponierstil. Du musst zweisprachig werden: Du musst vor Fachpublikum anders sprechen als für die Öffentlichkeit. Heute mehr denn je brauchen wir deine Stimme für die Wissenschaft, also auf!
Ich habe jetzt die Kapitel nur kurz zusammengefasst, und versucht aufzuführen was ich mitgenommen habe. Olson sagt es aber so viel besser. Mit genau dem richtigen Schwung präsentiert er seine Ideen und Beobachtungen aus der Perspektive des “verbeamteten” Professors, der alles hingeworfen hat und Schauspielunterricht genommen hat und Filmemacher geworden ist. Seine äußerst lohnenswerten Film Flock of Dodos kann man sich auch auf YouTube ansehen. Er realisiert, was er vorschlägt und er weiß wovon er spricht, kann er doch zu allen Themen Anekdoten erzählen, meistens von sich selbst, wie er genau diese Fehler begangen hat die er ankreidet. Das macht ihn sehr glaubwürdig und so sympathisch, dass wenigstens ich mir seine Predigt gerne angehört habe.
Ich empfehle dieses Buch uneingeschränkt. Es gab nichts, was mich wirklich gestört hat, wenn überhaupt dass er so auf den Sagan-Typ als Ideal hingearbeitet hat, wo ich mir heute lieber ein etwas breitgefächerteres Bild von Charaketeren gewünscht hätte. Soll eben jeder seine Stimme finden. Aber ich hab einige nicht so gute Reviews gelesen, z.B. auf ScienceBlogs.com, und muss sagen dass fast alle Kritikpunkte in diesen Reviews nicht zutreffen, weil sie entweder im Buch besprochen sind oder aus ihnen schlicht Frust über Olsons Predigt spricht. Also, unbedingt lesen, aber Vorsicht!
Im Anfang erzählt Olson von seiner ersten Schauspielstunde, als er von der sehr guten aber auch sehr aggressiven Schauspiellehrerin rausgebrüllt worden ist – weil er so viel dachte. Diese Story steht wohl bewusst vorne – denn Olson schont den Leser auch nicht. Ich hab jedenfalls genug auf den Senkel bekommen von ihm dass ich noch lange dran kauen werde – und hoffentlich was lerne. Aber ich habe auch viele Gedanken die ich eh schon hatte bestätigt bekommen – beruhigend.
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