Die zerstörerische Gewalt durch Tsunamis haben wir 2004 erlebt. Der Tsunami, der durch ein Unterseebeben ausgelöst worden war tötete am 26. Dezember über 280000 Menschen. Danach wurde begonne, Frühwarnsysteme zu etablieren, aber das ist nicht so einfach. Denn während die Tsunami-Welle sich am Strand zu irren Höhen auftürmen kann, bewegt sie sich fast ohne Höhenunterschied durch das Wasser – und ist oft nur wenige Zentimeter hoch. Was sie so gefährlich macht, ist die große räumliche Ausdehnung und somit die kollektive Bewegung einer gewaltigen Wassermasse, nicht die vertikale Höhenänderung.
Detektieren kann man sie durch Drucksensoren am Meeresboden, solche Messnetze wurden und werden aufgebaut. In einer neuen Veröffentlichung, die im Februar in Earth, Planets and Space erscheinen wird, wird jetzt die theoretische Möglichkeit einer ergänzenden Methode vorgestellt, die auf bestehende Infrastruktur zurückgreift: auf Unterseekabel.
Die Autoren Manoj C. Nair und seine Ko-Autoren aus Boulder, Zürich, Goa, Hyderabad und Moskau haben eine Idee von 1971 aufgegriffen, die noch kaum verfolgt wurde: Dass die Bewegung von Ozeanwasser elektrische Spannung in Unterseekabeln induziert.
Ladungstrennung
Ozeanwasser, im Vergleich zu Leitungswasser, ist ein guter elektrischer Leiter. Denn das gelöster Salz stellt Ionen zur Verfügung, die Strom leiten können. Das Ozeanwasser aber wird durch das Magnetfeld der Erde getragen – und bewegte Ladungen im Magnetfeld spüren eine ablenkende Lorentz-Kraft, wie hier im Bild zu sehen ist:
Die ablenkende Kraft wirkt senkrecht zu Stromrichtung und Magnetfeld – und das bedeutet dass positive Ladungen entgegengesetzt zu negativen Ladungen abgelenkt werden. Da aber durch das Salz im Ozean beide Ladungsarten vorkommen, wird es eben zu einer Ladungstrennung und somit zum Aufbau einer Spannung kommen.
Unter dem Meer
Auch wenn die meisten Unterseekabel Glasfaserkabel sind, scheint es doch so zu sein dass die Ladungstrennung auch in den Kabeln nachweisbar ist. Das macht solch eine Methode natürlich besonders attraktiv: Die Kabel liegen schon, und man müsste eigentlich nur die Spannung über das Kabel messen. Sollte jetzt durch einen Tsunami wirklich eine große Massenbewegung stattfinden, würde ein Signal messbar sein. Die Frage war nur: Wie groß ist dieses Signal?
Dazu haben die Forscher Modellrechnungen angestellt. Zunächst wurde mit einem sogenannten “barotropischen Modell” die Ausbreitung des Tsunamiereignisses von 2004 simuliert. Dann wurde ein 3D-Modell für Simulationen des Erdmagnetfeldes genommen und zusammen mit Informationen über die elektrischen Leitfähigkeiten in der Region konnte die induzierte Spannung über drei Kabel simuliert werden.
Das Bild zeigt die simulierten elektrischen Felder und die Position der Kabel. Das rote Kabel zwischen A und B lag parallel zur Hauptrichtung das Tsunami, die Kabel von C nach D und E nach D lagen senkrecht dazu. Das elektrische Feld beträgt bis zu 10 mV/km, aber in den meisten Bereichen etwa 2 mV/km (gelbe Farbe). Unterschiede hängen vor allem mit der Topographie des Seebodens und den Grenzen Land-Ozeanboden zusammen.
Über die Länge des Kabels entstehen dadurch aber durchaus messbare Spannungen. Vor allem auf dem langen Kabel sollten bis zu 500 mV messbar sein. Das ist nicht viel, aber die Messgenauigkeit beträgt etwa 10 mV.
Allerdings können auch andere Faktoren, der Ozean selbst, andere Quellen oder Störungen auf dem Kabel selbst Spannungen im Bereich von 100 mV erzeugen. Die Fragen, die also nach diesem Beweis des Prinzips zu klären sind, reicht die Messgenauigkeit um Tsunamis zu detektieren? Wie steht es mit kleineren Tsunamis, wie stark ist dann das Signal? Und kann man durch Verwendung kreuzender Kabel auch die Position feststellen?
Falls das klappt, könnte man daraus ein billiges Messsystem entwickeln, das bestehende Messmethoden ergänzt oder dort hilft, wo noch keine Drucksensoren ausgebracht sind.
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